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Milena Moser

«Hier habe ich die Liebe meines Lebens gefunden»

Sie ist eine der erfolgreichsten Schriftstellerinnen der Schweiz. In ihrer Wahlheimat San Francisco lebt sie mit ihrer grossen Liebe, dem Künstler Victor-Mario Zaballa. Ihr neuer Roman ist ihr zugeflogen – einfach so.

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Milena Moser in San Francisco, Oktober 2023 ©Jonas Mohr

Seit 2019 lebt Milena Moser mit ihrem Mann in San Francisco in Kalifornien. Berühmt wurde sie mit ihrem Erfolgsroman «Die Putzfraueninsel» von 1991.

Jonas Mohr

Milena Mosers Leben ist bunt. Ihr Haus in San Francisco, in dem sie seit vier Jahren zusammen mit ihrem Mann, dem mexikanischen Künstler Victor-Mario Zaballa, 69, lebt, ist so farbig wie die Fantasie der Schriftstellerin. Und ihre Looks – beim Interview mit der Schweizer Illustrierten trägt sie Orange und Grün – sind einfach nur fröhlich.

Milena Moser in San Francisco, Oktober 2023 ©Jonas Mohr

Daheim ist ihr Mann Küchenchef. «Victor singt, wenn er kocht. Ihn macht das wirklich glücklich», erzählt die Autorin.

Jonas Mohr

Milena Moser, gehen Sie schon immer so farbig durch die Welt?
Milena Moser: Nein (lacht). In der Schweiz trug ich früher immer Schwarz, Grau und Beige. Aber als ich vor acht Jahren in die USA zog, nach Santa Fe, war da dieses klare, leuchtende Licht. Und ich bekam Lust auf Farben. Seitdem bin ich immer farbig angezogen.

Sie sind im Juli 60 geworden. Wie fühlen Sie sich?
Mir geht es eigentlich super. Aber an dem Tag, an dem ich die Party geplant hatte, musste mein Mann ins Spital. Ich musste alles absagen. Das war schon ein Dämpfer. Doch meine beiden Freundinnen aus der Schweiz kamen zu Besuch. Das war sehr schön. Meine Mutter hat mal gesagt: «Mit 50 fängt das Leben erst richtig an.» Das stimmt. Die vergangenen zehn Jahre waren definitiv die besten meines Lebens!

Wie geht es Ihrem Mann heute?
Mein Mann ist schon lange krank. Er hatte eine Nierentransplantation und einen schweren Herzfehler. Aber dieser sollte nun behoben sein. Zum Glück geht es ihm momentan sehr gut!

Sie sind für die Lesereise zu Ihrem neuen Buch, «Der Traum vom Fliegen», derzeit in der Schweiz. Worauf haben Sie sich am meisten gefreut?
Auf meine beiden Söhne! Und meine Freundinnen und Freunde. Aber es gibt auch ein paar kulinarische Dinge, die ich vermisst habe: Canapés, Laugengipfeli und Rivella.

«Die vergangenen zehn Jahre waren definitiv die besten meines Lebens!»

Milena Moser
Milena Moser in San Francisco, Oktober 2023 ©Jonas Mohr

Die Schriftstellerin auf der kleinen Terrasse ihres Hauses. Den «Love»-Schriftzug hat sie in Santa Fe auf der Strasse gefunden.

Jonas Mohr

Wohnen Sie bei Ihren Söhnen, wenn Sie hier sind?
Wenn ich ankomme, wohne ich zuerst ein paar Tage bei meinen Freunden Michael von der Heide und Willi Spiess in Rümlang. Dann zwei Wochen bei einem meiner Söhne. Und in einer vorübergehend leer stehenden Wohnung.

Was gefällt Ihnen in den USA besser als in der Schweiz?
Die Mentalität, das Lebensgefühl. Objektiv gesehen ist zwar praktisch alles besser in der Schweiz. Trotzdem: Manchmal, wenn ich hierher zurückkomme, bin ich «erschlagen» von der ganzen Negativität. Wenn man in den Staaten beispielsweise eine Schnapsidee hat, dann sagen die Leute: «Grossartig. Machs!» Fällt man dann auf die Nase, fällt man eben auf die Nase. Und steht wieder auf. In der Schweiz heisst es: «Nein, das geht doch nicht. Was werden wohl die anderen Leute sagen?» Das finde ich ermüdend.

Trotzdem: Was ist schlechter in Amerika?
Ich leide vor allem unter dem Gesundheitswesen. Da habe ich wirk-lich manchmal das Gefühl, ich lebe in einem Drittweltland. Diesen Frühling, als Victor eine Sepsis hatte, gingen wir in den Notfall. Dreieinhalb Tage behielten sie ihn dort, weil es einfach kein freies Bett gab. Er sollte sich erholen, er war ja schwer krank, lag aber mitten in all diesen Menschen. Es gab Schlägereien, die Leute randalierten, und immer wieder kam die Polizei. Tag und Nacht brannte das Licht. Ich konnte nicht einmal neben ihm sitzen, dafür gabs keinen Platz. Er fror. Ich brachte ihm Decken und Essen von zu Hause mit. Als uns endlich gesagt wurde, er bekomme nun ein richtiges Bett, stand dieses auf der Abteilung im Gang.

Milena Moser in San Francisco, Oktober 2023 ©Jonas Mohr

Milena Mosers Lieblings-Gemüsehändler, von ihrem Haus an der Church Street aus gleich um die Ecke. 

Jonas Mohr

Im Gegensatz dazu strahlt Ihr Haus in San Francisco Lebensfreude aus. Wie würden Sie Ihren Wohnungsstil beschreiben?
Mein Mann Victor hat das Haus eingerichtet. Es sieht aus wie ein mexikanisches Volksmuseum. Wir haben von allem viel! (Lacht.)

Wer hat den besseren Geschmack?
Hm. Ich natürlich (lacht). Wenns um die Kleidung geht, fragt Victor immer mich, was er anziehen soll. Gehts aber ums Einrichten, richte ich mich nach ihm. Wir haben gerade unser Schlafzimmer in Türkis und Pink gestrichen. Auf diese Idee wäre ich nie gekommen. Es ist so schön geworden!

Wer ist der Chef zu Hause?
Unsere Katzen Tilda und Twyla. Leider lassen sie mich links liegen. Wenn ich nach Hause komme, schauen sie mich nur kurz an. Ist Victor zu Hause, dann sind sie nur bei ihm. Sie merken auch, wenn es ihm nicht gut geht.

Wo schreiben Sie?
In meinem Schreibhäuschen im Garten. Es ist zwei auf drei Meter gross und hat einen Schreibtisch. Dort bin ich weit weg von allem.

«Die Chefs zu Hause sind unsere beiden Katzen»

Milena Moser
Milena Moser in San Francisco, Oktober 2023 Jonas Mohr

Victor-Mario Zaballa ist Milena Mosers dritter Mann. Die beiden haben 2020 geheiratet. Aus früheren Ehen hat sie zwei erwachsene Söhne, 35 und 28.

Jonas Mohr

Apropos Schreiben: Ihr neues Buch heisst «Der Traum vom Fliegen». Die Hauptfigur Sofia kann es. Wie kamen Sie auf diese aussergewöhnliche Geschichte?
Sie ist mir zugeflogen, einfach so. Ich habe sowieso keine bewusste Kontrolle über meine Geschichten. Die Figur der Sofia kam schon in meinem Roman «Land der Söhne» vor, da war sie zwölf Jahre alt. Auch im Roman «Mehr als ein Leben» kam sie am Rande vor, da war sie 16. Während ich an diesem Buch schrieb, hörte ich in mir eine Stimme, die sagte: «Ich will mein eigenes Buch. Ich habe noch mehr zu sagen.» Irgendwann sagte ich mir: «Okay, Sofia, ich bin bereit.» Lange sah ich sie nur auf ihrem Bett sitzen, plötzlich ganz dick – sie, die vorher immer so zart war –, unbeweglich, mit Kopfhörern, Laptop und Handy. Ich wusste noch immer nicht, was ich schreiben soll. Sofia ist jetzt dick? Was soll das? Dann, nach fünf Monaten, sah ich den Vorspann des neuen Romans vor mir: Sie steht auf, geht zum Fenster und fliegt. Nun wusste ich, dass sie fliegen will.

Im neuen Roman haben nicht nur Sofia, sondern auch andere Figuren eine Superkraft. Welche haben Sie?
Ich weiss, dass ich die Fähigkeit habe, mich unsichtbar zu machen. In gewissen Situationen, wenn ich etwas beobachte oder aufnehme, werde ich zur Fliege an der Wand. Das passiert mir auch in Gruppen: Dann kann ich in mir verschwinden und sitze nur noch wie ein grosses Ohr am Tisch. Am liebsten hätte ich aber die Fähigkeit, da und dort gleichzeitig zu sein. Ich fände es super, wenn ich nach diesem Interview und vor der nächsten Lesung kurz bei Victor in San Francisco vorbeischauen könnte und dann gleich wieder zurück in die Schweiz.

Milena Moser in San Francisco, Oktober 2023 ©Jonas Mohr

Milena Moser in ihrem Gästezimmer. Sie trägt das erste Mal Birkenstock-Sandalen, weil sie den kleinen Zeh gebrochen hat. 

Jonas Mohr

Haben Sie schon eine Idee für ein nächstes Buch?
Ja! Schon angefangen (lacht).

Geben Sie uns ein Stichwort?
Gern: Summer of Love.

Zurück zur Romanfigur Sofia, die am Schluss das Glück findet. Und Sie?
Wenn Sie das so meinen, dass ich die Liebe meines Lebens gefunden habe, dann ja. Aber ich glaube, das Glück ist etwas, das im Moment lebt. Das habe ich von meinem Mann gelernt: den Moment zu nehmen und den Nektar aufzusaugen. Auch wenn der Moment im Notfallzimmer stattfindet.

Von Janine Urech am 4. November 2023 - 07:00 Uhr