Sie begegnen sich zum ersten Mal, und das bei zehn Grad! Dennoch springt der Funken zwischen Beat Schlatter (61) und Cornelia Boesch (47). Der Komiker hat die SRF-«Tagesschau»-Moderatorin für das Gipfeltreffen der Schweizer Illustrierten ins Trinkwasser-Reservoir Lyren in Zürich gebeten. «Ich hätte dich ja auch zu mir nach Hause an den Küchentisch eingeladen, aber ich wollte dir etwas Besonderes zeigen.» Gemeinsam redet das komisch-seriöse Duo über Humor in schwierigen Zeiten.
Lustig oder nicht? Der Spartipp vom Bundesrat, dass man gemeinsam duschen soll.
Cornelia Boesch: Ich würde sagen, es ist eine steile Rampe für schlüpfrige Witze. Aber wohl eher schön als lustig.
Beat Schlatter: Ich bewundere ja schon alle Paare, die es drei Tage miteinander im Hotelzimmer aushalten.
Boesch: Und jene, die sich eine Bettdecke teilen.
Schlatter: Jesses Gott! Vorher würde ich mit einer Frau das Interesse für vorchristliche lettische Chormusik teilen.
Beat Schlatter, Sie leben nicht mit Ihrer Frau zusammen. Und Sie, Cornelia Boesch, haben einen grossen Altersunterschied in der Ehe. Ertragen Sie Witze dazu?
Boesch: Wir machen wohl selbst mehr Sprüche darüber als alle anderen. Es ist Realität und für uns total normal.
Schlatter: Was, ich komme nicht nach. Ist Thomas so viel älter als du?
Boesch: 22 Jahre.
Schlatter: 22 Jahre?!?
Boesch: Krass, gell?
Schlatter: Du bist ja eigentlich eine Rockerbraut. Dein Mann Thomas ist ein ganz berühmter Schlagzeuger, spielte jahrelang mit Polo Hofer. Ich war Fan von ihm.
Boesch: Ich bins immer noch. Hey, und du wohnst nicht mit deiner Frau zusammen?! (Beide lachen.)
Waren Sie schon mal in einer Beziehung, in der der Humor nicht gepasst hat?
Boesch: Meine kürzeste. Ich finde es wahnsinnig anziehend, wenn mich jemand zum Lachen bringt und ich nicht einmal sagen kann, weshalb. Aber ich habe mich auch schon vertan. Und du, Beat, wo du nicht einmal mit der eigenen Frau zusammenlebst?
Schlatter: (Lacht.) Humor beinhaltet viel mehr als nur Komik und Pointe. Er sagt auch etwas über die Intelligenz der Person aus. Man kann nur über Dinge lachen, die man kennt. Dazu braucht es ein Mass an Allgemeinwissen. Zweitens ist eine humorvolle Person auch grosszügig. Ich behaupte, dass geizige Leute relativ humorlos sind.
Cornelia Boesch, was findet Ihr Sohn lustig – Sie aber nicht?
Er ist 14. Wir sind beide tollpatschig und freuen uns sehr, wenn jemand anderem auch was Schusseliges passiert. Aber er findet jetzt Tiktok-Videos lustig, bei denen ich vergeblich auf die Pointe warte.
Tiktok – wissen Sie, Beat Schlatter, worums geht?
Ja, ja, ist aber nicht gerade mein Kerngeschäft (lacht).
Von Ihnen erwarten die Leute, dass Sie ständig lustig sind. Und von Ihnen, Cornelia Boesch, das Gegenteil.
Schlatter: Ein Komiker, der auch privat eine Pointe nach der anderen aus der Hüfte schiesst, ist sehr anstrengend. Den möchte ich nicht zu mir nach Hause einladen. Ich muss und will
die Erwartungshaltung im Theater bedienen. Aber ich kann nicht einfach einen Anlass moderieren, weil selbst da alle erwarten, dass eine Pointe nach der anderen kommt. Das tun sie bei dir, Cornelia, nicht.
Boesch: Bei mir sind alle ganz überrascht, wenn ich mal einen frechen Latz habe oder etwas politisch Unkorrektes sage. Dabei finde ich diese Trennung zwischen Humor und Seriosität seltsam. Humor ist eine seriöse Sache!
Schlatter: Wenn du privat lustig bist, haben die Leute Freude. Wenn ich nicht lustig bin, sind sie enttäuscht. Du hast die bessere Ausgangsposition!
Boesch: Stimmt. Aber ich bin mit Abstand viel zu wenig lustig, als dass ich davon leben könnte.
Mein liebster Gipfel «Das Eggishorn auf der Fiescheralp im Wallis.»
Mein steilster Aufstieg «Wirklich erwachsen zu werden, da bin ich immer noch dran.»
Mein Höhepunkt «Dass ich mit meinem Mann eine ganze Patchworkfamilie geschenkt bekommen habe.»
Wie kamen Sie zum Humor?
Schlatter: Ich habe irgendwann gemerkt, dass ich da den geringsten Widerstand habe. Ich war kein guter Schüler und konnte mit Humor gewisse Sympathien gewinnen. Humor war mein Rettungsring, der mich vor dem Ertrinken meistens gerettet hat.
Boesch: Auch ich bin den Lehrern negativ aufgefallen, konnte nicht still sitzen, redete viel und hatte immer
ein Puff. Mit Humor konnte ich ein paar Punkte sammeln.
Schlatter: Mein Humor war nie berechnend, sondern kam immer aus der Not heraus. Ich weiss nicht, wer die ersten berufsmässigen Humoristen waren. Wahrscheinlich die Hofnarren, die dem König schwierige Dinge sagen mussten. Im Gegensatz zu heute riskierten sie dabei ihren Kopf, wenn es ihnen nicht gelang, schlimme Botschaften angenehm zu transportieren.
Dasselbe machen Sie im TV.
Boesch: Ich muss die Nachrichten aber weder aufpolieren noch schön verpacken oder einen Witz draus machen. Ich darf und soll die Dinge so sagen, wie sie sind.
Schlatter: Da muss ich grad einhaken, denn ich war ja zehn Jahre lang mit einer erfolgreichen Fernsehjournalistin zusammen.
Boesch: Ich weiss.
Schlatter: Und ihr müsst euch an die Tatsachen halten. Aber bei mir gehts um Fiktion und Fantasie. Wenn ich mit dieser Freundin irgendwo eingeladen war, hab ich vielleicht eine Anekdote erzählt und sie ausgeschmückt und beim nächsten Mal noch ein bisschen mehr ausgeschmückt.
Boesch: Wie beim Telefonspiel.
Schlatter: Genau das macht ja Komik aus. Meine Ex-Freundin war der Wahrheit aber so verpflichtet, dass sie mich irgendwann unterbrach und sagte: Hör auf! Das war überhaupt nicht so.
Mein liebster Gipfel «Ich laufe am liebsten geradeaus.»
Mein steilster Aufstieg «Jedes Projekt braucht viel Arbeit und Geduld – und ich muss mich dabei selbst aushalten.»
Mein Höhepunkt «Immer, wenn ich mich selbst damit überrasche, dass ich unerwartet etwas schaffe.»
Lustig oder nicht? Bündnerfleisch.
Schlatter: An sich nicht lustig. Weder das Wort noch das Fleisch – lustig ist nur Hans-Rudolf Merz und wie er darüber gestolpert ist. Es kommt darauf an, was man hineininterpretiert, das machts lustig.
Boesch: Ja, das Menschliche. Es war ja auch ein totaler Paragrafenirrsinn, den er vorlesen musste.
Bei der «Tagesschau» müssen Sie auch in allen möglichen Situationen ernst bleiben.
Boesch: Absolut. Und wenn ich dann mal einen blöden Versprecher habe, freuen sich die Leute total! Sie sehen, dass ich menschlich bin und nicht alles perfekt funktioniert.
Schlatter: Das sind die Sachen, die man an anderen gernhat. Man meint immer, es ginge im Leben um Perfektionismus – aber die Fehler der anderen sind das, was wir letztlich lieben.
Boesch: Die Zuschauer lachen auch, wenn sie meine Kleiderwahl nicht verstehen. Ich glaube sowieso, dass wir sehr humorvolle Zuschauer haben. Einer schrieb mir ein Mail: Er sei der Präsident des Vereins für überflüssige Adjektive und habe gemerkt, wie oft ich Adjektive beim Moderieren brauche. Wir haben dann ein paarmal hin- und her geschrieben.
Haben Sie, Beat Schlatter, schon mal einen Brief an die «Tagesschau» geschrieben?
Könnte ich mal – schliesslich schaue ich sie jeden Tag.
Boesch: Wirklich?
Schlatter: Ja, selbst im Ausland. Ich schätze, dass das Wichtigste kurz zusammengefasst ist. Und ich mag die Kulturbeiträge am Schluss der Sendung.
Boesch: Gut, dann schreib in deinem Brief grad noch, dass es davon noch mehr vertragen würde.
Ist die aktuelle Weltlage nicht zu ernst, um lustig zu sein?
Boesch: Finde ich gar nicht. Humor ist ein Ventil. Er darf auch chli böse sein. Je trauriger es in der Welt zu- und hergeht, desto grösser ist das Bedürfnis nach Lachen, weil es den Körper entspannt und die Perspektive verändert.
Schlatter: Humor, der aus Angst oder Not entsteht, finde ich eigentlich fast den lustigsten.
Cornelia Boesch, Sie konnten nach Ihrem Kollaps in der «Tagesschau» im Jahr 2015 über sich selbst lachen.
O Gott. Der Moment selbst war Horror – aber es ergab sich so viel Witziges daraus. Vor dem Kollaps hatte ich 80 Follower auf Twitter. Beim Aufstehen am nächsten Morgen waren es über 1000.
Schlatter: (Lacht.)
Boesch: Da dachte ich: So eine Ohnmacht ist gar nicht so übel.
Bringen Sie lieber Menschen zum Lachen, oder werden Sie lieber selbst zum Lachen gebracht?
Boesch: Ich bin gwundrig auf deine Antwort, Beat.
Schlatter: Privat mag ich es lieber, wenn mich jemand zum Lachen bringt.
Boesch: Ist das sehr schwierig?
Haben wir Sie heute schon zum Lachen gebracht?
Schlatter: (Lacht.) Doch doch. Aber auf der Bühne ist es natürlich wahnsinnig lässig, wenn man einen ganzen Saal zum Lachen bringen kann.
Wie fühlen Sie sich in solchen Momenten?
Schlatter: Es trägt mich. Ich fühle mich mit der Rolle verbunden, wie der Papst mit Gott. Es ist ein Flow. Ich werde mit meinen Bühnenpartnern und dem Publikum eins.
Boesch: Ein guter Gag ist doch wie ein Goal, oder?
Schlatter: Ja, wenns auf der Bühne gut läuft, ist das eines der höchsten Glücksgefühle.
Fehlt Ihnen das bei der «Tagesschau»?
Wenn ich manchmal vor Live-Publikum moderiere, reagiert meine Zürischnurre auf vieles ganz spontan. Und ich freue mich, wenn ich die Menschen zum Lachen bringe, auch wenn ich keine Pointenmaschine bin.
Warum eignet sich die Politik so gut für humoristische Parodien?
Schlatter: Ich denke nicht, dass sie das tut – und wenn, dann nur in der Aktualität. Ein politischer Gag hält sich nicht lange und interessiert mich darum weniger.
Boesch: Ich bin ein Aktualitäts-Junkie und mag politische Satire deshalb sehr. Ich finde es toll, wenn man mit den Mächtigen hart ins Gericht geht und sie vermenschlicht.
Sie sind beide Zürcher. Lustig oder nicht? Der FCZ.
Schlatter: Da hört bei mir der Humor auf.
Boesch: Es ist im Moment ein Elend, ein Trauerspiel.
Können Zürcher über sich selbst lachen?
Schlatter: Selten – aber immerhin tun wir Zürcher mit unserer Gefühlskälte sehr viel gegen die Erderwärmung. (Beide lachen.)