Gino Caviezel (32) ist seit 13 Jahren im Skiweltcup unterwegs. Seine Disziplinen sind vor allem der Super-G und der Riesenslalom. Sein Cousin Dario Caviezel (29) umkurvt die Stangen auf dem Snowboard – er ist als Alpiner auf Parallelslalom und -Riesenslalom spezialisiert. Gino taucht als Erster beim Interview auf, frotzelt, ob er der einzige Caviezel hier sei. Dario erscheint ein paar Minuten später. Sie begrüssen sich mit einer Umarmung.
Gino, kannst du gut snowboarden?
Gino Caviezel: Ich habe es einmal versucht, mit dem Snowboard von Dario. Wir waren sogar zusammen auf der Piste, in Splügen. Ich erinnere mich gut. Ich kam heil unten an, aber ich bin doch froh, bin ich Skifahrer.
Und du, Dario, wie gut fährst du Ski?
Dario Caviezel: Es geht. Aber ich werde immer schlechter. Also ich komme schon von A nach B, aber ich würde mich nicht als guten Skifahrer bezeichnen.
Warum habt ihr euch für eure jeweilige Sportart entschieden?
Gino Caviezel: Dario ist das schwarze Schaf in der Familie (beide lachen).
Dario Caviezel: Mein Götti hatte eine Snowboardschule, und ich kam durch ihn zum Snowboarden. Ja, ich bin der einzige Caviezel, der Snowboard fährt. Ich habe mich durchgesetzt und bin nicht schwach geworden.
Gino Caviezel: Snowboarden war für mich nie eine Option. Ich fühlte mich da meinem älteren Bruder Mauro, der auch im Skiweltcup fuhr, näher. Ich habe immer zu ihm aufgeschaut.
Was sind die Vor- und Nachteile am Skisport?
Gino Caviezel: Ich denke, es ist schwierig zu vergleichen. Der Skisport ist eine der Hauptsportarten in der Schweiz. Dario gehört in seinem Sport zu den Besten der Welt. Aber mit Ausnahme der Grossanlässe ist die öffentliche Aufmerksamkeit geringer als im Ski Alpin. Man muss sehr weit vorne sein, um davon leben zu können.
Was sind die Vor- und Nachteile am Snowboardsport?
Dario Caviezel: Wie Gino sagt, auf meinem Level ist die geringere Aufmerksamkeit ein grosser Nachteil, vor allem finanziell. Abgesehen davon kann es aber auch ein Vorteil sein. Wenn ich mit Gino auf einem Festival bin, erkennen ihn alle. Mich dagegen nicht. Das ist auch cool. Ich muss aber sicherlich mehr kämpfen für ein Sponsoring. Trotzdem bin ich Profi. Der Sport ist meine Leidenschaft.
Wie ist euer familiäres Verhältnis?
Gino Caviezel: Unsere Väter sind Brüder, die Familie hatte für uns alle immer einen sehr hohen Stellenwert. Wir feiern jedes Jahr Weihnachten zusammen und meist auch Ostern.
Dario Caviezel: Es wird nicht einfacher. Unsere Väter haben noch drei Geschwister, alle unsere Cousinen und Cousins heiraten, bekommen Kinder. Aber es ist immer schön. Die Türen sind stets offen, und die Geschwister halten eng zusammen.
«An Familienfeiern reden wir fast nur über Sport»
Gino Caviezel
Sprecht ihr bei solchen Familientreffen oft über Sport?
Nur! (Beide lachen.)
Gino Caviezel: Wir reden wirklich viel über den Sport, das ist schon sehr zentral in unserer Familie.
Dario Caviezel: Alle fiebern mit uns mit, kommen auch mal zu einem Rennen.
Worum beneidet ihr den anderen?
Gino Caviezel: Um seinen Bizeps (lacht). Nein, Neid ist kein Thema. Ich bewundere ihn mehr für das, was er macht.
Dario Caviezel: Es ist schon cool, dass gleich drei aus unserer Familie ihren Traum verwirklichen konnten – ob im Ski Alpin oder im Snowboard. An den Olympischen Spielen in Südkorea waren wir mit Mauro drei Vertreter der Familie Caviezel. Das war einmalig.
Gino Caviezel: Wir schauen, dass wir 2026 in Mailand wenigstens zu zweit sind.
Was wünscht ihr euch vom bevorstehenden Skiwinter?
Dario Caviezel: Im März findet in St. Moritz unsere Heim-WM statt. Da möchte ich natürlich parat sein. Das Ziel ist ganz klar eine Medaille. Ansonsten hoffe ich auf eine konstante Saison, dass es vielleicht mal für eine Weltcupkugel reicht. Ende November fängt unsere Saison an, und ich versuche, positiv heranzugehen, an jedem Rennen den nächsten Schritt zu machen.
Gino Caviezel: Unser Highlight der Saison ist die WM in Saalbach-Hinterglemm im Februar 2025. Es geht um die Medaillen, das ist auch mein grosses Ziel. Ich habe auf diese Saison hin meine Skimarke gewechselt. Das ist eine grosse Sache, ich weiss nicht, wo ich starten werde. Aber ich schaue positiv auf die Saison.
Wie habt ihr die Zeit zwischen den Saisons verbracht?
Gino Caviezel: Wir waren drei Wochen in Südamerika im Schnee und hatten dann Schneetraining in der Schweiz. Seit Mai waren wir im Sommertraining, wir haben viel Kondition trainiert, viel geschwitzt. Ferien hatte ich im Frühling, als ich auf Zypern war.
Dario Caviezel: Mein grosses Highlight war natürlich meine zivile Hochzeit, ich durfte meine Freundin Ladina Jenny, auch Snowboarderin, zu meiner Frau machen. Das Sommertraining fing im Mai an, ich habe auch viel geschwitzt, konnte eine Schippe zulegen. Auch auf dem Schnee fühle ich mich bisher sehr wohl.
Habt ihr spezielle Erinnerungen an eure Kindheit, an die ihr gern zurückdenkt?
Gino Caviezel: Dario wollte mir immer alles nachmachen. Ausser das Skifahren natürlich. Er hat immer das Gleiche getrunken, gegessen, gemacht.
Dario Caviezel: Stimmt. Wenn Gino eine Cola bestellt hat, habe ich auch eine bestellt. Er ist drei Jahre älter. Ich wollte immer so schnell sein wie er. Und bin dann «uf d’Schnorra gheit».
«Ich plane langfristig, will mindestens noch acht Jahre Profi bleiben»
Dario Caviezel
Was habt ihr noch für Träume und Ziele, unabhängig vom Sport?
Dario Caviezel: Eine Familie zu haben, Kinder, irgendwann kommt die Zeit. Ich wünsche mir ein schönes Leben mit meiner Frau und unseren Kindern, einfach, bodenständig. Natürlich befasse ich mich auch mit dem Thema, was nach dem Sport kommt. Allerdings denke ich im Sport noch langfristig, ich würde schon gern noch acht Jahre snowboarden, das ist in unserem Sport auch möglich.
Gino Caviezel: Ich lebe im Moment meinen Traum, und ich setze alles daran, dass ich das auch in den nächsten Jahren noch darf. Ich möchte gern noch eins drauflegen und einige Ziele erreichen. Was danach kommt … schwierig. Ich glaube, ich werde nie wieder eine solche Leidenschaft finden wie für das Skifahren.
Was wünscht ihr euch gegenseitig für die kommende Saison?
Dario Caviezel: Dass er seine neuen Ski richtig in den Schnee drückt (lacht). Und ich hoffe, dass du an der WM eine Medaille holen kannst. Ich habe schon eine, du nicht.
Gino Caviezel: Ich wünsche Dario vor allem eine unfallfreie Saison, dass er gesund durchkommt und die Leistung abrufen kann, die möglich ist. Es spielen so viele Faktoren mit, das kenne ich ja nur zu gut.