«Ich erinnere mich daran, dass alles viel grüner schien», sagt Xenia Tchoumi. Es sind die ersten Erinnerungen an die Schweiz, die sich die Influencerin im Gespräch mit «SRF Virus» wieder ins Gedächtnis ruft. Die heute 33-Jährige kam im Alter von fünf Jahren nach Lugano – als Tochter eines Russen und einer Halbukrainerin. «Es war Sommer, vielleicht täusche ich mich auch», erzählt sie weiter. «Aber es war grün und farbig, lebendig.»
Das Leben in der Schweiz – als kleines Mädchen eine «wunderbare Erfahrung», wie sie sagt. Auch wenn der Weg früh von Unsicherheiten geprägt war. Denn Tchoumi lernte erst in der Schweiz Italienisch. «Zu Beginn schämte ich mich vor meinen Klassenkameraden, wenn ich ein Wort nicht kannte», erinnert sie sich. Mittlerweile bezeichnet sie Italienisch als ihre Muttersprache. «Ich kann wirklich sagen, dass ich auf Italienisch denke, träume und mich auch ausdrücke.»
Obschon der Lernprozess in der Sprache sehr rasch vonstattenging, kriegte Tchoumi immer wieder zu spüren, dass sie eine andere Herkunft hat. «Ich denke schon, dass ich diskriminiert wurde», sagt sie nachdenklich.
«Ich konnte die Diskriminierung sehen»
Xenia Tchoumi
In der Primarschule etwa habe es ein Geburtstagsfest eines sehr beliebten Mädchens gegeben. Dieses habe ausschliesslich Schweizer Kinder eingeladen. «Natürlich versteht man als etwa Siebenjährige nicht, warum man nicht eingeladen wurde», sagt Tchoumi. Später aber realisierte sie, was der Grund dafür war. «Es ist wirklich sehr rassistisch.» Sie reagierte auf die Diskriminierung – wenn auch unbewusst. «Gut möglich, dass ich mich beleidigt fühlte und unbewusst den Drang verspürte, mich zu beweisen. Ich schrieb dann gute Noten und wurde sogar besser in der Schule als sie.» Der Erfolg im Leben sei oft eine Reaktion auf ein negatives Erlebnis. «Ich habe mich sehr schnell angepasst.»
Ein andermal war es nicht sie, die diskriminiert wurde, sondern ihr dunkelhäutiger Freund. Mit ihm und einigen Freunden besuchte sie im Alter von zwölf Jahren ein Fest. «Wir wurden gebeten, das Fest zu verlassen, weil meine dunkelhäutigen Freunde nicht willkommen waren», erzählt Tchoumi. «Ich war empört, denn ich war mit allen befreundet, egal ob Schweizer oder Ausländer.» Dieser Moment hat sich in ihre Erinnerung gebrannt. «Ich konnte die Diskriminierung sehen.»
Dass sich Leute von der Andersartigkeit bedroht fühlen, kann die Ex-Vize-Miss-Schweiz nachvollziehen. «Ich verstehe, warum es Rassismus in der Schweiz gibt.» Die Gründe dafür sieht sie in der Struktur und der Geschichte des Landes. «Die Schweiz ist ein kleines Land, es muss sich verteidigen können, um die eigene Identität zu wahren. Wenn die Identität fragil ist, wird man auch stolzer.»
Dasselbe passiere auch mit Ausländern, wie Tchoumi feststellt. «Leider habe ich sehr viele Ausländer gesehen, die nach mehreren Jahren in der Schweiz zu Rassisten werden.» Diesen Prozess bezeichnet sie als «total absurd» – und kann ihn sich nicht anders erklären als mit einem «Problem des Egos».
Seit ihren Anfängen in Lugano hat Xenia Tchoumi viel von der Welt gesehen, lebt heute in London, war unter anderem schon in New York zuhause, in Zürich und im Tessin. «Aufgrund der Tatsache, dass ich schon an so vielen Orten gelebt habe und mich so international fühle, verspüre ich nicht wirklich das Bedürfnis, einer bestimmten Gruppe anzugehören.»
Tchoumi hat gelernt, den Menschen das wahre Bild zu zeigen – die Xenia, die ist, und nicht die, die erwartet wird. So blickt sie trotz aller Schwierigkeiten in der Kindheit voller Dankbarkeit zurück. «Obwohl ich fremd war und diskriminiert wurde, hat mir die Schweiz eine Riesenchance gegeben – und gibt sie mir heute noch, obwohl ich in London lebe.» Sie sei der Schweiz dankbar. «Für mich ist sie ein wirklich magisches Land.»