Ein schnelles «Hallo» über die Sprechanlage, ein Knopfdruck – schon öffnet sich die Tür. Fabio Landert, 33, begrüsst privat genauso sec und unaufgeregt, wie er das auch als Komiker auf der Bühne tut. Dort gibts für das Publikum zu Beginn stets ein schüchternes «Hey» – schon lachen alle über den St. Galler. «Das Unaufgeregte passt nicht zu meinem Äusseren und verwirrt», erklärt er in seiner Wohnung im Berliner Quartier Friedrichshain. «Ich bin optisch laut, aber in meinem Wesen eher ruhig, was viele nicht glauben.»
Seit Februar 2022 lebt Fabio Landert in der deutschen Hauptstadt. «Zuvor war ich der Schweizer, der immer mal wieder herkam. Seit ich hier wohne, spüre ich mehr Akzeptanz.» Er absolviert mehrere Auftritte pro Woche – «manchmal allein drei bis vier Shows an einem Abend». Selbst für seine zehnminütigen «Try-outs», bei denen er seine neuen Witze vor Publikum testet, wird Landert mittlerweile von Comedy-Clubs wie dem Mad Monkey Room bezahlt. Aktuell tourt er mit seinem abendfüllenden Programm «Unter die Haut» durch Deutschland und die Schweiz. Bis auf zwei sind all seine Schweizer Shows ausverkauft. «Als Newcomer habe ich das nicht erwartet», sagt er. Denn seine Komikerkarriere ist noch jung. Erst seit 2019 setzt er voll auf diese Karte, gewinnt in jenem Jahr den SRF 3 Comedy Talent Award und den deutschen Nightwash Talent Award – als erster Schweizer! Dabei entstand seine Humorkarriere einst aus purer Einsamkeit.
«In Berlin nimmt mich jeder so, wie ich bin. Hier kann ich mich vervollständigen»
Fabio Landert
In Oberbüren SG aufgewachsen, absolviert Fabio Landert zunächst eine KV-Lehre. «Ich hatte einen Job, ein Auto, eine Wohnung – gesellschaftlich gesehen führte ich ein klassisches Leben», sagt er. «Aber ich war nie glücklich. In meinem Kopf war immer klar, dass ich selbstständig werden will.» Also versucht er sich als Versicherungsberater, Rollladenverkäufer, lebt drei Jahre vom Pokerspiel – «bis dieses in Klubs verboten wurde». Dann kauft er, der viel Wert auf eine gesunde Ernährung legt, einen Snackautomaten. «Die gängigen bieten Kägi fret, Salami oder Schwangerschaftstests an – alles Dinge, die ich nicht brauchte.» Er füttert seinen «Fittymat» mit Wasser, Proteinriegeln und -shakes und stellt ihn in St. Gallen auf. «Der Automat lief sogar relativ gut!»
Dann erhält Landert ein Jobangebot als Aussendienst-Gebietsleiter für Rollläden in der Westschweiz. «Da meine Mutter aus Italien stammt und im Welschland aufgewachsen ist, spreche ich drei Sprachen fliessend», sagt der Ostschweizer. «Die Mehrsprachigkeit ist mein Joker in der Arbeitswelt.» Er zieht nach Fétigny FR. «Dort war ich so einsam, dass ich ein Hobby brauchte und deshalb mit Comedy anfing.» Bis dahin machte er im Kollegenkreis Witze und Sprüche, nun beginnt er, seine Ideen und Beobachtungen stichwortartig in ein Tagebuch zu notie- ren. Als er ein halbes Jahr später den Führerschein für drei Monate verliert und darum auch seinen Aussendienst- job, probiert er es schliesslich fulltime mit Comedy. «Dank meinen Notizen hatte ich schon fast ein ganzes Programm zusammen», erzählt er. «Meine Eltern dachten nur: Was hat er jetzt wieder für Flausen im Kopf?»
«Ehrlich, direkt, modern, teilweise auch schwarz», so beschreibt Fabio Landert seinen Humor. Unter dem Tisch schnarcht Bica, die schwerhö-rige Bulldogge seiner Freundin. Er selbst ist Herrchen von Tyson. «Ich thematisiere nicht gern Klischees wie zum Beispiel jene aus einer Beziehung, dafür aber Alltägliches wie Musik-Playlisten oder Tabus wie Rassismus.» Dabei setzt Fabio Landert auch aktiv auf sogenanntes Crowdwork – er integriert das Publikum. «Jede Person hat eine Story, aus der ich etwas machen kann. Und wenn man mit dem Publikum redet, fühlt es sich auch wohler.» So erzählte ihm einst ein Gast vor der Show, dass er am Tourette-Syndrom leide und Landert allfällige Ausrufe nicht auf sich beziehen soll. «Ich sprach ihn dann in der Show an und sagte: ‹Ich muss jetzt kontrollieren, ob du wirk-lich Tourette hast.›» Und so sei eine eigene, spontane Nummer entstanden. «Ich machte mich nicht über ihn lustig, sondern über die Situation – und konnte ihm so Applaus schenken. Solche Geschichten habe ich gern.»
Um fit für die Bühne zu sein und sich «auszupowern», geht Fabio Landert bis zu fünfmal die Woche in den «Bunker», wo er Gewichte drückt neben gestandenen Bodybuildern. Mit 17 Jahren fängt er mit Krafttraining an, weil er «sprenzlig» ist. Mit 23 schafft er es
bei einer Körpergrösse von 188 Zentimetern auf fast 100 Kilo. «Für noch mehr Muskeln hätte ich mit Zusatzsubstanzen anfangen müssen. Aber Drogen habe ich nicht ausprobiert.»
Seine berufliche Probierphase hat sich derweil gelohnt. «Ich habe extrem Spass. Es hat zwar länger gedauert, und mit 33 wars an der Zeit, etwas anzufangen. Aber andere finden ein Leben lang nicht, wonach sie suchen.» US-Comedians wie Chris Rock sind Landerts Vorbilder. «Ich will grösser werden.» Auch das wird er noch probieren.