Montag. Der Tag, an dem Moderator Stefan Büsser (38) mit seinen Kollegen Aron Herz (42) und Michael Schweizer (42) in Adliswil ZH den Podcast «Comedymänner» aufnimmt. Ab und an macht das Trio in einer Folge Witze über die geringe Lebenserwartung von «Büssi». Der Zürcher Komiker und Aussenmoderator von SRF-«Donnschtig-Jass» hat Cystische Fibrose, eine der häufigsten Stoffwechselkrankheiten in Europa, bei der die Betroffenen (circa 1000 in der Schweiz) an zähflüssigem Schleim in der Lunge leiden und häufig auch unter Beschwerden im Verdauungstrakt. Dies bedeutet: Medikamente, Therapien, Husten, Atemnot – im schlimmsten Fall eine Lungentransplantation.
«Büssis» Kumpel Herz und Schweizer haben als Freunde inoffiziell das Okay für die Witze. «Die zwei sind unter anderen die Ersten, die weinen, wenn ich nicht mehr hier sein sollte.» Doch Sprüche wie «Der Schnappatmer» oder «Viel Luft nach oben» sind heute nicht mehr so aktuell wie auch schon. Ein neues Medikament einer US-Firma lässt Stefan Büsser auf ein mögliches Leben als Rentner hoffen.
Stefan Büsser, fühlen Sie sich gesund?
Sehr nah dran. Ich bin mir noch immer bewusst, dass ich krank bin, aber vergesse es mittlerweile auch mal. Was hat sich geändert? Seit zwei Jahren nehme ich ein neues Medikament. Bereits innerhalb weniger Stunden nach der ersten Einnahme spürte ich die Wirkung. Zwar musste ich dann mehrere Tag lang den ganzen Schleim der vergangenen 35 Jahre heraushusten, doch dann – von einer Stunde auf die andere – kam nichts mehr. Seither habe ich keinen Schleim mehr, ausser ich bin erkältet.
Wie fühlten Sie sich in dem Moment?
Ich wusste, das ist ein Gamechanger. Wenn du dein Leben lang immer Schleim gehustet hast, und plötzlich hustest du gar nicht mehr – unvorstellbar. Mir ist damit ein neues Leben geschenkt worden.
Stefan Büsser war zwei Jahre alt, als seine Eltern die Diagnose Cystische Fibrose (CF) hören. Die Lebenserwartung ihres Sohnes, so sagt man ihnen damals, reiche etwa bis zu dessen Pubertät. Die Eltern wollen es ihm erklären und streiten vor ihm und seiner Schwester um das Inhaliergerät. Klein Stefan will das begehrte Ding haben. «Dann musst du aber jeden Tag inhalieren», sagen die Eltern. 30 Minuten am Morgen, 30 Minuten am Abend. «Als Kind weiss man ja noch nicht, wie viele Tage noch kommen», sagt Büsser.
Wie haben Ihre Eltern Ihnen die Krankheit erklärt?
Relativ angstfrei, dass ich «bsundrig» bin. Meine Kindheit war fast unbeschwert. Ich musste zwar täglich inhalieren, und auch Essen gabs nie ohne Tabletten – aber für meine Eltern wars «en Chrampf». Sie wussten, wie schlimm CF sein kann. Meine Geburtstage waren für sie ambivalent: Schön, unser Sohn ist ein Jahr älter – Scheisse, wieder ein Jahr weniger. Diese Angst ist jetzt kleiner. Sie wissen nun, dass ihr Erbe in gute Hände kommt. (Lacht.)
Empfanden Sie die Krankheit als unfair?
Als Kind sehr oft. Vor allem in der Pubertät. Ich war in der körperlichen Entwicklung «hinedri». Die anderen Buben lernten die ersten Meitli kennen – und ich war der Lauch, der keine abbekam.
Ohne Krankheit … …
wäre ich heute ein Hermès-Model, das ist klar! (Lacht.) Es war wirklich schwierig. Wieso ich? Dabei fand ich diese Frage schon als Kind blöd. Heute weiss ich – und ich will nicht gerade Motivationscoach-mässig von einer Superkraft sprechen –, dass die Krankheit mich in meiner persönlichen Entwicklung positiv geprägt hat.
Erst im Alter von zwölf Jahren erfährt Stefan Büsser von seiner geringeren Lebensperspektive – da weilt er mit älteren Kindern im CF-Lager in Crans-Montana. «Damals lag die Lebenserwartung bei 30. Ich fand das uralt.» Kurz vor seinem 30. Geburtstag muss er tatsächlich in den Notfall, kriegt keine Luft, hustet Blut. Zwei Wochen stationäre Behandlung, permanent unter Antibiotika. «Das war ein Schock. Davor gings mir verhältnismässig gut.»
Stefan Büsser gibt seit je eher Gas. Schon im Alter von neun Jahren führt er in der Stube Stand-up-Jokes von Peach Weber vor. Mit 16 Jahren gründet er mit einem Kollegen ein Internetradio. Später absolviert er eine KV-Lehre im Medienhaus Ringier, taucht ein in den Journalismus. «Ich wusste relativ früh: Das ist meine Leidenschaft. Wenn du das auch beruflich umsetzen kannst, umso schöner.» Heute ist er als Moderator, Komiker und mit dem Podcast «Comedymänner» erfolgreich. «Ein Teil seines Erfolgs beruht wohl auf seiner ehemals geringen Lebenserwartung», sagt Kollege Michael Schweizer. «Seit ich ihn kenne, ist er stets unter Strom, ob bewusst oder unbewusst.»
Hat die Krankheit Einfluss darauf, wie Sie bisher Ihr Leben lebten?
Ja, sicher. Ich musste mich früh mit der Endlichkeit auseinandersetzen. Das hat mir Antrieb gegeben, auch etwas Gescheites anzustellen mit der Zeit, die mir bleibt. Von Anfang an wollte ich sehr viel erreichen – nicht wegen Geld, sondern weil ich Spass habe. Eine Aufgabe zu haben, tut mir psychisch und physisch gut. Habe ich zu viel Zeit zum Nachdenken, gehts mir schlechter.
Verdrängen Sie Ihre Krankheit?
Das ist die grosse Frage. Privat brauche ich das Thema nicht zu oft. Deshalb sprach ich auch lange nicht mehr medial darüber, ausser während Corona. Die Krankheit ist ein Teil von mir, aber längst nicht alles.
Wieso sprechen Sie jetzt darüber?
Es ist wichtig, dass die Menschen wissen, dass es mit diesem Medikament vorwärtsgeht, dass mit der Forschung auch Fortschritte passieren. Für solche Dinge halte ich gern meinen Kopf hin.
Das Lungenvolumen von Stefan Büsser hat sich von 30 Prozent auf 40 erhöht – und mittlerweile stabilisiert. Ging er früher eineinhalb Kilometer joggen, damit er allen Schleim raushusten kann, ist dies heute nicht mehr notwendig. Sein «Schnuf» reicht heute für fünf Kilometer. «Und ich mag besser essen, habe fast zehn Kilo zugenommen. Meine Eltern haben mich zuvor nie mit einem Bauch gesehen.»
Die Wahrscheinlichkeit, dass er die nächsten fünf Jahren überlebt, lagen zuletzt bei 75 Prozent. «Und es sieht ganz danach aus, dass dies weiterhin so bleibt.» Seit das neue Medikament auf dem Markt ist, werden auch keine Lebenserwartungen mehr kommuniziert, sagt Büsser. Denn nicht nur er konnte von diesem Fortschritt profitieren, sondern gemäss des Vereins Cystische Fibrose Schweiz erleben etwa 80 Prozent der Betroffenen einen grossen Durchbruch in der Behandlung der Krankheit.
Was haben Sie nun mit Ihrem wohl langen Leben vor?
Ich weiss nicht wirklich, ob ich alt werde. Aber ich habe nun tatsächlich eine Säule 3a – für mich ein symbolischer Akt: Jetzt kann ich ein neues Leben anfangen!
Führen Sie eine Bucketlist?
Ich bin noch schlecht vorbereitet und finde mich erst zurecht. Ein Jahr oder zwei auf Reisen gehen, das reizt mich. Und die Vorstellung, einmal den Lebensabend zu geniessen, ist schön. Im Schaukelstuhl auf dem Balkon sitzen und Leute, die falsch parkieren, aufschreiben – das hört sich nach einem Job für mich an.