An einem lauschigen Platz am Ufer der Aare in Büren BE steht das Samuel-Schmid-Bänkli. «Eine schöne Geste des Samstagsclubs meiner Wohngemeinde», sagt der alt Bundesrat, 74, und nimmt Platz. Nicht nur die Amtszeit des Magistraten – 2001 bis 2008 – ist im Eichenholz verewigt, sondern auch seine zwei Hunde: die Schäferhündin Burga und die Dogge Lara. «Selbst nach 20 Jahren fragen mich Journalisten nach meinen Hunden!» Er antworte jeweils, sie seien gut versorgt. «Das ist nicht gelogen. Im Himmel gehts ihnen bestens», sagt Schmid und lacht.
Der Zürcher Komiker Beat Schlatter lobt Ihren Humor – Sie waren gar Gast auf seiner Lesetour! Wie kams?
Wir sassen 2005 an einem Anlass am selben Tisch und hatten es schnell lustig. Er ist spontan, unkompliziert und nimmt Leute gerne hoch – ich auch. Er war überrascht, weil er das von mir nicht erwartete.
Warum nicht?
Das ist wie mit den Hunden. Die Medien kreieren ein Bild – bei mir war das jenes des etwas trockenen Magistraten.
Wie erklären Sie sich das?
Ich beobachte, bevor ich einen Spruch mache – darum wirke ich wohl anfangs etwas verhalten. Schon vor der Bundesratswahl hiess es: Der Schmid lacht nie. Dabei verstand ich einfach nicht, warum ich auf allen Fotos lachen soll, wenn ich ein Buch lese oder auf eine Leiter steige. Vom Moment an, als ich die Hunde mit aufs Foto nahm, sagte niemand mehr: Herr Schmid, Sie müssen lachen! Sondern nur noch: Herr Schmid, Sie haben schöne Hunde.
Braucht es in der Politik besonders viel Humor?
Es braucht generell Humor, um das Leben zu ertragen. Ein Mensch, der Humor hat, kann heiter und gelassen jegliche Unzulänglichkeit hinnehmen. Als Politiker hiess das, nicht alles wörtlich zu nehmen. Es wird ja häufig auf den Mann oder die Frau geschossen.
Auf Sie besonders? Sie wurden als halber SVP-Bundesrat verunglimpft.
Das ist ja nicht a priori falsch. Jeder Bundesrat sollte eine gewisse Distanz zu seiner Partei haben. Das ist ja heute auch so, nur haben sie es mir aus Prinzip nie verziehen. Wenn es in Bundesbern hektisch zu- und herging, legte ich mich abends zu Hause auf die Wiese und schaute das Firmament an. Da war dann plötzlich alles unwichtig und klein. Für die Familie war es schwieriger.
Mit wem waren Sie im Bundesrat beim Humor auf einer Wellenlänge?
Gut hatte ich es mit den Büronachbarn. Im Bundeshaus Ost teilte ich den Balkon zuerst mit Joseph Deiss, dann mit Pascal Couchepin. Wir kauften für uns ein Gartentischchen und zwei Stühle und trafen uns zum Schwatz oder zum Sprüchemachen. Das konnte man mit Couchepin, Deiss und deren Nachfolgerin Doris Leuthard sehr gut.
Ein Beispiel?
Als ich eine Zigarre auf dem Balkon paffte, kam Leuthard, und ich zündelte: «Du kommst doch aus einem Tabakkanton, du könntest mitrauchen!» Sie sagte sofort: «Klar, gib mir eine!» Raucher wurden wir beide aber nie.
«Mein Studentenname war Lätsch»
Samuel Schmid, alt Bundesrat
An was für lustige Momente können Sie sich sonst erinnern?
Zur Politik gehört ja eine gewisse Eitelkeit. Jedenfalls waren wir auf einer Bundesratsreise und trafen auf einer Wiese zwei adrett gekleidete extravagante Damen mit einem Fototeam. Sofort haben sich einige Repräsentanten und Repräsentantinnen für ein gemeinsames Foto ablichten lassen. Dann wurde klar: Die Damen waren Pornoqueens.
Und wer war auf den Fotos?
Das verrate ich nicht. Die Bilder wurden nie veröffentlicht.
Der Bündnerfleisch-Lachanfall von alt Bundesrat Hans-Rudolf Merz ist legendär. Welche Kommissionsgeschäfte brachten Sie zum Lachen?
In der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats hat man oft mehr über Skandalgschichtli aus der Sonntagspresse geredet als über wirklich wichtige Themen. Nicht die Veränderung der europäischen Sicherheitsarchitektur interessierte, sondern die Soldaten, die beim Einrücken am ersten Abend nicht alle einen Winterpullover hatten. Ein Mitarbeiter stellte mir mal eine wunderbare Flasche Whiskey auf den Tisch mit der Notiz: «Was Sie sich gefallen lassen müssen, geht über die Hutschnur. Bitte trinken Sie nach der Sitzung einen tüchtigen Schluck.»
Und, haben Sie?
Ja klar. Ich hab die Flasche aber noch.
Sie wurden oft parodiert. Etwa von Walter Andreas Müller in «Classe Politique» auf SRF. Störte Sie das?
Nein, Politiker sollte es mehr stören, wenn niemand über sie spricht. Parodien machen menschlicher. Politik zu parodieren, ist aber nicht so einfach.
Wieso?
Weil die Leute nicht im Detail informiert sind. So ist es vor allem witzig für alle, die auch nicht exakt im Bild sind. Für Beteiligte ist es nur teilweise so: Hätten sie alles gewusst, wäre es noch lustiger.
War es Ihnen also zu harmlos?
Ja, manche Parodien hätten mehr Biss vertragen. Aber ich mache niemandem einen Vorwurf.
Und bei Karikaturen über Sie – hätten die auch böser sein können?
Nein, die waren oft gut. Die Romands etwas frecher als die Deutschschweizer.
Sie wurden meist als Papa-Moll-Figur mit Schnauz und nach unten gezogenen Mundecken gezeichnet.
Ja, ja, mein Studentenname war bereits «Lätsch» – mein Vater ist während meiner Pubertät verstorben, und so war ich früher oft ernst. Den Schnauz habe mir erst nach 40 wachsen lassen, auf Wunsch meines Sohnes.
Moritz Leuenberger hat den Schnauz im Amt abgeschnitten.
Ja, weil er einseitig ergraute! Ich war mal kurz davor: Als ich 2006 eine Ausstellung mit Karikaturen über mich besuchte, überlegte ich mir, als Jux den Schnauz zu rasieren, liess es aber sein.
«Der Berner Humor ist für viele Zürcher zu schnell»
Samuel Schmid, alt Bundesrat
Über wen können Sie lachen?
Kinder. Nicht boshaft natürlich! Meine vier Enkel machen mir grosse Freude. Zwei Beispiele: Ich erhielt eine Einladung von einer Rekrutin zum Be- such ihrer Einheit. Im Couvert war zudem eine Militärschokolade. Ich bat die zweieinhalbjährige Enkelin Lisa, das Couvert dem Grosi zu bringen. Sie streckte die Einladung meiner Frau hin – die Schoggi versteckte sie hinter ihrem Rücken und ass sie dann hinter dem Vorhang. Enkel Fabian gab ich im Fragealter den Rat, seinen Vater zu fragen, was das kopernikanische Weltbild sei. Doch er meinte: «Das ist nicht Berndeutsch, das muss ich nicht wissen!»
Welche Komiker finden Sie lustig?
Da gibts einige. Emil schätze ich. Er beobachtet die Leute fein und parodiert, ohne zu verletzen. Und er flucht nie. Ich habe ihn übrigens mal eingesperrt!
Wie bitte?
An seinem 60. Geburtstag gestand er mir im Theater Luzern, dass er als Oberleutnant ein Dienstversäumnis hatte. Deshalb sperrte ich ihn bei einer anderen Gelegenheit zehn Minuten ein. Wo, sag ich nicht (lacht).
Was macht den Berner Humor aus?
Dass er für viele Zürcher zu schnell ist. Nein, Quatsch! Andere sind eventuell spontaner und schlagfertiger. Ein Berner überlegt länger. Und ist dann in der Antwort vielleicht etwas träfer.
Bü-Bu-Bunderfleisch!
Unvergessen bleibt der Lachanfall von alt Bundesrat Hans-Rudolf Merz im Herbst 2010. In der Fragestunde im Nationalrat muss der Appenzeller eine im schlimmsten Beamtendeutsch verfasste Stellungnahme zum Verzollen von gepfeffertem Fleisch vorlesen. Als es endlich konkret wird, prustet er: «Zum Beispiel Bü-Bü-Bündnerfleisch!» Das Youtube-Video hat heute über 2,5 Millionen Klicks.
Rire, c'est bon pour la santé
Unfreiwillig komisch ist der Auftritt von alt Bundesrat Johann Schneider-Ammann zum Tag der Kranken im März 2016. Mit todernster Miene sagt der FDP-Bundespräsident auf Französisch «Rire c’est bon pour la santé» – Lachen ist gut für die Gesundheit. Der hölzerne Auftritt macht danach gar in US-Talkshows die Runde. Er selbst sagt dazu: «Immerhin hat die Welt gesehen, dass ich es ernst meine.»