Zu sehr aufs Deutschschweizer Publikum ausgelegt, beschwerte sich Rico Valär, Professor für Rätoromanische Literatur und Kultur der Universität Zürich nach Veröffentlichung der RTR-Serie «L'ultim Rumantsch». Der Grund seiner Kritik: In der Serie spricht man einen Mix aus rätoromanisch und Schweizerdeutsch, wechselt zwischen den Sprachen immer wieder hin und her. Daher sei die Serie nicht auf den romanischen Teil Graubündens gemacht, sondern orientiere sich am Publikum aus der Deutschschweiz.
Der Sprachenmix ist gut und richtig
RTR-Chefredaktor Flavio Bundi widerspricht Valär in dieser Angelegenheit und betont, dass eben jener Sprachenmix der Realität heutzutage entspreche. Aber wie sieht die Wirklichkeit im rätoromanischen Teil der Schweiz heute tatsächlich aus? Die ehemalige Biathletin Selina Gasparin (39) weiss es, denn schliesslich wuchs sie im Oberengadin auf. Den Sprachenmix in der Serie findet die 39-Jährige nicht nur realistisch, sondern auch gut, wie sie der Schweizer Illustrierten sagt. «Durch die Zweisprachigkeit können mehr Leute die Serie gucken. Wer ausser der Romanen würde sonst nur romanisch schauen?»
Im Alltag sei es üblich, einen Mix zu sprechen, sagt Gasparin, denn alle, die rätoromanisch sprächen, könnten auch deutsch, jedoch nicht umgekehrt. Daher spreche man, gerade wo sie herkomme, auf der Strasse deutsch. «Wir sind eine Minderheit», gibt Selina Gasparin zu. Für sie gebe es die «Kernromanen», welche die Sprache am Leben erhalten würden, etwa «die Frau im Lebensmittelgeschäft, der Pöstler oder die Lehrer.» Die wenigen Kinder, welche rätoromanisch als Muttersprache sprächen, würden in den Schulen das Niveau heben, wovon alle anderen profitieren.
Sie selbst erinnert sich noch gut daran, wie sie zum rätoromanisch kam: «Mein Nachbar war Muttersprachler, meine Muttersprache war italienisch. Da wir beide schlechter deutsch sprachen, klappte es bei der Kommunikation mit dem Romanischen ganz gut – ich lernte es bereits vor dem Kindergarten von ihm. In der Klasse zogen wir dann alle anderen Kinder mit und innerhalb von zwei Jahren Kindergarten sprachen alle Kinder problemlos romanisch.» Kinder würden eine Sprache nämlich intuitiv lernen und nicht alles übersetzen, daher falle ihnen der Umgang mit einer neuen Sprache leichter.
Der Rückgang der Sprache
Selina Gasparin sieht, dass es immer weniger «Kernromanen» gibt, die das Niveau entsprechend hoch halten. Dazu käme das Problem der verschiedenen Idiome, «an die man sich stark gewöhnen muss, ansonsten versteht man sie kaum», so die ehemalige Biathletin. Sie vergleicht es mit dem Wallis, wo die Einwohner meist bekannt dafür sind, dass sie etwas schlechter zu verstehen sind, als Personen aus anderen Regionen der Schweiz: «Das ist etwa so wie wenn man einem waschechten Walliser begegnet und erstmal wenig versteht.»
Hinzu komme die magere Auswahl an rätoromanisch-sprachiger Unterhaltung wie Filme oder Bücher, wodurch es ebenfalls schwer fällt, die Sprache vernünftig am Leben zu erhalten. «Ich hoffe, dass wir noch nicht aussterben», sagt Selina Gasparin über die Rätoromanen.
Fan von Mehrsprachigkeit
Sie selbst gibt zu, ein Fan von Mehrsprachigkeit zu sein. «Ich finde, es ist ein grosser Vorteil, wenn man mehrsprachig aufwächst», sagt sie. Das gibt sie auch an ihre Töchter weiter. Überhaupt wird in Gasparins Familie mit sehr vielen Sprachen jongliert. «Meine Tochter und ich sprechen insgesamt acht verschiedene Sprachen. Miteinander sprechen wir aber nur Deutsch – und gelegentlich romanisch», verrät sie. Selina ist mit italienisch, deutsch und rätoromanisch, genauer gesagt Puter, aufgewachsen, später kamen noch englisch und norwegisch dazu. Ihre Kinder sprechen bisher deutsch, russisch und ungarisch – Selina Gasparins Ehemann und der Vater ihrer Mädchen ist der gebürtige russische Ex-Skilangläufer Ilja Grigorjewitsch Tschernoussow, die langjährige Nanny der Familie kommt aus Ungarn, erzählt sie bereits im vergangenen Sommer der Schweizer Illustrierten – sowie einen weiteren rätoromanischen Dialekt, Surmiran.
Kein Wunder also, dass sie sich für Mehrsprachigkeit ausspricht – sie ist sozusagen das Paradebeispiel dafür. Ihr Alltag besteht aus einem Mix mehrerer Sprachen – und das findet sie gut so. Und bei all den Sprachen legt sie nach wie vor grossen Wert darauf, auch das Rätoromanische weiterzugeben.