Kaum rieselt leise der Schnee, ist Antonio Spitaleri (49) elektrisiert und wird hibbelig. Dann hält den Glarner mit süditalienischen Wurzeln nichts mehr in der warmen Stube daheim in Luchsingen GL. Von hier aus hat er zwar ganzjährig den stets schneebedeckten Tödi vor Augen, den höchsten Gipfel der Glarner Alpen (3614 m ü. M.). Aber wenns frisch schneit und sich der Neuschnee vor der Haustür auftürmt, ist «SchneeToni» in seinem Element.
Den Spitznamen verpasste sich Antonio Spitaleri selbst; inzwischen ist er damit über die Grenzen der Schweiz hinaus bekannt und berühmt. Seit 2019 macht sich der Influencer auf Social-Media-Plattformen wie Facebook, Instagram, Youtube und Co. einen Namen – als «reichweitenstärkster Schnee- und Strasseninfluencer der Schweiz».
Allein in den letzten 28 Tagen, so zeigt er stolz auf dem Smartphone, wurden seine Fotos und Videos über neun Millionen Mal angeklickt. Zu Spitzenzeiten zählt «SchneeToni» schon mal bis zu 22 Millionen Aufrufe, wobei in erster Linie Action gefragt sei. Mit «Action» meint er vor allem Videos von fahrenden Schneepflügen, Räumarbeiten auf Pässen oder in Tunnelportalen.
Fussball, Polizei – und heute Schnee
Mit seiner Leidenschaft für Pulverschnee und Winterkälte steht der Sohn italienischer Einwanderer in der Familie allerdings allein da. Antonios Mutter stammt aus der Nähe von Neapel, sein Vater kommt aus Sizilien. Er hat noch einen jüngeren Bruder, «aber sie alle lieben die Wärme». Einzig Antonio ist «von klein auf vom Schnee fasziniert». Als Dreijähriger drückte er sich nachts an der Fensterscheibe der elterlichen Wohnung die Nase platt, wenn draussen erste Flocken fielen. Als Dreikäsehoch stieg er in Schwanden oft in den Bus nach Elm, nur um sich dort die links und rechts der Strasse auftürmenden Schneeberge anzugucken, danach kehrte er jeweils glücklich heim. «Alle Buschauffeure kannten mich.»
Obwohl Antonio Spitaleri «in einem sehr strengen Elternhaus» aufgewachsen sei, brach er das Gymi ein Jahr vor der Matura ab. «Ich war immer ein kleiner Rebell.» Er jobbte im Strassenbau und stand – wie früher bereits sein Vater – am Fliessband der ehemaligen Therma Haushalt AG und späteren Firma Electrolux. «Ich verdiente da zwar gutes Geld, aber glücklich gemacht hat mich nichts von dem.»
Über Umwege landete Spitaleri im Journalismus, arbeitete für ein Onlineportal in der Ostschweiz und gründete schliesslich mit 4-4-2.ch ein Fussball-Onlineportal. Er selbst ist glühender Anhänger von Juventus Turin. Die Plattform verkaufte er, baute dann polizeiticker.ch auf, ein Internetportal mit Unfall- und Polizeimeldungen sowie Stauwarnungen aus den Kantonen.
Das Frühjahr wird noch hektisch
Die Geburtsstunde für «SchneeToni» schlug, als Spitaleri eines Abends heim ins Glarnerland fuhr. «Es schneite heftig, ich streamte das Spektakel live auf Facebook, und plötzlich explodierten die Zuschauerzahlen.» Er filmt ein zweites Video, bei dem er sich in seinem Alfa Romeo den verschneiten Tannenberg bei Schwanden raufkämpft. Drei Millionen schauen ihm dabei zu. «In dem Moment wusste ich, das mit dem ‹SchneeToni› funktioniert.» Zwar kann er noch nicht ganz davon leben. «Aber es geht aufwärts.»
Wenn das Frühjahr naht, wirds für den Glarner jeweils noch mal hektisch. Dann filmt er, wie Passstrassen und Tunnelportale von Eis und Schnee befreit werden. «Es gibt Strassenbauämter, die rufen mich sogar an, damit ich spektakuläre Momente einfangen kann.» Angst, keine guten Bilder zu bekommen, plagt «SchneeToni» nicht. Nur der Klimawandel setzt ihm zu – und der ist kein Schnee von gestern.