Der Tod von George Floyd erschüttert die Welt. Der dunkelhäutige US-Amerikaner, †46, kam Ende Mai auf offener Strasse durch Polizeigewalt ums Leben.
Sein qualvoller Tod hat in den USA heftige Proteste ausgelöst – und weltweite Diskussionen darüber, mit welchen Vorurteilen und Diskriminierungen sich Dunkelhäutige 2020 konfrontiert sehen.
Es sind zahlreiche, erklärt Komiker Kiko, 34, im Interview mit schweizer-illustrierte.ch. «Ich spüre jeden Tag Rassismus», sagt er offen. Er habe schon viel erlebt, «es gibt hunderte Anekdoten».
1991, im Alter von fünf Jahren, zieht Frank Hernandez Cabrera, wie Kiko bürgerlich heisst, mit seiner Familie in den Thurgau. In Hefenhofen, damals «ungefähr ein 700-Seelen-Dorf», findet der gebürtige Dominikaner ein neues Zuhause.
Auch wenn er die Züglete als Kulturschock bezeichnet: Dass er eine andere Hautfarbe hat als die Kinder um ihn herum, kriegt Kiko als Kleinkind nicht zu spüren. «Rassismus hat es unter den Kindern nie gegeben. Wir waren nie anders als die anderen.» Er ist sich sicher: «Menschen werden nicht als Rassisten geboren. Sie kriegen Rassismus von zuhause mit oder über die Medien.»
Mit zunehmendem Alter häufen sich die Situationen, in denen Kiko mit Rassismus konfrontiert wird. Als einschneidendes Erlebnis bezeichnet er den Besuch der Polizei in der ersten Primarschule. «Der Polizist hat mich direkt geschnappt und mich gefragt, weshalb ich die Blumentöpfe vor der Schule kaputtgemacht hätte», erinnert er sich. «Ich hatte keine Ahnung, um was es geht. Ich war erst einige Wochen in der Schweiz, konnte nicht mal richtig Deutsch.» Zur traurigen Bilanz gesellen sich viele weitere Beispiele. Sein Bruder etwa, der als 14-Jähriger verprügelt wurde. Oder der Zugwaggon, in dem Kiko mit seinen zwei Geschwistern und der Mutter sass, der von Rassisten mit Pfefferspray eingedeckt wurde.
Und fast immer sind Vorurteile schuld. «Weil sie es nicht besser wissen. Weil sie jeden Tag Zeitung lesen, von Terror lesen, von Flüchtlingsströmen, und darum Angst kriegen.» Er verstehe sie sogar ein Stück weit. «Alle haben Angst vor dem Unbekannten.»
Wichtig sei, den Leuten die Angst zu nehmen. Nicht mit Demonstrationen und Chaos, sondern mit Liebe. «So kitschig es tönt», sagt Kiko. «Wenn ich draussen bin, setze ich mich jeden Tag für Schwarze ein, indem ich im Zug helfe, Kinderwagen rauszutragen, oder älteren Damen helfe, über die Strasse zu gehen. Die sind manchmal wirklich überrascht.»
Mit Positivem erreiche man mehr – mehr als die Demonstrationen, die in den USA zu chaotischen Zuständen führen. Mehr als Solidaritätsbekundungen, die auf Instagram die Runde machen. Unter dem Hashtag #blackouttuesday haben Millionen von Usern einen schwarzen Hintergrund gepostet, um auf die Ungleichheit, das Privileg der Weissen, aufmerksam zu machen.
Kiko hat sich bewusst dagegen entschieden. «Das Problem ist ein grundlegendes, das es schon seit eh und je gibt», erklärt er. «Es ist ein eingesessenes Problem im System. Es müssen sich grundlegende Dinge ändern. Dazu reicht keine Bewegung auf Instagram. Es braucht Aufklärungsarbeit, auch wenn sie nicht einfach ist.»
Wichtig sei, zu differenzieren. «Das Grosi eines Kollegen hat mir mal gesagt: ‹Du bist aber ein herziges Negerbüebli›», erzählt Kiko. «Sie hatte zuvor noch nie einen Schwarzen gesehen. Das ist für mich kein Rassismus. Weil ja, ich bin ein Mensch, ich bin schwarz. Ich darf nicht überempfindlich sein.»
Es komme halt drauf an, wie man etwas sagt. «Kürzlich war ich mit meinem Kollegen Gabirano beim Einkaufen. Es waren viele Leute da, dann bin ich an einem Typen vorbeigegangen, der bei einem Regal stand. Vor mir waren zwei, drei andere an ihm vorbei. Erst bei mir aber sagte er: ‹Gaht’s no?›. Weil ich schwarz bin.»
Leuten wie ihm will Kiko mit Respekt und Humor begegnen. Ihnen aufzeigen, was sie gesagt haben. «Vielleicht nützt das was. Ich bleibe cool und versuche, positiv zu sein, damit sie sich schlecht fühlen», erklärt Kiko. «Wenn mir etwa jemand sagt: ‹Geh zurück nach Afrika›, erwidere ich, dass ich aus der Karibik bin und Afrika näher an der Schweiz ist als an der Dominikanischen Republik.»
Kiko ist sich bewusst, dass die laufende Debatte keine sofortige Änderung herbeiführen wird. «Es wird Jahre brauchen», sagt er. Dennoch ist ihm wichtig, die Gesellschaft aufzuklären. «Das, was abgeht, ist nicht verhältnismässig», begründet er. «Wir leben im 2020. Wir müssen Offenheit zeigen.»