Atemlos kommt Sven Schelker, 29, am Hamburger Thalia Theater an. Bis Ende November ist er hier noch im Stück «Der Boxer» zu sehen, zudem in der «Dreigroschenoper» und in «Orpheus». «Sorry, ich musste laufen, mein Velo wurde mal wieder geklaut – bereits das vierte», meint er entschuldigend. Und nippt an seinem Kaffee.
Sven Schelker, Sie trinken Kaffee aus einem Wegwerfbecher?
Wenns eilt, schleichen sich leider schlechte Alltagsgewohnheiten wieder ein. Wir wissen ja eigentlich alle, welche Auswirkungen unser Konsumverhalten hat, aber wir verdrängen es oft. Beim Dreh von «Bruno Manser – Die Stimme des Regenwaldes» die Zerstörung der Wälder so hautnah zu erleben, ist mir aber massiv eingefahren.
Wie «grün» leben Sie denn persönlich?
Ich verzichte wenn immer möglich aufs Fliegen und besitze kein Auto. Zudem versuche ich, meinen Fleischverzehr einzuschränken.
In Ihrer Wahlheimat Hamburg können Sie ja aufs «Nationalgericht» Fischbrötchen ausweichen.
Stimmt – auch wenn man die irgendwann gesehen hat (lacht). Ich bin in dieser Stadt älter und reifer geworden. Das verbindet mich mit ihr. Ausserdem liebe ich den Hafen. Er ist das Tor zur Welt.
So setzen sich Schweizer Promis für die Umwelt ein
Vermissen Sie Basel, wo Sie aufgewachsen sind?
Immer wieder. Manchmal fehlt mir die Behäbigkeit. Hier ist alles hektischer und anonymer – das empfinde ich aber zuweilen auch als befreiend. Ich bin öfter in Basel, um meine Familie zu besuchen. Und sie kommt zu jeder meiner Premieren.
Ihr Vater ist Umweltingenieur …
… und als solcher natürlich begeistert davon, dass ich im Film Bruno Manser spiele. Er hat mich gut drei Wochen lang am Set auf Borneo besucht. Ein grossartiges Erlebnis für uns beide.
Sie haben vier Monate lang im Dschungel gedreht.
Das mit Abstand Intensivste, was ich je gemacht habe. Dieses gigantische Erlebnis zu verarbeiten, dauerte eine Weile.
Was war die grösste Herausforderung für Sie?
Die Sprache. Ein grosser Teil des Skripts war in der Sprache des indigenen Penan-Volkes, unter dem auch die entsprechenden Darsteller gecastet wurden. Nick Kelesau, der eine der Hauptrollen spielt, las mir das Skript vor, sodass ich die Betonung lernte, dann büffelte ich ganz klassisch mit Lernkärtli.
Dazu kamen die Temperaturen und die Luftfeuchtigkeit.
Anfangs ging mir zwar nach zehn Minuten die Puste aus, aber ich gewöhnte mich schnell daran. Was ich vom Essen nicht behaupten kann. Es gab Reis, Reis und noch mal Reis. Ich habe nachts von Laugengipfeli und Orangensaft geträumt!
Wie war Ihre erste Begegnung mit den Penan?
Sehr aufregend. Die älteren haben Bruno Manser persönlich gekannt, die jüngeren verehren die Legende. Das hat mich sehr demütig gemacht.
Sie haben auch Bruno Mansers Familie kennengelernt.
Ich hatte einen sehr schönen und herzlichen Austausch mit ihr, vor allem mit seiner Schwester. Mir war wichtig, dass sie wusste, dass meine Rolle eine Interpretation und keine Kopie ist.
Was haben Sie für ein Verhältnis zu Ihrer Filmfigur?
Ich bewundere Bruno Manser für seinen Mut und dafür, wie uneingeschränkt er sich für andere eingesetzt hat. Das ist natürlich auch sehr einfach zu romantisieren.
Sie haben für die Rolle gut sieben Kilo abgenommen. Für Ihren Film «Goliath» pumpten Sie sich mal neun Kilo Muskelmasse an. In welchem Körper haben Sie sich wohler gefühlt?
Definitiv als Bruno Manser. Ich bin voll nicht der Muskelprotz!
Zunehmen, abnehmen, Frauenkleider tragen wie in «Der Kreis» – wo ist Ihre berufliche Schmerzgrenze?
Schwer zu sagen. Ich habe immer gesagt, ich würde nie nackt auf der Bühne stehen, aber das habe ich inzwischen auch schon getan. Momentan habe ich nicht vor, mich vor einer Kamera auszuziehen. Aber dort, wo die eigene Schmerzgrenze liegt, wird es ja oft erst richtig interessant.
Sie werden im Dezember dreissig. Ein Thema?
Gar nicht. Vielleicht werden ja jetzt auch meine Rollen ein bisschen «älter», das fände ich toll.
Und privat? Heiraten, Kinder?
Ich kann mir schon vorstellen, irgendwann eine Familie zu haben, aber es eilt nicht. Ich muss es niemandem recht machen. Ich fände es aber auch toll, mal einfach meine Sachen zu packen und länger auf Reisen zu gehen.
Wie Bruno Manser. Was erhoffen Sie sich von dem Film?
Im besten Fall, dass wir die Ignoranz gegenüber den Folgen unseres Konsumverhaltens hinterfragen. Ich wünsche mir, dass Bruno Manser und seine Anliegen nie vergessen gehen. Die Einstellung «Nach mir die Sintflut» können wir uns schon lange nicht mehr leisten.
Bruno Manser gilt als verschollen. Was, glauben Sie, ist mit ihm passiert?
Ich habe meine Meinung über die Art und Weise von Mansers Verschwinden in den letzten Jahren aufgrund mir neuer Informationen immer wieder gewechselt, sodass ich mit gutem Gewissen sagen kann: Ich habe keine Ahnung!