Wie sind Sie auf Mozart als Protagonisten Ihres neusten Buchs gekommen?
Nach wie vor recherchiere ich für meine Bücher, und dabei wurde ich durch neue Einsichten in Mozarts Leben beflügelt. In einigen Biografien wird er als leichtsinnig dargestellt, aber damit tut man ihm Unrecht.
Inwiefern?
Er sucht nach Vertiefung seiner Gedanken, besucht in Wien Vorträge der Freimaurer. Ende des 18. Jahrhunderts hängen die Kirchen an alten Gedanken, während aus Frankreich die Idee der «Egalité» kommt, Kritik an der alten Gesellschaftsordnung, die nur den Geldadel in die Politik zulässt, während der gewöhnliche Bürger verachtet wird. Mozart will für eine neue Oper ein Libretto finden, mit diesem Thema, das den Nerv der Zeit trifft. Doch seine ärgsten Rivalen Antonio Salieri und Vincenzo Righini verleumden ihn und versuchen, ihn um den Erfolg zu bringen.
Schreibt es sich im Alter leichter?
Ich schreibe einfach mit Freude, das ist heute so und war in jungen Jahren so.
Und was bedeutet Ihnen das Schreiben grundsätzlich?
Mein ganzes Leben hatte ich Wörter um mich herum. Und dieser Wald aus Wörtern liess und lässt mich atmen.
Was wären Sie als Kind gern geworden?
Als Zehnjährige fragten mich meine Tanten, was ich werden wolle, und lachten, als ich antwortete: «Naturforscherin, weil ich im Urwald Tiere und Pflanzen entdecken möchte.» Sie lachten erneut, als ich ihnen mit 17 sagte, dass ich Schriftstellerin werden will. Jahre später lachten sie dann nicht mehr, als sie mitbekamen, dass ich aus dem Gehölz der Vergangenheit Menschen ans Licht zerrte, deren Leistungen oder deren Leben man verachtete. Dazu zählen Anna Göldin, die letzte Hexe, aber genauso Henry Dunant, der verarmte Rotkreuz-Gründer.
Wo möchten Sie leben?
Immer noch im Tessin, wo ich schon seit 30 Jahren zu Hause bin. Ich mag die kleinen Dörfer, den See und die Stimmung, die sich mit den Jahreszeiten, aber auch mit der Tageszeit ständig verändert.
Als Sie 16 waren: Wie hat Ihr Zimmer da ausgesehen?
An der Wand hing das Plakat einer Frau mit sensationellen Augen: Audrey Hepburn. Später kam ein Plakat dazu von ihrem Film «Frühstück bei Tiffany». Es folgten Zeitungsausschnitte von ihrer Heirat mit Mel Ferrer hoch überm Vierwaldstättersee. Dass sie der Schweiz treu blieb, gefiel mir.
Was verabscheuen Sie am meisten?
Lügen.
Welches Ereignis hat Ihr Leben verändert?
Der Tod meines Mannes Paul vor zwei Jahren, wir waren 63 Jahre verheiratet.
Wann haben Sie zuletzt geweint?
Als im Juli in meinem geliebten Bavonatal Menschen durch das verheerende Unwetter in Schlamm- und Geröllmassen ihr Leben verloren.
Wer sind Ihre Lieblingsheldinnen?
Frauen, die mutig zu sich selbst stehen und keine Angst haben vor dem Urteil der andern.
Was lernen Sie gerade, was Sie noch nicht so gut können?
Dinge nicht zu sagen, die es mich reizt, zu sagen.
Welches Kompliment haben Sie kürzlich erhalten?
Ich sei so fröhlich trotz meines hohen Alters und dem Tod meines Mannes.
Welche Eigenschaft hätten Sie lieber nicht?
Meine Genauigkeit – und zwar da, wo es gefährlich wird. Aber ohne diese Genauigkeit könnte ich gar nicht schreiben, wie ich schreibe.
Wären Sie lieber sympathischer oder intelligenter?
Ich glaube sympathischer.
Ihr Lieblingsessen?
Piccata alla Milanese oder Felchen aus dem Lago Maggiore – am besten in Ronco sopra Ascona im «Del Centro».
Wie viel sind Sie wert – in Franken?
Da muss ich gerade herzlich lachen.
Weshalb?
Weil ich da an mein neues Buch denke. In Deutschland kostet es 20 Euro – und gestern erzählte mir meine Schwester, dass sie es hier in der Schweiz für 29.90 Franken bekommen hat. Jetzt frage ich mich: Bin ich in der Schweiz mehr wert als in Deutschland?
Was machen Sie als Letztes, bevor Sie ins Bett gehen?
Noch ein bisschen in einem Buch lesen.
Welche drei Gegenstände kommen mit auf eine einsame Insel?
Ein Buch, ein Brief eines Menschen, den ich gernhabe – und Kleidung, um ein bisschen Sport treiben zu können.
Womit belohnen Sie sich selbst?
Mit einem schönen Spaziergang.