Sein Körper streikt. Er ist müde und ausgelaugt. Die Doppelbelastung mit Orientierungslauf auf Spitzenniveau und seinem Job als Ingenieur überfordert Florian Schneider. Dann ist da die wiederkehrende Verletzung am Knie, bei der weder Ärzte noch Therapeuten die genaue Ursache finden.
Da sind die Tränen, die ihn während des Trainings überkommen. Doch der 27-jährige Thuner ignoriert alle Warnsignale. Und erkrankt im Winter 2018/2019 an einer Depression.
Schneider trainiert weiter, will sich durchkämpfen. Weil er denkt, dass man das von ihm als Sportler erwartet. Und vor allem, weil er es von sich selber erwartet. «Ich war so hilflos, sah aber keinen Ausweg.»
Er funktionierte noch, fast wie fremdgesteuert. Gleichzeitig fragte sich der einstige Juniorenweltmeister: Wieso mache ich das alles? Wieso bin ich so durcheinander, so gestresst, so traurig? «Bei einem wunderschönen Sonnenuntergang über dem Thunersee verspürte ich zum Beispiel Null Freude und als ich den eigentlich fröhlichen Abba-Film sah, konnte ich nicht aufhören zu weinen.»
Erst nach einem Schockmoment ist für ihn klar: So kann es nicht weitergehen.«Ich stand in der Küche mit dem Messer in der Hand und überlegte, ob ich es mir ins Knie stechen soll. Oder, ob ich mir sogar noch Schlimmeres antun sollte, um den Schmerz in meinem Innern für mich selber und für alle anderen sichtbar zu machen.»
«Ich stand in der Küche mit dem Messer in der Hand und überlegte, ob ich es mir ins Knie stechen soll. »
In der Folge holt er sich professionelle Hilfe. Er wird er für vier Wochen krankgeschrieben. Und zwei Monate vergehen, in denen er gar nicht trainiert, endlich zur Ruhe kommt und viele Gespräche mit dem Therapeuten, der Partnerin und den Eltern führt. Und langsam realisiert, was mit ihm passiert ist.
Heute, eineinhalb Jahre später, geht es dem 27-Jährigen besser. Dank Therapie, Medikamenten und Strategien, wie er mit Stress besser umgehen kann. So hilft er etwa einmal pro Woche auf einem Bauernhof aus. Heuen, misten, Tiere pflegen – fernab von jeglichem Leistungsdruck.
Beim Verarbeiten geholfen hat ihm auch, Geschehenes aufzuschreiben. Daraus entstand ein neues Projekt: Über seine Zeit des stillen Leidens, seine dunkelsten Stunden, aber auch sein Weg zur Besserung hat Florian Schneider das Buch «Matt trotz Glanz» geschrieben.
Damit will er das Thema psychische Erkrankungen im Spitzensport enttabuisieren. «Damit sich andere mit denselben Problemen nicht so alleine fühlen wie ich damals.»
Auch im Sport hat Schneider neue Ziele: Er möchte wieder regelmässig an Weltcups starten und in die Top 5 laufen. Doch das Wichtigste: «Ich erlebe wieder Freude am OL und am Leben.»