Verwaltungsrat? Da tauchen vor dem inneren Auge Bilder von älteren Herren auf – Anzugträger, bei denen man nicht ganz sicher ist, was sie hinter verschlossenen Türen genau machen. Die Zürcher Unternehmerin Sunnie Groeneveld ist 35 Jahre alt. Sie hat eine eigene Beratungsfirma, leitet an der Hochschule für Wirtschaft Zürich einen Studiengang in Digital Leadership – und ist fünffache Verwaltungsrätin.
Sunnie Groeneveld, wie wird man eigentlich Verwaltungsrätin?
Bei mir war es so, dass ich von einer Headhunterin angefragt wurde. Die HHM Gruppe, eine Firma für Gebäudetechnik, suchte jemanden, der im digitalen Ökosystem verankert und vom Alter her nahe an den Mitarbeitenden ist. So kam ich in meinen ersten Verwaltungsrat.
Unterdessen sitzen Sie in fünf. Warum machen Sie das?
Ich will die Schweizer Wirtschaft von morgen mitgestalten und einen Beitrag dazu leisten, dass wir die digitale Transformation vor allem als Chance nutzen. Zudem finde ich es spannend, strategische Veränderungen in einer Firma voranzutreiben. Wie stellt man die Weichen? Welche Entscheide sind langfristig die richtigen?
Um welche Entscheide geht es da konkret?
Zum Beispiel, wenn eine Firma sich an die zunehmend digitale Welt anpassen will und erkennt, dass es dafür auch einen Kulturwandel braucht. Da kann ich mein Wissen und meine Erfahrung als Unternehmerin, Beraterin und Studiengangsleiterin einbringen.
Sind Sie bei diesen Sitzungen als junge Frau eine Ausnahme?
Ja, ich bin in der Minderheit. Das klassische Bild der alten, weissen Männergremien trifft vielerorts noch zu. Dabei ist es logisch, dass ein Verwaltungsrat divers sein sollte.
Warum?
Eine diverse Gruppe bringt verschiedene Perspektiven an den Tisch, was dazu führt, dass man als Gremium vielschichtigere Antworten auf die Herausforderungen unserer Zeit findet.
Der «Schillingreport» zeigt, dass die Anzahl Frauen in Schweizer Verwaltungsräten leicht zunimmt. Erleben Sie das auch so?
Ja, die Richtung stimmt, aber die Geschwindigkeit nicht. Die Studie stellt fest, dass Frauen bei den 100 grössten Schweizer Arbeitgebern 31 Prozent der Verwaltungsräte ausmachen. Das ist ein Anfang. Aber als Land, das seit 2007 mehr weibliche als männliche Universitätsabgänger hervorbringt, ist es doch eigentlich ein armseliges Ergebnis für die Schweizer Wirtschaft.
Wo liegt das Problem?
Ein signifikanter Anteil der VR-Positionen wird über die Netzwerke der bestehenden Mitglieder vergeben. Man fischt also zu oft im eigenen Teich.
Welche Vorteile bringen jüngere Verwaltungsräte?
Vorweg: Weder Alter noch Geschlecht allein machen einen guten Verwaltungsrat aus. Jede Person braucht auch die nötigen Kenntnisse und Qualitäten. Dennoch werden gemäss dem «Schillingreport» die Gremien immer älter. Das finde ich besorgniserregend, denn wer jung ist, hat tendenziell einen einfacheren Zugang zu neuen Technologien, und wer noch 50 Jahre auf diesem Planeten verbringt, achtet mehr auf Nachhaltigkeitsthemen.
Lernen Sie als junge Unternehmerin auch etwas von älteren Verwaltungsräten?
O ja, vieles. Sie verfügen in der Regel über ein grosses Branchenwissen und haben starke Netzwerke.
In einem Verwaltungsrat geht es um weitreichende Entscheide. Wie setzen Sie sich da durch?
In jeder Sitzung gilt es, kommunikativ stark und kompetent die eigenen Ideen auf den Punkt zu bringen. Dass man inhaltlich gut vorbereitet und ein solides Verständnis für die Firma hat, versteht sich von selbst.
Klar, aber welche Rolle spielen Machtverhältnisse, wenn Sie mit lauter älteren und erfahrenen Mitgliedern am Tisch sitzen?
Natürlich spielt es immer auch eine Rolle, wer der Absender einer Botschaft ist. Da kann es passieren, dass manche Mitglieder eher, manche weniger ernst genommen werden. Mir hilft es, daran zu denken, dass nicht alle die gleiche Perspektive haben wie ich – trotzdem versuche ich, sie ins Boot zu holen und von meinen Ideen zu überzeugen. So kann es vor der Sitzung Sinn machen, ein anderes Mitglied ins Vertrauen zu ziehen und zu fragen: Wie schätzt du das ein? Wie soll ich diese Botschaft rüberbringen? Auch der Small Talk vor und nach einer Sitzung ist wichtig, ebenso wie an Mitarbeiteranlässe zu gehen, damit man die Firma spürt.
Wer sollte sich überlegen, Verwaltungsrat zu werden?
Menschen, die gern Verantwortung für andere übernehmen, schliesslich haftet man persönlich für das Unternehmen! Strategisches Denken ist wichtig, man muss seine Stärken kennen und einen langen Atem haben. Wirken kann nur, wer sich jahrelang engagiert und dranbleibt.
Warum tun es Ihnen nicht mehr junge Frauen gleich?
Weil viele diesen Karriereweg in jungen Jahren gar nicht erst ins Auge fassen – auch wegen mangelnder Vorbilder.