Gross ist sie nicht, die Dreieinhalb-Zimmer-Genossenschaftswohnung von Luka Popadić (43) und seiner Freundin Kristina Eiviler (32) in Wipkingen ZH. Grossartig ist dafür die Aussicht auf die Stadt Zürich. Im Blick der monumentale Prime Tower, im Hintergrund der glitzernde See und die gepuderten Alpen. «Ich sitze oft auf unserem Balkon und beobachte die Vögel. Das beruhigt mich», erzählt der Regisseur.
«Aber als Ornithologe würde ich mich deshalb keineswegs bezeichnen.» Sagts und lacht. Überhaupt: Lachen ist eine auffällige Gemeinsamkeit von Luka und Kristina. Ständig schäkern und witzeln sie zusammen. Mal auf Englisch, mal auf Serbisch. Vor fünf Jahren kam Kristina Eiviler fürs Studium aus Serbien in die Schweiz. Im Moment ist sie am Abschluss ihrer Dissertation, wird bald Doktorin der Allgemeinen Sprachwissenschaften sein. Seit drei Jahren sind die beiden ein Paar. Vom Heiraten ist allerdings noch nicht die Rede. «Oder sieht man an meinem Finger einen Verlobungsring?», schmunzelt Kristina und streckt dabei neckisch ihre linke Hand Richtung Luka aus. Dieser grinst nur und zuckt mit den Schultern.
Ausgezeichnete Filme
Luka Popadić kommt 1980 als Sohn serbischer Eltern in Baden AG auf die Welt. Nach der Einbürgerung und der RS verlängert er seinen Dienst in der Schweizer Armee, um Offizier zu werden. Danach studiert er Politikwissenschaften und Geschichte an der Uni Zürich. Und später fünf Jahre lang Filmregie in Belgrad. Die Kurzfilme und Dokumentationen, die Popadić während seines Studiums dreht, werden an mehr als 170 Filmfestivals auf der ganzen Welt gezeigt und über 25 Mal ausgezeichnet. Mit seinem neuen und ersten langen Dok-Film «Echte Schweizer», der im Moment in den Kinos läuft, gelingt ihm gleich ein grosser Coup: Er gewinnt diesen Januar an den 59. Solothurner Filmtagen den begehrten Publikumspreis.
«Das ist der coolste Preis, den man gewinnen kann. Und auch der demokratischste. Ein echter Schweizer Preis eben», so Popadić. Und die 10'000 Franken, die er zusätzlich zu Ruhm und Ehre bekommen hat, sind auch nicht ohne. «Als freischaffender Filmemacher kann man jeden finanziellen Zustupf brauchen. Es ist nicht immer einfach. Am Ende des Geldes bleibt manchmal noch viel Monat», sagt er und lacht aufs Neue. «Aber Kristina und ich sind genügsam. Hauptsache, es reicht, um einmal im Jahr in Flims Ski fahren zu können. Ich liebe diesen Sport!»
Die Secondos und das Militär
Die Idee für seinen Film «Echte Schweizer» kommt Luka Popadić schon vor Jahren während der vielen Filmfestivals, die er besucht. «Immer wieder wurde ich darauf angesprochen, wie ich denn gleichzeitig studieren und Offizier sein kann», erzählt der Regisseur. Seine Filmfreunde im Ausland hätten dies nicht verstanden. «Da habe ich gemerkt, dass unser Milizsystem etwas sehr Besonderes ist. Und mich entschieden, einen Film darüber zu machen. Mit der Zeit hat sich die Fragestellung verschärft und in Richtung Integration und Identität entwickelt.»
In seiner Dokumentation begleitet Luka Popadić mit der Kamera die Secondos und Schweizer Offiziere Saâd, Thuruban, Andrija – und sich selbst. Alle vier haben nach wie vor eine starke Verbindung zu ihrer Herkunftskultur. Sie sprechen über ihre militärische Laufbahn, über Pflichtbewusstsein, Identität und Loyalität. Aber auch darüber, wie es ist, ein Land zu verteidigen, in dem man nur bedingt akzeptiert ist. «Und ja», sagt Luka Popadić – dieses Mal ernst und bestimmt –, «ich würde für die Schweiz sterben. Für Serbien nur bedingt. Dabei geht es mir nicht um Schweizer Boden, sondern um die Idee der Schweiz. Ich bin Fan dieser Gesellschaft und von dem Gedanken, wie die Schweiz aufgebaut ist. Das ist sehr schützenswert.»
Der frühe Tod der Mutter
Es gibt aber noch einen weiteren Grund, warum Luka Popadić dem Militär verbunden ist. Das erzählt er auch im Film. Als während der RS seine Mutter stirbt, gibt ihm diese Zweckgemeinschaft Halt. «Ich hätte den Dienst quittieren können, wollte aber nicht. In dieser schwierigen Zeit gab mir die Kameradschaft Kraft. Ich habe viel gelernt für mein weiteres Leben.»
Acht Jahre lang hat Luka Popadić an diesem Film gearbeitet. Doch trotz der anspruchsvollen Thematik ist die Dokumentation locker und witzig. «Ich wollte keinen miesepetrigen Film machen. Nicht mit dem Zeigfinger mahnen. Das hätte niemanden interessiert. Humor gehört zu meinem Leben. Er macht alles ein bisschen einfacher und sympathischer.»
Bevor sich Luka an sein nächstes Projekt macht, über das er noch nichts verraten möchte, fliegt er mit Kristina nach Buenos Aires. Wieder einmal an ein Filmfestival. Mit im Gepäck natürlich «Echte Schweizer». Olé!