Bildung, Pille und Politik sind die drei Stichworte, mit denen ich die Emanzipation der Frauen in der Schweiz während der letzten Jahrzehnte gerne umschreibe. Die Stichworte erklären sich selbst. Wichtig für den aktuellen Anlass ist das Stichwort Politik: Die politischen Rechte erlauben den Frauen, die rechtlichen Grundlagen mitzugestalten, nach denen wir in unserer Gesellschaft leben wollen!
Ernüchternd ist die Ausübung der politischen Rechte durch Männer und Frauen. Die durchschnittliche Stimmbeteiligung bei eidgenössischen Volksabstimmungen liegt gemäss dem Bundesamt für Statistik unter 50 Prozent.
Als «Interessengemeinschaft Frau» haben wir in den letzten 50 Jahren einiges erreicht. Gleichstellungsartikel in der Bundesverfassung und Gleichstellungsgesetz. Revision des patriarchalischen Eherechts. Einführung von Erziehungs- und Betreuungsgutschriften in der AHV. Das sind einige Beispiele. Das ging alles nicht ohne Kampf und politisches Getöse über die Bühne. Und nicht ohne die Mithilfe engagierter Männer.
Die 86-jährige Juristin und Politikerin gehört zu den ersten Frauen, die nach Einführung des kantonalen Stimmrechts in Luzern 1970 in dessen Grossrat (heute Kantonsrat) gewählt wurden. 1983 schafft Judith Stamm die Wahl in den Nationalrat, den sie 1996 präsidiert. Als Nationalrätin reicht sie 1986 eine Motion für die Durchsetzung des Gleichstellungsartikels der Bundesverfassung ein: Resultat davon ist 1988 das Eidgenössische Büro für die Gleichstellung von Mann und Frau.
Noch heute sind wir den ersten Parlamentarierinnen auf Bundesebene und unseren Bundesrätinnen dankbar dafür, dass sie die jeweils hängigen Probleme tatkräftig an die Hand genommen und gelöst haben.
Wir schauen voraus. Was wollen wir als «Interessengemeinschaft Frau» in den nächsten 50 Jahren erreichen? Ein vordringliches Problem ist für mich immer noch die Bekämpfung der häuslichen Gewalt. Es kann nicht sein, dass es in unserem Land Menschen gibt, junge und alte, Frauen und Männer, die tagtäglich in Angst um ihre körperliche Unversehrtheit leben müssen!
Alle Anlauf- und Beratungsstellen, alle Institutionen, die sich mit häuslicher Gewalt befassen, müssen massiv unterstützt werden, damit sie nachhaltig arbeiten können
Ich zähle auf die junge Generation Politikerinnen, dass sie diese «Pendenz» endlich aus der Welt schafft!
Von Judith Stamm