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  4. Alles zum Abschied von den Skitourengängern die im Wallis ums Leben kamen
Bergdrama im Wallis

«Ihr Lachen wird nie vergehen»

Grosse Anteilnahme beim traurigen Abschied: Im Wallis sind die drei Brüder der Familie Moix, ihr Onkel und ihr Cousin beerdigt worden. Die Skitourengänger waren in der Schneehölle unterhalb der Tête Blanche ums Leben gekommen. Ihre Begleiterin liegt noch oben am Berg.

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Accident et drame de la Tête Blanche.  5 membres de la famille Moix sont morts en montagne lors d'un entrainement pour la Patrouille de Glaciers. 15.03.2024 - Eglise d'Evolène - Enterrement de Joel Moix. Photos - L'illustre © 2024

Angehörige tragen den Sarg mit Joël Moix von der Kirche zum Leichenwagen.

Darrin Vanselow
Christian Rappaz, journaliste
Christian Rappaz

Fast 5000 Menschen sind es, die am 14. März an den fünf Särgen vorbeiziehen, die in der katholischen Dorfkirche von Vex VS aufgereiht sind. Sie alle sind gekommen, um von den drei Brüdern Jean-Vincent (30) David (27) und Laurent Moix (21) ihrem Cousin Marc Moix (44) und ihrem Onkel Joël Moix (58) Abschied zu nehmen. Freunde, Berg-, Musik- und Politikerkollegen oder Unbekannte. Der gemeinsame Moment der Besinnung im Beisein der Familien ist von 18 bis 20 Uhr angesetzt. Erst um 23 Uhr lösen sich die mehrere 100 Meter langen Kolonnen von Trauernden auf, die sich Richtung Kirche bewegen.

Drame des morts de la Tête Blanche.  5 membres de la famille Moix sont morts dans un accident en montagne. Ils étaient partis s'entrainer sur le parcours entre Zermatt et Arolla et ont été pris dans de mauvaises conditions météo.  Lundi 18 mars, Eglise de VEX, VS à 16h, Enterrement des 3 frères: Jean-Vincent,  David et Laurent Moix. 

Montag, 18. März, Dorfkirche Vex VS: Die lokale Blasmusik Echo des Glaciers spielt, als die Särge der Brüder Jean-Vincent, David und Laurent Moix für den Abtransport bereit gemacht werden.

Darrin Vanselow

Der tragische und brutale Tod dieser jungen, aktiven und beliebten Persönlichkeiten hat im Val d’Hérens und im ganzen Kanton Wallis einen riesigen Schock und eine Welle der Emotionen ausgelöst. Die drei Brüder waren für die grosse Strecke der Patrouille des Glaciers von Zermatt VS nach Verbier VS angemeldet. Noch am 3. März bestritten sie unter dem Namen «Moix Brothers» als Generalprobe dafür die Patrouille de la Maya. Ihr Onkel, ihr Cousin und Davids Lebensgefährtin Emilie, die ebenfalls Erfahrung im Skibergsteigen hatten, zogen die kleine Strecke zwischen Arolla VS und Verbier in Betracht. Doch am Samstag, 9. März, gerieten die sechs auf einer Trainings-Skitour unterhalb der Tête Blanche in eine tödliche Schneehölle.

Accident et drame de la Tête Blanche.  5 membres de la famille Moix sont morts en montagne lors d'un entrainement pour la Patrouille de Glaciers. 15.03.2024 - Eglise d'Evolène - Enterrement de Joel Moix. Photos - L'illustre © 2024

Freitag, 15. März, Evolène VS: Angehörige tragen den Sarg mit Joël Moix von der Kirche zum Leichenwagen.

Darrin Vanselow

Unzählige rührende Erinnerungen an die Geschwister und ihre Angehörigen werden in den langen Stunden des Wartens vor der Kirche ausgetauscht. Freundlichkeit, Wohlwollen, Hingabe, Grosszügigkeit – diese Worte sind immer wieder zu hören. «Ihr Lächeln wird nie verschwinden», versichert eine kleine tief betroffene Gruppe.

Kondolenzbücher an der Uni

Die Trauergäste sprechen zum Beispiel über Jean-Vincent Moix. Nach seinem Wirtschaftsstudium an der Universität St. Gallen und einem Abstecher an die Universität Westminster in England arbeitete er als Kundenberater bei der Credit Suisse/UBS. Als Mitglied der Mitte-Partei hatte der älteste Sohn der Familie erst Anfang März einen frei gewordenen Sitz im Gemeinderat von Vex übernommen. Jean-Vincent bestritt Bergläufe wie den Trail des Cabanes, Sierre–Zinal oder den Collontrek. Wie seine beiden Brüder war auch Jean-Vincent stark in die Aktivitäten seines Dorfes eingebunden, insbesondere als Mitglied der einheimischen Blasmusik Echo des Glaciers (Gletscher-Echo). In seiner Hommage schreibt der Musikverein: «Euer Wohlwollen wird nachklingen, für immer in unseren Herzen.»

Accident et drame de la Tête Blanche.  5 membres de la famille Moix sont morts en montagne lors d'un entrainement pour la Patrouille de Glaciers. 16.03.2024 Eglise Vex Enterrement du commandant de Police Marc Moix. Photos Darrin Vanselow / L'illustre © 2024

Samstag, 16. März, Vex: Zu Ehren von Marc Moix bildet das Korps der Walliser Kantonspolizei ein Ehrenspalier. Er war einer von ihnen.

Darrin Vanselow

Jean-Vincents Bruder David, der ebenfalls in eine strahlende Zukunft blickte, erhielt Anfang des Monats, kurz nach seiner Lebensgefährtin Emilie, das Juristenpatent und arbeitete in einer Anwalts- und Notariatskanzlei in Sitten VS. Auch Laurent, der Jüngste der drei, hatte ein Jurastudium an der Universität Fribourg begonnen. Am Eingang des dortigen Campus Miséricorde liegen nun Kondolenzbücher mit Hommagen an David und Laurent Moix sowie an Emilie Deschenaux auf.

«Er war ein richtiger Profi»

Marc Moix, ihr Cousin und ehemaliger Bundesliga-Basketballspieler, war Hauptmann bei der Walliser Kantonspolizei. In seiner Kategorie hatte er sich 2010 auf dem grossen Parcours der Patrouille des Glaciers durchgesetzt. «Er war ein richtiger Profi. Er hatte die seltene Fähigkeit, vor Ort effizient zu sein und gleichzeitig eine klare und moderne Vision der Polizei zu besitzen», sagt Christian Varone, Kommandant der Walliser Kantonspolizei. «Eines Tages kam Marc in mein Büro und teilte mir mit Tränen in den Augen mit, dass er ein Bergsportgeschäft in Sitten übernehmen werde.»

Der Polizeichef hielt Marc Moix für zu Höherem berufen: «Nachdem er bei der Einsatzgruppe der Waadtländer Polizei zu seiner Liebe zurückgekehrt war, hatte ich das Glück, ihn einige Jahre später wieder anstellen zu können. Sowohl menschlich als auch beruflich hatte er das Format und die Statur eines Stabschefs.» Marc habe über Nerven aus Stahl verfügt und über eine überdurchschnittliche Fähigkeit, Situationen einzuschätzen. «Er war alles andere als ein Rambo, war überlegt und umsichtig. Für ihn kam das Wohlergehen der Personen, die er befehligte, immer an erster Stelle.»

Unglück Wallis

Montag, 11. März, Vex: Hunderte von Einheimischen kommen bedrückt zur Mahnwache vor die katholische Dorfkirche.

keystone-sda.ch

Die drei Brüder und ihr Cousin wurden auf ihrer fatalen Tour von ihrem Onkel Joël Moix begleitet, der in Evolène VS wohnhaft war. Der Mechatroniker hatte bei einem grossen Walliser Autohändler die Position des Qualitätsmanagers inne. «Ein treuer, engagierter und sehr kompetenter Mitarbeiter, den das gesamte Team sehr vermisst», erzählt Firmendirektor Raphaël Garcia. Wie seine drei Neffen nahm der Mann, der zwei Töchter und eine Frau hinterlässt und der vor 17 Jahren einen kleinen Jungen bei der Geburt verlor, regelmässig an Skitourenrennen teil.

Tribut an die Patrouille des Glaciers

Abgesehen von der Tragödie, welche die betroffenen Familien – insbesondere die Eltern der drei Brüder Moix und ihre Schwester – in unermesslichem Schmerz zurücklässt, wirft dieses Drama zahlreiche Fragen auf. Hätten die sechs auf die Trainingstour verzichten sollen, wie es die Meinung von Anjan Truffer ist, dem Chef der Bergrettung Zermatt? Zweifellos, angesichts des fatalen Ausgangs. Letztlich war es die Patrouille des Glaciers und deren Wettbewerbsgeist, denen die Unglücklichen Tribut zollten. So spektakulär der militärische Wettkampf sein mag: In diesem Fall hat er eine Gruppe Teilnahmewilliger zu einer verzerrten Sicht auf die Berge verführt.

Ein regelmässiger Patrouille-Gipfelstürmer erklärt die Problematik so: Nicht mehr an den Bergen würden sich die Startenden messen, sondern an der Konkurrenz anderer Teams. Ziel sei es nicht mehr, die Tücken der grossen Höhe zu meistern, sondern die anderen Teilnehmer zu besiegen. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen die körperlich und geistig perfekt trainierten Läufer ihre Ausrüstung so leicht wie möglich machen. Nur so sind sie imstande, die unglaublichen Strapazen dieses Wettkampfs durchzuhalten.

An diesem Massstab werden sich 4800 Teilnehmer der 1600 Teams des längsten, schwierigsten und symbolträchtigsten Skibergsteigerrennens der Schweiz auch diesen April messen. Doch diesmal werden sie in Gedanken auch sechs besondere Menschen mit sich über die Berge tragen.

Text: Christian Rappaz am 22. März 2024 - 12:00 Uhr