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Knackeboul trifft Klimajugendliche

«Ihr seid die Fighter für unsere Zukunft»

Geballte Kraft fürs Mobiliar Experiment aus Bern: Der Rapper Knackeboul und die Schwestern Amélie und Matilda Schürmann diskutieren über die Ideen der Klimajugend – und sagen, wann sie mal unvernünftig sind.

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Klimajugend, Knackeboul, 2020

Interview via Skype: Knackeboul unterhält sich mit den Schwestern Matilda, 15, (l.) und Amélie Schürmann, 17. 

Adrian Bretscher

Dass dieses Interview mit dem Rapper Knackeboul, 38, und den Schwestern Amélie, 17, und Matilda, 15, Schürmann mitten auf einem Schlieremer Fabrikareal stattfindet, hat eine Story: Im Erdgeschoss eines stattlichen Industriegebäudes, angrenzend an eine Autowerkstatt für Oldtimer, befindet sich das Atelier des Künstlers Kerim Seiler - ein fast schon magisch authentischer Ort voller Kraft, Kunst und Kontext. Wie auch die drei war Kerim Seiler einer der 22 Teilnehmer des Mobiliar Experiments auf dem Thuner Schlossberg. Im Zentrum des Ateliers mit den riesigen Fensterfronten steht ein langer, patinierter Holztisch. Amélie und Matilda schalten sich via Skype zu. Für das Gespräch einigen wir uns alle auf das Du.

Amélie und Mathilda, Knackeboul ist weit über die Berner Grenze berühmt, sein neues Album «The Bananasplit Of Evil» ein Erfolg. Wie war das, einem Star wie ihm mal so nah zu sein?
Amélie: Nice! Ich habe ihn schon im Atelier du Futur in Fiesch VS kennengelernt, aber nur flüchtig, denn dort war ich im Workshop von Gabirano.
Matilda: Mich beeindruckte, dass wir mit Knackeboul und allen anderen ganz offen und normal reden konnten. Obwohl wir ja die Jüngsten waren, fühlten wir uns mega ernstgenommen. Man wollte wissen, wie wir über gewisse Dinge denken.
Knackeboul: Ihr seid ja auch voll die Zielgruppe. Die Jungen sind die engagierten in der Klimabewegung!

Knackeboul, du hast kürzlich getwittert: «…das einzige, was mir Hoffnung macht, ist Tiktok und der Aktivismus der Gen Z.» Was macht diese Generation Z in deinen Augen so besonders?
Knackeboul: Sie hat Mut. Das sind richtige Fighter für unsere Zukunft, das gefällt mir. 

Das Interview findet statt, als die Klimademonstrationen vor dem Bundeshaus in Bern laufen. Amélie und Matilda weilen just zu der Zeit zwei Wochen auf Sardinien mit den Eltern in den Ferien. Sie hätten gerne in ihrer Heimatstadt mit demonstriert. Knackeboul wollte die jugendlichen Demonstrantinnen und Demonstranten auf dem Bundesplatz in Bern besuchen und unterstützen, dazu kam es dann aber nicht mehr: die Polizei löste die Demos auf.

Wie mutig empfindet ihr eure Generation, Amélie und Mathilda?
Matilda: Aktivismus und Debatten sind bei uns am Gymnasium in Bern Alltag. Fast alle meine Freunde engagieren sich irgendwie.
Amélie: Es hat sich schon sehr viel verändert in den letzten zwei Jahren. In unserer Klasse sieht man fast keine PET-, nur noch Glasflaschen. Vor dem Lockdown war ich auch noch an Demos für die Flüchtlinge oder gegen die Verschmutzung in den Weltmeeren. Via Social Media können wir uns gut organisieren.

Gibt es dort auch solche, die posten, weil es hip ist?
Matilda: In meinem Umfeld gibt es nicht viele davon. Die Leute, denen ich folge, setzen sich intensiv mit den Themen auseinander, da ist Substanz dahinter.
Amélie: Nun ja, ab und zu sehe ich jemanden auf Insta, und denke mir so meine Sachen…
Knackeboul: Aber mal ganz ehrlich, mir machen die Menschen, die nix posten fast mehr Sorgen. Die gefährlichsten sind doch die, die entweder schweigen oder einfach etwas nachplappern.
Matilda: Kürzlich habe ich eine jüngere Frau beobachtet im Migros, wie sie einen einzigen Apfel in einem Plastiksäckli gekauft hat. Gleich nach dem Bezahlen hat sie den Sack draussen in den Abfall geworfen.

Hast Du etwas gesagt?
Matilda: Ja, ich habe sie gefragt, warum ein Plastiksack, wenn man ihn eine Minute später in den Müll wirft.

Wie hat sie reagiert?
Matilda: Sie war verunsichert und konnte mir keine richtige Antwort geben. Das hat mir dann schon fast wieder leidgetan. Wir sind ins Gespräch gekommen, und ich habe ihr meinen kleinen Stoffsack, den ich beim Einkaufen immer in meinem Rucksack dabei habe, gezeigt. Vielleicht hat es ja etwas bewirkt.
Amélie: Wir haben uns angewöhnt in der Schule, dass, wenn wir zum Asiaten möchten über Mittag, dann sprechen wir uns am Abend vorher ab. So kann jeder ein Gefäss zum Abfüllen von zuhause mitbringen.

Klimajugend, Knackeboul, 2020

Das Künstleratelier inspirierte den Rapper Knackeboul: Hier im Gespräch mit der Journalistin Martina Bortolani.

Adrian Bretscher

Wann werdet ihr kreativ?
Amélie: Ich beobachte die Menschen und lese Bücher. Oder ich spiele Klavier und komponiere Melodien. Wichtig ist auch die Musik des HipHop-Kollektivs Chaostruppe oder von Migo & Buzz. Alles Berner. Was hörst Du für Musik, wenn du nicht grad eigene machst, Knackeboul?
Knackeboul: Einiges, aber am allerliebsten: Sophie Hunger. Nochmals Bern.
Matilda: Ich habe angefangen zu zeichnen und meine Gedanken aufzuschreiben, immer und überall.
Knackeboul: Notizen mache ich auch ständig, fast obsessiv. Am liebsten von Hand und in mein Moleskine. Ich habe schon Dutzende gefüllt, die sehen tupfengleich aus.

Schwarz?
Knackeboul: Yes. Vollgeschrieben mit einem schwarzen Stift, nicht zu dünn und nicht zu dick. Die Perfekten (er zieht einen schwarzen Fineliner aus seiner Jackentasche) liegen auf der Redaktion von watson.ch herum. Da habe ich schon einige mitgehen lassen. Aber bitte niemandem sagen… (lacht).

Gutes Stichwort: Ihr alle wirkt so vernünftig, so vorbildlich. Gibt es auch Zonen der Unvernunft bei Euch?
Amélie: Ja schon. Beim Shoppen zum Beispiel. Ich bestelle irgendetwas im Internet und nerve mich über mich selber, sobald es zuhause angekommen ist.
Knackeboul: Ich esse Fleisch. Nicht oft zwar, aber dann packt mich plötzlich die unbändige Lust nach einem Burger. Und nach viel Cola.
Matilda: Ich kaufe manchmal auch einfach irgendwas ein, dabei habe ich es schon doppelt oder dreifach. Völlig unnötig.

Kleider kann man aber ja wieder in den Secondhandladen bringen oder auf dem Flohmi verkaufen?
Knackeboul: Oder wir verwirklichen einfach eine unserer Ideen aus dem Mobiliar Experiment: der Marktplatz für alle!

Erzählt bitte davon.
Amélie: Wir haben uns überlegt, dass man in Bern oder auch in anderen Städten in der Schweiz, in leerstehenden Fabrikhallen, einen gedeckten Marktplatz einrichten könnte. Als alternativer Treffpunkt für alle.
Matilda: Man kann dort Bio-Lebensmittel einkaufen oder eigene Sachen verkaufen, Kleider und Schuhe reparieren lassen, lernen, chillen, essen und trinken. Es gäbe eine Recycling-Station, einen Flohmarkt und viel Raum für Diskussion und Austausch mit Leuten, die gleich ticken.

Amélie und Matilda, habt ihr dieses Gedankengut und Engagement von euren Eltern?
Amélie: Ja, das haben wir schon früh eingetrichtert bekommen zuhause.
Matilda: Unsere Mutter unterstützt Streiks, steht für den Feminismus und für Menschenrechte ein. Beide engagieren sich aktiv gegen den Klimawandel. Beide sind links.
Knackeboul: Das ist interessant. Ich höre das oft in diesem Zusammenhang, dieses links oder rechts stehen. Für mich hat die Klimabewegung, komplett unabhängig von der politischen Gesinnung, aber nur mit Vernunft zu tun.

Wovon braucht die Schweiz mehr?
Knackeboul: Risiko und Herz. Weniger Diskussionen, mehr Taten. Die Regierung muss mit gutem Vorbild vorangehen. Sie sollte entscheiden, mehr Flüchtlinge aufzunehmen, denn wir haben Platz genug. Gemeinsam müssen wir den Klimawandel stoppen und zusammen gegen Ungerechtigkeit, Rassismus und Sexismus kämpfen.
Amélie: Die Schweiz könnte mutiger werden, sie riskiert meiner Meinung nach viel zu wenig. Vermutlich aus Angst, zu scheitern…
Matilda: …doch scheitern, das ist doch gar nicht so schlimm.

Zeit zu handeln

Das ist eine Initiative für nachhaltiges Leben der Schweizer Illustrierten und der Mobiliar.

Von Martina Bortolani am 23. Oktober 2020 - 13:56 Uhr