Als Irina Gorina, 43, ihren heutigen Lebenspartner Lukas Speiser, 40, vor sieben Jahren auf Facebook kennenlernt, «fragte ich mich schon ein bisschen, was das für einer ist». Kein Wunder, schliesslich hat Speiser damals gerade seinen gut bezahlten Job als Banker an den Nagel gehängt, um Sex- Spielzeug zu verticken. Trotzdem werden die beiden zuerst Trainingspartner im Fitnessstudio – und später ein Paar. Was unter anderem an Lukas’ Farbenblindheit liegt. Aber erst mal von vorn.
Bereits vor seinem Finance-Studium in Zürich gründet Lukas Speiser ein Start-up, das er verkauft. Etwas Ähnliches schwebt ihm und seinem Studienkollegen Alan Frei, 39, wieder vor. Man trifft sich jeden Freitag, um Ideen zu besprechen. Viel kommt dabei nicht raus. «Eigentlich gingen wir einfach einmal pro Woche in den Ausgang», erzählt Speiser. Irgendwann ist wenigstens die Richtung klar: «E-Commerce in einem Bereich, in dem es noch nichts richtig Gutes gibt.»
Sie landen bei der Verbindung von Erotik und Lifestyle. Die Idee: ein Sextoy-Abo. Angeboten wird es ein-fach allen, deren E-Mail-Adressen man irgendwo gespeichert hat. «Ohne viel zu denken und ohne grossen Plan», erzählt Lukas Speiser lachend. Als die ersten Bestellungen kommen, sind Speiser und Frei überrascht – und müssen die angebotenen Spielzeuge erst einmal selbst zusammenkaufen. Bald merken sie, dass die Idee, an die sie selbst nicht so richtig glaubten, offenbar einen Nerv trifft. Es gehen mehr Bestellungen ein – und immer öfter auch von Leuten, die sie nicht kennen.
An seine erste Kundin erinnert sich Lukas Speiser genau: seine Facebook- Freundin Irina. «Ich kaufte Dessous und eine Peitsche. Beides habe ich heute noch», erzählt sie. Als aus dem Sextoy-Projekt die Firma Amorana wird, muss ein Logo her. Gar nicht so einfach, wenn man farbenblind ist – so wie Lukas Speiser und Alan Frei. Lukas fragt Irina, ob sie ihm mit der Wahl des Rot-Tons helfen könne.
Wenig später ziehen sie zusammen. Irina – ursprünglich im Finanzbereich tätig – hilft immer wieder mal bei Amorana aus und merkt schnell: Bei der Ästhetik haperts gewaltig. «Na ja, bei zwei wenig kreativen Farbenblinden …», meint Lukas entschuldigend. «Das erklärt nicht die halb nackten Frauen auf den Packungen», sagt Irina lachend. Vor einigen Jahren gibt auch sie ihren Banken-Job auf, um Sextoys zu verkaufen, und wird Creative Director von Amorana. Heute ist die dezente Ästhetik eines der Erfolgsgeheimnisse der Firma.
Mit der Zusammenarbeit beginnt allerdings eine harte Zeit als Paar. «Wir fuhren täglich zusammen zur Arbeit, verbrachten 24 Stunden pro Tag gemeinsam. Schliesslich zofften wir uns wegen jeder Kleinigkeit», erzählt Irina. Die beiden merken, dass sie sehr unterschiedliche Tagesrhythmen haben: Lukas ist ein Morgenmensch, Irina dreht abends richtig auf. Sie beginnen, dem Rechnung zu tragen. Lukas Speiser steht während der Woche früh auf, trainiert im hauseigenen Fitnessstudio und fährt ins Büro. Irina Gorina taucht dort später auf und bleibt öfter bis in die Nacht. Meist schläft Lukas bereits, wenn seine Freundin von der Arbeit kommt. Aus diesem Grund haben sie getrennte Schlafzimmer. Zeit zu zweit gibts am Wochenende, und jeden Freitag ist Date-Night. Dann gehen die beiden auswärts essen.
Vor einem Jahr setzen Lukas Speiser und Alan Frei den Plan, den sie von Anfang an haben, in die Tat um und verkaufen die Firma. Mit der Übernahme durch den britischen Onlineanbieter Lovehoney wird Amorana nicht nur zum europaweiten Player, sondern wandelt sich auch zum Anbieter von allem, was mit «Sexual Wellness» zu tun hat. So gibts mittlerweile nicht nur Sextoys und Unterwäsche, sondern auch Pflegeprodukte oder Dinge rund um Menstruation oder Schwangerschaft.
Lukas Speiser bleibt trotz Verkauf CEO, Alan Frei Marketingchef. Viel geleistet hat sich Lukas mit dem Geld aus dem Verkauf nicht. Er investiert es lieber in seine Leidenschaft: Start-ups. Als Investor bei der dritten Staffel des TV-Erfolgs «Die Höhle der Löwen Schweiz» (jeweils Dienstag, 20.15 Uhr, 3+) ist er auf der Suche nach guten Ideen «und noch besseren Teams. Denn die beste Idee ist nichts wert, wenn sie schlecht ausgeführt wird.» Bleibt nur noch eine Frage: Testet Speiser eigentlich selbst, was er verkauft? «Anfangs hatten wir diese Regel tatsächlich. Aber als der erste Harnröhren-Vibrator auf unserem Tisch lag, haben wir sie über Bord geworfen. Man muss nicht alles wissen.»