Es müsste gar nicht ausgesprochen werden. Ein Blick in die loftartige Wohnung von Anna Rossinelli, 34, mitten in Basel sagt alles. Die Musikerin tuts trotzdem. «Ich bin eine Sammlerin. Eine Brocki-Gängerin. Eine Flohmi-Tante», sagt sie lachend. Überall Krimskrams, Souvenirs von Reisen, Kunst. Vieles davon von Annas Papa, einem Künstler. Er starb, als seine Tochter sechs war. Den Sinn für Ästhetik hat sie von ihm. Das unterscheidet sie ein bisschen von ihrem Freund, einem italienischen Architekten, den sie strikt aus dem Rampenlicht raushält. «Francesco wills einfach. Ich wills schön», sagt sie grinsend.
Vor gut eineinhalb Jahren sind die beiden hier eingezogen. Die Wohnung hat es ihnen vor allem wegen des Balkons angetan. Denn zu Annas Sammelleidenschaften gehören Pflanzen, die sie immer wieder mal ein- und umtopft. «Dräcklen ist auf der Terrasse einfach praktischer als drinnen.» Auch der Fakt, dass die Bleibe im obersten Stock ist, sei ein Vorteil. «Da stört man niemanden, wenn man den Grill anwirft.»
Ihren Freund lernt sie vor fünf Jahren in den Ferien in Rom kennen, ein Jahr lang führen sie eine Fernbeziehung, bevor er zu ihr nach Basel zieht. «Natürlich könnte ich mir vorstellen, eine Weile in Rom zu leben, aber Basel ist meine Heimat, meine Basis. Meine Familie, meine Freunde, mein Herz sind hier.» Vor allem ihre Mama, zu der sie nach dem frühen Tod des Vaters eine sehr enge Bindung hat (und die laut Anna «die noch grössere Sammlerin ist als ich»).
Zudem wäre es für sie schwierig, ihre Musikkarriere ins Ausland zu verlegen. «Songs schreiben kann ich natürlich überall, aber erstens sind meine Bandkollegen hier, und zweitens sind unser Publikum und unsere Auftritte in erster Linie in der Schweiz. Darauf, ständig hin und her zu reisen, hätte ich keine Lust.» Wie viele andere Musiker hat auch Anna Rossinelli während der Pandemie unzählige Songs geschrieben. Ein Album gibt es allerdings in naher Zukunft nicht. «Wir veröffentlichen mal einen Song nach dem anderen, dann sehen wir weiter.» Der neuste «Streich»: «Somebody Like You».
Ihn gibts diese Woche nicht nur am Radio regelmässig auf die Ohren, sondern auch auf der Bühne der Konzerttour zur nationalen Impfwoche. An den schweizweiten Gratiskonzerten tritt Anna als Special Guest neben Stars wie Stefanie Heinzmann oder Stress auf. Am Rand der Auftritte kann man sich beraten und/oder impfen lassen. Ihr gehe es darum aufzuzeigen, dass die Pandemie noch nicht vorbei ist. «Und auch, dass die Eventbranche immer noch unter den Folgen leidet. Den Weg aus dieser Situation finden wir nur gemeinsam.» Für sie selbst war schnell klar, dass sie sich impfen lässt, «nur schon weil ich so viel unterwegs bin und so viele Menschen treffe». Sie hofft inständig, dass «wir das gesellschaftliche und kulturelle Leben bald wieder ohne Einschränkungen geniessen können».
Dann gibts da noch ein zweites Karriere-Türchen, das sich für Anna Rossinelli geöffnet hat. Für die SRF-Serie «Tschugger» stand sie als Polizistin vor der Kamera. Das Aufgebot fürs Casting sei mehr oder weniger aus heiterem Himmel gekommen, so Anna. «Ich musste zu Hause eine Szene filmen und war völlig überfordert», erzählt sie lachend. Überzeugt hat sie trotzdem. Gedreht wurde im Wallis: «Zum Glück nicht im dortigen Dialekt, das ist eine eigene, sehr komplexe Sprache!» Am Set sei sie oft recht nervös gewesen, gesteht Anna. «Ich bin ja nicht Schauspielerin. Wenn ich meinen Text verhaue, muss alles zigmal gedreht werden, und alle müssen wegen mir warten. Wenn ich auf der Bühne mal den Text vergesse, singe ich einfach irgendetwas, das merkt niemand.»
Das Schauspielern sei eine tolle Erfahrung gewesen, und sie könne sich gut vorstellen, diese zu wiederholen. «Aber in erster Linie bleibe ich Musikerin.» Die Freude darüber, endlich auch wieder live spielen zu können, ist riesig bei Anna Rossinelli und ihrer Band. «Es ist zwar mit der Zertifikatspflicht harzig und kompliziert, aber es ist einfach total schön, wieder das Publikum zu spüren.»
Trotzdem ist es Anna wichtig, neben der Musik noch andere Projekte zu haben. So führt sie zum Beispiel mit einer Freundin das «Rhybadhysli», einen Kiosk am Rhein. Und wenn sie zu Hause mal nicht gerade gärtnert oder mit ihren Pflanzen spricht («Ja, klar mache ich das!»), bäckt oder bastelt sie auch gern, richtet ein und dekoriert. Ausserdem mag sie ihren «Rückzugsort» sauber und aufgeräumt. «Etwas pingelig bin ich schon. Ich habs aber gern heimelig.» So brennen denn bei Anna auch mal tagsüber Kerzen. Wenn Freunde zu Besuch kommen, ist ein liebevoll gedeckter Tisch ein Muss. Und: Einer Gastgeberin wie ihr überreicht man gern ein Mitbringsel. Bei einer solch leidenschaftlichen Sammlerin landet dieses wohl kaum im Papierkorb.