Für Teddy, 5, ist es heute eine anstrengende Gassi- Runde. Das Malteserhündchen zieht sein Herrchen an der Leine die steile Treppe vom Musikstudio auf die Strasse und an die Sonne – und muss schon einen Stopp einlegen. Es wird nicht der letzte sein. Immer wieder bleibt Jesse Ritch, 28, stehen, nimmt Glückwünsche von Passanten entgegen, posiert mit einer Lädelibesitzerin für ein Selfie, hört sich aufmunternde Worte von Bekannten an: «Toll gemacht!» Mit seiner Finalkür bei der diesjährigen Staffel der SRF-Tanzshow «Darf ich bitten?» ertanzte sich der Berner vergangenes Wochenende nicht nur den Sieg, sondern er rührte mit seinem neuen Song «Schnufe» die Jury zu Tränen – und berührte die Herzen vieler TV-Zuschauer.
Ein Jahr lang hat er an dem Lied gefeilt. Dafür viel von sich preisgegeben. Wenn Jesse ansetzt und singt «Jitz stahn i da, ha so viel Frage, u ig weis nid, wohi» wird schnell klar, wovon er singt: von seiner Trennung und Scheidung. Vergangenes Jahr hatte ihn seine Frau nach nur zwei Jahren Ehe verlassen. «Natürlich ist der Song sehr persönlich, aber diese Erfahrung gehört jetzt nun mal zu mir – und wie wollen mich die Leute sonst verstehen, wenn sie nicht wissen, wie es in mir aussieht?» Er habe nach der Sendung viele Reaktionen erhalten von Menschen, die Ähnliches erlebt haben. Er selbst hat sich mit dem Lied Mut gemacht, sagt: «Man darf Tiefpunkte im Leben haben, man darf auch dazu stehen – aber du musst irgendwann wieder aufstehen und weiterkämpfen.»
«Ich bin verletzlicher geworden», gibt Jesse zu. Und er habe Mühe, blind zu vertrauen. Das habe er nun bei seiner SRF-Tanzpartnerin Flavia Landolfi, 25, gemerkt. «Das Schwierigste war, sie so nahe an mich heranzulassen; sie spürte das.» Je mehr sie miteinander geredet hätten, desto leichter sei es ihm gefallen, ihr als Tanzpartnerin zu vertrauen und dies auf der Bühne auszustrahlen. Andererseits fühle er sich heute stärker, er singt: «Ersch wen i nüme kämpfe, kämpfe, gib i uf. Wen i nüme träume, träume, stürz i toif ...»
Der Musiker hat sich entschieden, weiter zu kämpfen. Nach der Veröffentlichung von «Schnufe» vor zwei Wochen arbeitet er jetzt an einem Album. In aller Ruhe, denn durch Corona sind ihm wie vielen im Musikbusiness im Moment etwas die Hände gebunden. «Was bringt jetzt ein Album, wenn ich nicht auf die Bühne kann?» Andererseits – und da blickt er wiederum positiv in die Zukunft, lehre ihn die momentane Situation Geduld und das sei ihm als Künstler extrem wichtig.
«Ersch wen i nümme schnufe, de hör i ou uf tröime ...», singt Jesse. Aufhören zu träumen, ist für ihn keine Option. Auch nicht in der Liebe – trotz seiner bösen Erfahrung. Wie die Traumfrau aussehen soll, ist ihm weniger wichtig. Aber: «Sie sollte eine Vision haben in ihrem Leben, etwas, wofür sie leidenschaftlich brennt. So wie ich für meine Musik. Und sie sollte humorvoll sein. Und flexibel. Und spontan!»