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Rennsport-Pionier

Jo Vonlanthen gibt auch mit 80 noch Vollgas

Vom Buurebueb zum Pionier des Schweizer Autorennsports. Jo Vonlanthen ist ein bescheidener Held, aber im Formel-1-Geschäft hoch angesehen. Zu seinem Geburtstag steuerter seinen Boliden nochmals über die Rennstrecke.

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Jo Vonlanthen 2022 fährt auf dem Hockenheimring

Jo Vonlanthen in seinem Formel-2-Boliden GRD 273 auf dem Hockenheimring. «Es macht noch immer riesig Spass!»

Thomas Buchwalder

Noch einmal zwängt er sich in das enge Cock-pit seines Formel-2-Boliden GRD 273, fasst das Lenkrad mit der abgegriffenen Lederverkleidung, drückt das Gaspedal und lässt den Vier-Zylinder-Ford-Cosworth-Motor aufheulen. So wie er es mit diesem legendären Rennauto bereits in den 1970er-Jahren tat – und beim GP von Rom in Vallelunga und beim GP von Portugal in Estoril stolze Trophäen gewann.

Jetzt fährt Jo Vonlanthen noch einmal raus aus der Box. Wenige Tage vor seinem 80. Geburtstag am 31. Mai. Am Historic-Rennen auf dem Hockenheimring. Und wer meint, der freundliche Gentleman mit den dicken Augenbrauen und dem weissen Haar begebe sich auf ein nostalgisches «Ausfährtli», irrt gewaltig: Kaum hat Jo die Boxengasse verlassen, rast er mit über 200 km/h über den Circuit, bremst im letzten Augenblick, drückt seinen Wagen mit der Kraft der dreifachen Erdbeschleunigung in die Kurve, überholt auf der langen Geraden im Zickzackkurs die Konkurrenten und fightet sich an die Spitze des Feldes. «Spektakuläres Manöver von Vonlanthen! Der Schweizer übernimmt die Führung!», tönt der Kommentator aus den Lautsprechern. Jubel bei den 20 000 Autosport-Fans auf der Tribüne. Faszination Autorennen wie in den Pionierzeiten beim Anblick der tollkühnen Männer in ihren brüllenden Kisten!

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Vom Buurebueb zum Pionier des Schweizer Autorennsports. Jo Vonlanthen ist ein bescheidener Held, aber im Formel-1-Geschäft hoch angesehen. Zu seinem Geburtstag steuerter seinen Boliden nochmals über die Rennstrecke.  
Im Mittelpunkt: Jo Vonlanthen

In seiner Heimat dank seiner zurückhaltenden Art eher eine stille Eminenz, ist er in der internationalen Grand-Prix-Welt eine hochgeachtete Legende. Nach dem Rennen reihen sich Dutzende Autogrammjäger vor seinem Truck ein, um eine Unterschrift zu ergattern. Respekt und Ehrfurcht werden ihm zuteil. Denn nur wenige seines Jahrgangs haben die wilden Zeiten des Autorennsports überlebt. Noch weniger blicken auf ein so bewegtes Leben zurück wie der Freiburger, der heute im Tessin lebt.

Jo Vonlanthen 2022 fährt auf dem Hockenheimring

Der Rennanzug passt wie in jungen Jahren: Jo Vonlanthen ist auch mit 80 Jahren noch fit und schlank.

Thomas Buchwalder

Aufgewachsen in St. Ursen als Sohn einer Bauernfamilie mit neun Kindern, wird ihm das bescheidene Landleben in die Wiege gelegt. «Mit zehn Jahren lernte ich zu arbeiten», so Jo. «Morgens und abends habe ich die Kühe gemolken, ich hatte keine Ahnung, dass es so etwas gab wie Autorennen. Wir hatten ja nicht einmal einen Traktor!» Der ältere Bruder übernimmt den elterlichen Hof. Darum beginnt Jo eine Lehre als Automechaniker. Ein berühmter Kunde: der Schweizer Rennfahrer Jo Siffert.

Die Faszination für Tempo, Technik und Traumautos packt den Bauernsohn und lässt ihn nicht mehr los.«1966 fuhr ich mit einem Fiat 850 erstmals auf dem Hockenheimring und merkte, dass ich eine gewisse Begabung habe», erinnert sich Jo. Ein Jahr später bestreitet er mit dem «geklauten» Auto seiner Schwester heimlich sein erstes Bergrennen. 1969 macht er auf dem Hockenheimring seine Rennlizenz – nicht ohne Hindernisse: «Bei der ersten Kurve hielt ich plötzlich das Steuer mit dem Lenkstock in der Hand und donnerte in die Abschrankung. Der Mechaniker hatte vergessen, die Arretierschraube anzuziehen.» Während seine Mitstreiter Trainings absolvieren, schweisst Jo seinen Rennwagen wieder zusammen. Als er tags darauf seinen Instruktor Xavier Perrot fragt, ob er wieder mitfahren dürfe, antwortet dieser: «Ja, aber du kriegst keine Rennlizenz, da du beim Training fehltest.» Jo ists egal. Hauptsache, Rennen fahren! Beim freien Training ist er der Schnellste – und erhält seine Lizenz.

«Ich habe Kühe gemolken und hatte keine Ahnung von Autorennen»

Rennfahrer-Legende Jo Vonlanthen
Jo Vonlanthen 2022 fährt auf dem Hockenheimring

Liseli und Jürg Steiner helfen Jo seit 20 Jahren als Chauffeure und Vorbereiter seiner Rennautos.

Thomas Buchwalder

Mit einem Tecno wird Jo 1972 Schweizer Meister der Formel 3, 1973 Dritter beim GP von Rom in der Formel 2, und 1975 zeigt er beim GP in Estoril sein Talent als Regenspezialist. Bis wenige Runden vor Schluss liegt Vonlanthen in Führung, muss sich dann aber Jacques Laffite geschlagen geben, weil er nicht auf Slicks wechseln kann – er hat nur einen Mechaniker dabei! Rennstallbesitzer Frank Williams aber wird auf den kleinen Schweizer mit dem grossen Talent aufmerksam. Als wenig später beim GP von Österreich der Amerikaner Mark Donohue beim Training tödlich verunglückt, fragt Williams Vonlanthen, ob er den Circuit kenne und für seinen Stall einspringen möchte. Jo zögert keine Sekunde: «Ja, klar!», sagt er – obwohl er weder den Rundkurs kennt, noch je ein Formel-1-Auto gefahren ist.

Der Autorennsport ist damals noch kein Millionengeschäft. Er fordert Mühen, Entbehrungen, Improvisation – und Todesopfer! Wie hat Jo Vonlanthen die Zeit der wilden Racings bloss so unbeschadet überstanden? «Mit Glück und Vorsicht», sagt er. «Ich gab meistens erst Vollgas, wenn ich Strecke und Auto gut kannte.» Vor- und Weitsicht lassen ihn das Formel-1-Abenteuer auch wieder frühzeitig beenden: «Du bist 35, bekommst nur minderwertige Autos», sagt sich Jo auf dem vermeintlichen Höhepunkt seiner Karriere. «Hinterherfahren, und irgendwann beisst du noch ins Gras – da hörst du lieber auf!»

Jo Vonlanthen mit Bernie Ecclestone

Vonlanthen (r.) 1975 mit Formel-1-Boss Bernie Ecclestone und Argentiniens Rennlegende Carlos Reutemann (l.).

Privatarchiv Vonlanthen

Mit dem Geld, das er in den Rennen verdient hat, eröffnet er 1976 in Frauenfeld eine eigene Garage. Als Werbemassnahme veranstaltet er Autogrammstunden und Anlässe mit Rennwagen. Das Interesse des Publikums ist gross, und weil er die Chefs aller Rennställe persönlich kennt, lassen sich die Autos einfach organisieren. Erst mietet er die Boliden, dann kauft er sie. So wird Jo Vonlanthen, der Bauernbub, zum Besitzer einer der grössten Formel-1-Autosammlungen der Welt, die er bis heute für Ausstellungen in ganz Europa und bis nach Asien vermietet. Darunter finden sich auch unbezahlbare Exemplare wie Michael Schumachers Weltmeister-Ferrari 310 oder der John-Player-Special-Lotus von Ayrton Senna.Transport und Unterhalt der Autos sind sehr aufwendig. Darum hat Jo für sie ein bleibendes Zuhause gesucht. Bei Ex-Töffrennfahrer Markus Bösiger, dem Erbauer des spektakulären Hotels Meilenstein in Langenthal, wurde er fündig: Seine Formel-1-Sammlung füllt da eine ganze Etage. «Mein schönstes Geburtstagsgeschenk!», so Jo. 

Von Zeno van Essel am 5. Juni 2022 - 18:09 Uhr