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Burnout bei Spitzensportlern, Teil 1

Jonas Baumann: «Mein Tiefpunkt war im Frühling 2017»

Sie sind fit, ehrgeizig, erfolgreich. Und sie litten an Erschöpfung, Burnout, Depressionen. Die Langläufer Jonas Baumann und Laurien van der Graaff sowie Biathletin Elisa Gasparin erzählen, wie sie sich verrannt und den Weg zurück in die Spur gefunden haben.

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Jonas Baumann

Jonas Baumann erkannte, das er an einer Erschöpfungsdepression litt und holte sich Hilfe. Er hat sich aus dem Nebel zurück ins Leben gekämpft. 

Christoph Köstlin

Alles um mich herum war nur noch dumpf und grau. Ich war antriebslos, leer, energielos. Ich spürte keine Emotionen mehr. Ich habe mich sozial isoliert, war die meiste Zeit zuhause, bin rumgelegen, habe viel gelesen. Vielleicht zum Abtauchen in eine fiktive Welt, als Flucht aus meiner eigenen. Das war an meinem Tiefpunkt im Frühling 2017. Ich litt an einer Erschöpfungsdespression, wie ich später herausfand.  

Ich war antriebslos, leer, energielos. 

 

Ich hatte damals gerade die Saison abgeschlossen. Die WM zum Saisonende lief erstaunlich gut, ich erreichte im Skiathlon das beste Ergebnis meiner Karriere. Doch so richtigen freuen konnte ich mich darüber nicht. Körperlich habe ich wohl noch funktioniert – weil ich musste. Doch mein Kopf konnte schon lange nicht mehr.  

Jonas Baumann of Switzerland reacts after the men's 15 km free style race at the Davos Nordic FIS Cross Country World Cup in Davos, Switzerland, Sunday, December 16, 2018. (KEYSTONE/Gian Ehrenzeller)

Seinen Tiefpunkt erreichte Jonas Baumann im Frühling 2017.

Keystone

Bereits während der Saison begannen die Probleme. Zuerst war ich verletzt, dann hatte mehrmals krank, ich lief ständig meiner Form hinterher. Mit der Zeit wurde ich immer rastloser, meine Gedanken kreisten ununterbrochen, ich litt unter Schlafproblemen. Und am Morgen kam ich jeweils kaum aus dem Bett. Eine Pause einzulegen kam für mich aber nicht infrage. Ich zog das Training durch, dazu hatte ich eine Prüfungsphase in meinem Studium, die mich stark forderte. 

Ich setzte mich extrem unter Druck.

Ich setzte mich extrem unter Druck, alles zusammen zu schaffen. Denn ich bin sehr ehrgeizig und pflichtbewusst. Und im Spitzensport muss man sich quälen und will keine Schwäche zeigen. Genauso war es für mich als Profiathlet auch normal, manchmal erschöpft und müde zu sein. Doch meine heutige Frau Jessica merkte, dass diesmal etwas anders ist, dass etwas nicht stimmt. Sie riet mir, die Saison abzubrechen.  

«Du bisch dure!» Doch ich hörte nicht auf sie, dachte, das schaffe ich schon irgendwie. Besorgt durch meine Teilnahmslosigkeit am Leben ermutigte sie mich Ende Saison, Hilfe zu suchen. In meinem Innern wusste ich, dass sie recht hat. Ich bat meinen Vertrauensarzt und einen Sportpsychologen um Hilfe. Sie rieten mir, eine Auszeit zu nehmen. Ich reiste für ein paar Tage nach Malta – alleine.  

 Jonas Baumann Bournout Sportler

Jonas Baumann brauchte Zeit für sich selbst. 

Dominik Meier

Genützt hat es nichts. Danach suchte ich psychiatrische Betreuung auf. Die Therapie, anfangs auch begleitet durch pflanzliche, stimmungsaufhellende Mittel, dauerte ein halbes Jahr an und brachte mich wieder auf den richtigen Weg. 

Ich habe einen anderen Blick auf den Sport.

Heute bin ich gesund – und habe einen ganz anderen Blick auf den Sport und aufs ganze Leben. Wahrscheinlich auch, weil ich vor kurzem Vater geworden bin. Das relativiert vieles. Mein eigenes Wohlbefinden und auch die sportlichen Resultate rücken plötzlich in den Hintergrund. Meine Gedanken kreisen sich nun darum, ob es meiner Frau und unserer Tochter gut geht.  

Doch ich bin mir schon bewusst, dass ich mich selber nicht vergessen darf, um nicht wieder in die gleiche Falle zu tappen. Denn wenn man einmal eine Depression hatte, ist man grundsätzlich gefährdet. Auf der anderen Seite bin ich und mein Umfeld sensibilisiert. So konnten wir auch schon einen Rückfall früh erkennen. Ich hatte zwar das Pensum meines Studiums reduziert, doch als wieder Semesterprüfungen anstanden, war ich dennoch wieder auf der Kippe.  

 Jonas Baumann Bournout Sportler

Seine Familie gibt dem Spitzensportler Kraft. 

Dominik Meier

Ich hatte an den Abenden keine Motivation mehr, etwas zu unternehmen und habe mich wieder sozial abgeschottet und nicht mehr kommuniziert. Erneut war es meine Partnerin, die das sofort erkannte und ansprach. Deswegen habe ich nun einige präventive Massnahmen getroffen: Ich trainiere öfters in der Heimat. Um bei meiner Familie zu sein, die mir Kraft gibt.

Das heisst nicht, dass ich weniger hart trainiere.

Und weil mir die langen Trainingslager vor dem Saisonstart im Norden wegen dem fehlenden Licht noch nie gutgetan haben. Und ich traue mich, öfters auch mal Nein zu sagen. Ich erlaube mir auch, ab und zu ein Training auszulassen, wenn ich zu müde bin. Das heisst nicht, dass ich weniger hart trainiere. Im Gegenteil. Ich kann mich heute wieder richtig an die Grenzen bringen.  

Ich kann einerseits die extrem harten Einheiten schätzen, wenn jeder Muskel und die Lunge brennen. Andererseits empfinde ich wieder die natürliche Freude am Langlaufen, die mich als Kind zu diesem Sport brachte. Und ich kann die Schönheit der Natur wieder sehen, wenn ich trainiere. Das Leben ist wieder farbenfroh, ich spüre die positiven und negativen Emotionen wieder.  

Jonas Baumann

Er empfinde inzwischen wieder die Freude am Langlaufen, die ihn als Kind schon für den Sport begeisterte. 

Christoph Köstlin

Mit meiner Krankheit gehe ich offen um. Denn ich glaube, es hilft, das Thema zu enttabuisieren. Die Menschen zu sensibilisieren, sei es im Spitzensport oder auch sonst in der Gesellschaft. Manchmal kommen Eltern oder andere Athleten auf mich zu und fragen mich nach Rat, manchmal auch Trainer. Ich erzähle dann gerne von meinen Erfahrungen, auch wenn jede Situation individuell ist. Meine Message und Erkenntnis: Das allerwichtigste ist der Mensch – erst dann kommt der Sportler. 

 

Lesen Sie hier die weiteren Teile der Serie «Burnout bei Spitzensportlern»:

Von Christian Bürge am 27. Dezember 2019 - 16:00 Uhr