«Beflügelt. Erleichtert. Zufrieden. Diese Schlagwörter beschreiben mich gerade ziemlich genau», sagt Julian Koechlin (32) und lächelt spitzbübisch, während er auf dem Pisoni-Brunnen neben dem Basler Münster balanciert. Der Schauspieler ist angekommen – bei sich und in seiner Heimat. «Zurück zu sein, ist ein wundervolles Gefühl. Es fühlt sich vertraut an und löst Sicherheit in mir aus. Ich weiss, dass ich hier Menschen um mich habe, die ich jederzeit anrufen und um Hilfe oder Rat bitten kann.»
Mit zarten 18 Jahren zieht es ihn für die Schauspielausbildung zunächst nach Bern, ehe er in die deutsche Kleinstadt Aachen auswandert, um sein erstes Theaterengagement wahrzunehmen. In dieser Zeit lernt er auch die französische Sopranistin Suzanne Jerosme (33) kennen und lieben. Doch seit einigen Monaten ist Schluss. «Wir haben uns beide in den letzten viereinhalb, fünf Jahren entwickelt – halt einfach in verschiedene Richtungen. Das haben wir beide eingesehen und uns deshalb entschieden, künftig als Freunde durchs Leben zu gehen», erklärt Julian mit ruhiger Stimme und führt aus: «Klar gab es zu Beginn Herzschmerz. Aber inzwischen funktioniert es hervorragend. Wir telefonieren täglich miteinander und kümmern uns abwechselnd um unsere beiden Kater Alfred und Gustave.» Auf dem Weg zur Rheinfähre stellt er klar: «Eine neue Liebe gibt es nicht. Zumindest noch nichts Spruchreifes.»
Ohnehin liegt der Fokus von Julian Koechlin gerade auf seiner Karriere. So läuft seit dem 13. Oktober die Fortsetzung des SRF-Serienhits «Neumatt», für die er wieder in die Rolle von Michi Wyss geschlüpft ist. Der Charakter des aufgekratzten und erfolgreichen Unternehmensberaters, der unermüdlich versucht, den hoch verschuldeten Familienhof zu retten, hat ihn schweizweit bekannt gemacht. Ob ihm dies in der dritten und finalen Staffel endlich gelingt, verrät er nicht. Nur so viel: «Es ist ein sehr gelungenes Ende.»
Dass damit auch seine bisher grösste Rolle endet, stört den Basler nicht. «Das mag uninspiriert klingen, ist aber wirklich so: Es war zuletzt gerade am schönsten, weshalb ich froh bin, dass es nicht erzwungen weitergeht.» Koechlins Blick folgt dem Rhein. Plötzlich wirkt er nachdenklich und gesteht leichten Frust. «Ehrlicherweise habe ich mir nach einem derartigen Publikumserfolg deutlich mehr Rollenangebote erhofft – vor allem auch, seitdem die Serie auf Netflix zu sehen ist», klagt er. Dass «Neumatt» auch im Ausland Anklang findet, zeigen ihm die Instagram-Nachrichten. «Verrückt, wie viele Leute mir insbesondere aus Südamerika und Frankreich schreiben.»
Doch Trübsalblasen gibts bei ihm nicht. Julian zieht Motivation aus einem weiteren Projekt. Dem Schauspieler ist nämlich erstmals der Sprung auf die deutsche Kinoleinwand gelungen. Im Historiendrama «Münter & Kandinsky» verkörpert Koechlin den Künstler Paul Klee (†60). «Eine anspruchsvolle Rolle! Es ist schwierig, eine Person darzustellen, wenn man keine Videos von ihr hat und sich Mimik und Gestik nicht auf diesem Weg aneignen kann. Für die Vorbereitungen habe ich private Briefe von Klee gelesen und seine Porträtbilder studiert.» Darüber hinaus hat er sich intensiv mit seinen Werken auseinandergesetzt. Das hat sein Interesse für die Malerei vertieft. «Kunst wirkt beruhigend und regt zum Nachdenken an. Das gefällt mir. Deshalb habe ich mir fest vorgenommen, selbst mit Aquarellen zu beginnen.»
Familie als Rückhalt
Die ausgeprägte Kreativität ist dem Schauspieler in die Wiege gelegt worden. Sein Vater war als Kommunalpolitiker einst Basels Kulturchef, die Mutter ist Sozialarbeiterin und Therapeutin. «Bereits als Kind habe ich Schattentheater gemacht, viel gebastelt und mich so künstlerisch ausgetobt», erinnert er sich. Dies bestätigt auch Bruder Luca (35), der Julian an diesem Tag zum Abendessen eingeladen hat: «Dass sich mein Bruder eines Tages in diesem Berufsfeld austoben würde, hat niemanden verwundert. Er war an allen Familienfesten der Unterhalter.»
Während der 35-Jährige Oberarzt und Herzchirurg am Basler Universitätsspital ist, lässt sich die Schwester Lenya (29) zur Gynäkologin ausbilden. «Zwischen uns Geschwistern herrscht Faszination und Respekt für die Berufe und Leben der anderen. Die Wahl wird nicht gewertet. Ganz im Gegenteil. Wir unterstützen uns in allen Belangen», sagt Julian. «So ist es», ruft Luca bestätigend aus der Küche. Der Schauspieler hebt sein Weinglas: «Wir sind alle in komplett unterschiedlichen Welten unterwegs, und doch dürfen wir stolz und zufrieden damit sein, was wir bisher erreicht haben. Das ist etwas, das uns niemand nehmen kann. Prost!»
Bevor sich Julian seiner beruflichen Zukunft weiter widmet, gönnt er sich eine Auszeit. Als «Lonely Wolf» will er einen Roadtrip durch Portugal machen. Koechlin weiss, wie er die Balance in seinem bewegten Leben halten will.