Julie Meletta (30) aus Bellinzona singt auf Französisch, der Sprache ihrer Mutter. Die Singer-Songwriterin liebt Optik und Leichtigkeit der frühen 1970er-Jahre und ist damit sehr erfolgreich.
Ihre leichtfüssige Musik täuscht, denn die Songtexte sind eher düster. So auch auf der diesen Monat veröffentlichten Konzept-EP AmarcŒur. Der Name ist eine Wortschöpfung aus italienischem Dialekt und Französisch und bedeutet «mein Herz erinnert sich».
Was ist Ihr Traum?
Julie Meletta: Oh, jetzt müsste ich sagen, einen grossen Hit zu schreiben, im Kultlokal Olympia in Paris aufzutreten oder etwas Ähnliches. Tatsächlich träume ich aber davon, so etwas wie inneren Frieden zu finden. Ein Gleichgewicht, ein Zustand, den weder sehr gute noch sehr schlechte Nachrichten erschüttern. In meinem Umfeld gibt es solche Leute, und das bewundere ich sehr.
Worauf sind Sie stolz?
Auf das bisher Erreichte, klar. Ich bin aber selbstkritisch, und Stolz scheint mir nicht ganz angebracht. Ich bin stolz auf uns alle, weil ich sehe, dass sich in der Welt doch grad einiges verändert. Die Gesellschaft scheint mir offener. Es ist eine höhere Bereitschaft da, über Themen zu diskutieren, Tierrechte und Feminismus etwa. Oder – was mich persönlich betrifft – die Präsenz von Frauen in der Musikbranche.
Was motiviert Sie?
Meine Niederlagen, Fehler, Dinge, die nicht so liefen, wie ich mir das gedacht hatte. Rückschläge sind meine grösste Motivation. Dann versuche ich, es nochmals, aber besser zu machen. Nachdem der erste Frust über ein Versagen verdaut ist, natürlich.
Was bremst Sie aus?
Ebenfalls Niederlagen. Das klingt vielleicht widersprüchlich, aber es ist so. Zuerst hadere ich eine Weile. Dann rapple ich mich auf und gebe Gas.
Was bereuen Sie?
Als Teenager hätte ich gern Gitarre gespielt. Bloss kannte ich an meinem Gymnasium kaum jemanden, der ein Instrument spielte oder sogar in einer Band war. Auch meine Freundinnen fanden meinen Wunsch komisch. Heute klingt das in meinen Ohren wie aus einem anderen Universum, und ich wünschte, ich hätte früher auf meine innere Stimme gehört und angefangen, Musik zu machen, statt sein zu wollen wie alle anderen.
Was macht Sie aussergewöhnlich?
Das kann ich nicht von mir selber sagen. Ich finde, das müssen andere beurteilen, denn ich versuche ja nicht zwanghaft, anders zu sein, sondern einfach ich selbst. Ich bin ehrlich und authentisch. Wenn andere in mir etwas Aussergewöhnliches sehen, umso besser. Wenn nicht, tant pis, dann halt nicht.