Pünktlich erscheint Laura Matter zum Interviewtermin, der – wie könnte es auch anders sein – per Videokonferenz stattfindet. Gespräche via Bildschirm sind Laura Matter längst vertraut. Noch mehr: Sie macht ein Geschäft daraus. Die Winterthurerin hat das Start-up noii.ch (angelehnt ans italienische «noi» für «wir») entwickelt, welches Menschen per Speeddating verkuppelt. Vor allem in Videochats, aber auch in Offline-Events mit physischen Begegnungen. In kleinen Gruppen lernen sich die Singles kennen. Danach schreiben sie die Geschichte selbst weiter. Mittlerweile sind 12'000 Menschen auf der kostenlosen Plattform registriert. Jene zehn Prozent der aktiven Nutzer, die den Service weitergehend beanspruchen, zahlen dafür monatlich.
Während der Pandemie wird Laura Matter klar, wie sehr ein Mensch Liebe braucht. Obwohl sie selbst in einer langjährigen Beziehung ist, stört sie die neuzeitige Kultur des Onlinedatings. «Es ist Normalität geworden, Menschen plötzlich nicht mehr zu antworten oder oberflächlich zu swipen.» Sie erarbeitet neben ihrem Vollzeitjob in einer Werbeagentur ein «anderes» Onlinedating-Konzept, kündigt ihre Anstellung dann kurzerhand. Von ihrer Idee – Menschen samt Mimik, Gestik und Stimme kennenzulernen, ohne viel Zeit zu verlieren – ist sie überzeugt. Sie meldet sich für ein 100-tägiges Programm an, bei dem wildfremde Menschen zusammen wohnen und gemeinsam an Projekten tüfteln – in diesem Fall an ihrem. Das Abenteuer fordert eine Portion Mut. «Wie das Speeddating.» Oder die Offline-Events, welche die Jungunternehmerin ebenfalls veranstaltet. Etwa ein Speeddating auf dem Riesenrad am Albanifest in Winterthur oder an einem Skilift in Davos.
Ursprünglich seien solche Aktionen Teil der Marketingstrategie gewesen. «Mittlerweile machen wir sie auch aus Eigeninteresse, weil es so Spass macht.» Besonders in Erinnerung bleibt ihr eine Teilnehmerin, die sich beim Nachtschlitteln verletzte, keinen Arzt sehen wollte und fröhlich mit den Singles von Bar zu Bar weiterzog. «Beim nächsten Event erzählte sie mir lachend, dass sie sich später tatsächlich operieren lassen musste.»
Mit 23 Jahren führt sie in ihrer Firma ein sechsköpfiges Team: zwei Mitgründer, drei Angestellte, die von der Ukraine aus arbeiten, und eine Praktikantin. Das funktioniere. Aktuell schreibt das Start-up noch rote Zahlen. «Das gehört am Anfang dazu. Alles läuft nach unserem Businessplan.» Bis jetzt wohnt Matter bei ihren Eltern. «Ein Privileg. Sie freuen sich, mich etwas länger bei sich zu haben.» Das Wissen, wie man als Geschäftsführerin agiert, eignet sie sich bei ihrem letzten Arbeitgeber an, der ihr viel Verantwortung übertrug, sowie bei ihrem Vater, selbst Unternehmer. Klar habe sie teilweise Selbstzweifel. Doch die Rolle als Amor sei es ihr wert. Schliesslich hätten sich dank noii.ch bereits über 60 Paare kennen-und lieben gelernt.