«Könnte 15 Minuten später werden», teilt Katja Stauber kurz vor dem Treffpunkt im Restaurant Chef George in Erlenbach ZH via SMS mit. Für die TV-Journalistin und Produzentin der «Tagesschau»-Hauptausgabe ist Pünktlichkeit normalerweise eine verinnerlichte Tugend. «In meinem Alter braucht das Schminken halt echli länger.» Am 23. August feierte das bekannteste ehemalige Gesicht der «Tagesschau» seinen 60. Geburtstag.
Katja Stauber, Sie haben ein locker-sommerliches Shooting gewünscht. Weshalb?
So hat man das Leben doch gern. Farben, viel Licht, etwas lesen, die Seele baumeln und den Blick übers Wasser schweifen lassen – das ist ein schönes Lebensgefühl. Und ich bin ein Sommerkind, obwohl ich persönlich eher Richtung Herbst unterwegs bin (lacht).
Sie spielen auf Ihr Alter an.
Darum gehts ja bei diesem Treffen. Wenn man, wie ich, sehr gesund ist, dann finde ich 60 wirklich ein Bombenalter. Die Zahl bekommt ja erst mit dem Gesundheitszustand Bedeutung. Also geht es mir prima, sehr sogar. Erstmals in meinem Berufsleben nehme ich dieses Jahr vier Wochen Sommerferien. Etwas gewöhnungsbedürftig.
Nichts, was Sie am Älterwerden nervt?
Natürlich ist man nicht mehr so knusprig wie mit 30. Aber ich habe Glück gehabt mit meinen Genen. Meine Mutter ist 78 und spielt noch Tennis. Das kann ich nicht mehr. Mit einem künstlichen Hüftgelenk ist das so eine Sache.
Die Sonne brennt, ab und an weht ein Lüftchen. «An meinem Geburtstag regnet es meistens», sagt Katja Stauber, die im deutschen Blomberg geboren ist. Nicht so dieses Jahr. Ihren 60. konnte sie gemütlich mit Gatte und «Tagesschau»-Moderator Florian Inhauser, 54, ihren Söhnen Andri, 27, und Jan, 24, sowie ein paar Freunden draussen feiern. Der Geburtstag ist zugleich auch der 14. Hochzeitstag. Nun gehts in die Ferien nach Südfrankreich. Stauber blickt auf den Zürichsee. «Früher war ich eine Wilde, wäre losgerannt und mit einem Köpfler in den See gesprungen. Das Spektakel möchte ich jetzt niemandem zumuten.»
Was dachten Sie als Kind, was aus Ihnen wird?
Jus fand ich immer spannend und studierte es bis zum Bachelor. Ich sah mich als Jugendstaatsanwältin oder Verteidigerin. Aber dann kam der Journalismus. Auch wenn ich von dem eine allenfalls etwas zu romantische Vorstellung hatte: mehr Hollywood als Redaktionsstube. Mehr Flugzeug, weniger Bürostuhl.
Da waren Sie wohl zu optimistisch?
Bestimmt. Aber ein richtig toller Beruf ist es trotzdem. Auch wenn sich die Arbeitsbedingungen massiv verändert haben. Die goldenen Jahre im Journalismus sind definitiv vorbei. Und die Konkurrenz von Katzenfilmli ist gross.
«Ich sah mich als Jugendstaatsanwältin oder Verteidigerin. Dann kam der Journalismus»
Katja Stauber
Ist die «Tagesschau» emotionaler geworden?
Ich sagte von Anfang an, dass ich als Produzentin eine «Tagesschau» möchte, die für alle ist. Nicht nur Geopolitik, nicht nur Herr Putin und Herr Trump. Ich möchte am Schluss auch etwas Leichtes haben. In den bisher 130 Sendungen habe ich das bis auf einmal auch geschafft. Wir können nicht nur die Welt erklären. Etwas Versöhnung mit der Welt schadet nicht.
Sind Sie je der Weltlage müde?
Nie. Es gibt nichts Spannenderes. Die Welt ist ja nicht nur schwarz oder weiss. Obwohl: Als Trump gewählt wurde, trug ich damals zwei Tage absichtlich Schwarz. Aber eben: Die Welt ist nicht nur fürchterlich. Sie ist auch verblüffend, erstaunlich, wundersam. Und insgesamt sehr, sehr interessant.
Vermissen Sie den Blick in die Kamera?
Das habe ich mir vorher tatsächlich überlegt, aber nein, keine Sekunde. Ich habe keine Überdosis gehabt, aber eine Dosis, die gereicht hat.
28 Jahre führte Katja Stauber durch die «Tagesschau»-Hauptausgabe. Am 3. April 2020 war nach 2700 Ausgaben Schluss. Moderationskollege und Mann Florian Inhauser verabschiedete sie mitten in der Pandemie vom Bildschirm. «Dass der Rücktritt geschah, als Corona aufkam, war gut», sagt sie. «Ich hatte ganz andere Sorgen, etwa wie ich meine Mutter und meine Schwiegermutter schützen kann. Ich war nicht so wichtig.»
Gaben Sie mit der Moderation einen Teil von sich auf?
Das war kein Teil von mir, es war ein Job für mich wie jeder andere. Auch einer, um Geld zu verdienen. Ich denke, in jedem Beruf würde man nach 28 Jahren sagen, jetzt kann mal noch was anderes kommen. Will ich noch bis 64 oder 65 «uf Wiederluege» sagen? Das ist ja kein Hobby, sondern Routine. Und dann wurde der Job in der Produktion frei, den ich wollte.
Sahen Sie sich gern am TV?
Ich habe mich nie geschaut. Und ja: Nach 28 Jahren war es wohl schon der Job meines Lebens. Mit der Moderation der Hauptausgabe hängst du am Ende der Fahnenstange. Prestigeträchtig, sicherlich. Aber eben auch Routine. Da wohnte dem Ende doch ein gewisser Zauber inne (lacht).
«Das klingt jetzt fürchterlich alt, aber ich finde Tugenden wie Fleiss, Ehrlichkeit oder Pünktlichkeit wichtig»
Katja Stauber
Was war der Preis, diesen Job auszuüben?
Keine vier Wochen Ferien am Stück! Wer bei der «Tagesschau» arbeitet, ist 365 Tage im Jahr immer dran, auch an Weihnachten, Neujahr, Ostern. Mit Familie war das teilweise schwierig.
Dass Sie dadurch eine öffentliche Person waren, störte Sie nicht?
Ich gewöhnte mich daran, merkte es irgendwann gar nicht mehr. Im persönlichen Kontakt sind die Reaktionen auch meist positiv. Heute freue ich mich wohl noch mehr darüber als früher. Aber klar, die teilweise übergriffigen und natürlich stets anonymen Kommentare sind ein Grund, weshalb ich nicht auf den sozialen Medien bin.
Kommentare bezüglich Äusserlichkeiten?
Ja, immer. Was hat die für einen Lippenstift? Hat sie eine Falte mehr? Bei Männern ist das Äussere schon weniger ein Thema. Ist es schwieriger, als Frau am TV zu altern? Das glaube ich schon, was ein Irrsinn ist. Wieso sollte Franz Fischlin, der gleich alt ist wie ich, mit Falten schöner aussehen als ich? (Lacht laut.)
Ihr Mann wird nach Ihnen pensioniert. Wissen Sie, was Sie bis zu seiner Pension machen?
Ganz bestimmt nicht daheim mit dem Znacht auf ihn warten! Langeweile ist mir eher fremd. Und bei uns zu Hause ist das nächste Buch nie weit. Und vielleicht habe ich dann auch Enkelkinder! (Strahlt.)
Ihren positiven und optimistischen Charakter habe sie von ihrer Mutter, sagt Katja Stauber. «Ich weiss nicht, was negativ denken bringen soll. Verstellen mag ich mich auch nicht. Das ist mir zu anstrengend. Ich mag Fake gar nicht.» Ein weiterer Grund, weshalb sie nicht auf den sozialen Medien anzutreffen sei, «sondern lieber so richtig im Leben. Mit allem!»
Was ist bisher Ihre beste Erfahrung?
Mutter zu werden. Es ist das Erfül- lendste und Anstrengendste. Die bedingungslose Liebe erlebt man nur mit Kindern, mit keinem Partner. Aber als Mutter macht man sich immer Sorgen. Meine Mutter sagte erst kürzlich zu mir, ob ich nicht etwas Wärmeres anziehen wolle (lacht).
Leben Ihre Söhne noch daheim?
Nein, vergangenen Herbst ist auch Jan ausgezogen. Als Andri vor vier Jahren ging, wars ganz schlimm. Ich fühlte mich wie amputiert, als ob mir ein Arm oder Bein fehlen würde. Drei Monate lang ging das so. Jetzt freuen wir uns über ihre Besuche.
Was gaben Sie Ihnen mit auf den Weg?
Ich gebe immer noch! Wenn auch dezenter. Sie sollten gerecht, rechtschaffen und selbstbewusst sein. Und das sind sie geworden. Das klingt jetzt fürchterlich alt, aber ich finde Tugenden wie Fleiss, Ehrlichkeit oder Pünktlichkeit wichtig. Damit kommt man gut durchs Leben. Ein guter Mensch sein – was für eine Ansage! –, dann klappts schon.
Was war bisher Ihr einfachstes Jahrzehnt?
Das einfachste kommt jetzt, hoffe ich! Wenn die Kinder aus dem Haus sind und ihre Stabilität fürs eigene Leben gefunden haben, wirds schon einfacher.
Katja Stauber zündet sich eine Zigarette an. «Wenn ich was bereue, dann nur, dass ich mit 14 zu rauchen begonnen habe. So etwas Doofes!» Immerhin rauche sie seit drei Jahren elektrisch.
Gibts einen Leitsatz, nach dem Sie leben?
Es ist, wie es ist – oder wie Schopenhauer sagte: Das Schicksal mischt die Karten, und wir spielen. Eine durchaus faire Arbeitsteilung.
Haben Sie bisher gut gespielt?
Ich habe jedenfalls immer gern gespielt. Über die ausgeteilten Karten zu jammern, ist zwar normal, aber man verliert damit auch Zeit und die gute Laune. Das Beste aus etwas zu machen, ist doch viel befriedigender, als Träumen von Eltern hinterherzuhecheln. Nicht jedes amerikanische Kind kann US-Präsidentin werden.
Welchen Trumpf halten Sie noch in der Hand?
Hoffentlich ein Ass. Oder nein, ich möchte lieber eine Carte blanche für irgendetwas, von dem ich das Gefühl habe, dass es noch sein muss. Ich will unglaublich gern auf die Schären in Schweden. Oder mal im Lotto gewinnen. (Kramt in ihrer Tasche nach dem Schein.) Schweden soll ja teuer sein (lacht).