Köbi Kuhn, Sie lassen mit 75 Jahren Ihr Leben Revue passieren. Gehört Ihre Autobiografie mehr in die Kategorie Krimi, Drama, Komödie oder Lustspiel?
Es war ein Lustspiel! «Die schönste Nebensache der Welt», wie es so schön heisst, ist schnell zur Hauptsache geworden – Fussball stand stets an erster Stelle bei mir.
Schon mit drei haben Sie alles vor sich hergekickt, was nicht niet- und nagelfest war. Haben Ihre Eltern Ihre Leidenschaft gefördert?
Mein Vater Jakob Kuhn sen. hatte einst selbst Fussball gespielt im Kanton Zug. Er war ungemein stolz auf mein Talent. In ihm hatte ich grosse Unterstützung, aber auch durch meine Mutter, die dafür gesorgt hat, dass sich ihre Kinder entfalten konnten. Sie war sich nicht zu schade, das Haushaltsbudget durch Putzen oder Servieren aufzubessern.
Sie sind mit fünf Geschwistern im Zürcher Kreis 3 aufgewachsen. Ihr Kinderzimmer hatte keine Heizung, und die einzige Badewanne, die sich die Parteien im Mehrfamilienhaus an der Fritschistrasse teilten, stand im Keller. War dies ein Antrieb, es zu etwas zu bringen?
Natürlich war ich froh, meine Familie durch mein Gehalt finanziell unterstützen zu können. Geld oder Ruhm war allerdings nie meine Motivation. Mir ging es nur um das Spiel oder genauer: um das Siegen. Das mussten meine Gegenspieler wie auch die Mannschaftskollegen des Öfteren ausbaden, denn mein Temperament hatte ich in brenzligen Situationen nicht immer im Griff.
Das Siegen durften Sie als Spieler des FC Zürich und der Nationalmannschaft und während Ihrer Karriere als Trainer der Nati in vollen Zügen auskosten. Kamen dabei Familie und Freunde zu kurz?
In der Tat. Dessen sind sich ein Spitzensportler und sein Umfeld aber bewusst. Meine erste Frau Alice wusste, dass es bei mir nur eine Leidenschaft gab …
Nicht einfach, das als Ehepartnerin zu akzeptieren. Wollte Alice nicht die erste Geige spielen?
Alice genoss die Vorzüge, die uns meine Position brachte: Ich verdiente gut, wir unternahmen weite Reisen, hatten Privilegien. Sie war eindeutig der Boss daheim, ich ohnehin dauernd unterwegs. Wir waren ein super Team.
Für die Erziehung Ihrer gemeinsamen Tochter Viviane hatten Sie wohl auch wenig Zeit?
Ich habe mich bemüht. Unsere Tochter wurde im November 1971 geboren. Vor allem als sie noch sehr klein war, verbrachte ich jede freie Minute mit ihr, brachte sie in den Kindergarten, zum Arzt.
Schon in ihren Teenagertagen kam Viviane mit Drogen in Berührung. Was haben Sie als Vater dabei empfunden?
Zunächst wollte ich nicht wahrhaben, dass meine Tochter solche Probleme hat. In den 80er- und 90er-Jahren war es unter jungen Leuten irgendwie angesagt, Drogen zu konsumieren.
Wie haben Sie versucht, ihr zu helfen?
Am Anfang mit Gesprächen – sogar mit der Unterstützung eines Familientherapeuten. Viviane wollte sich weder an die geregelten Schulzeiten halten noch dem organisierten Tagesablauf folgen, den eine Lehre bedingt. Sie schlitterte immer weiter in diesen selbstzerstörerischen Sumpf. Sie hat mir vorgeworfen, ich hätte kein Verständnis für sie, sei immer weg gewesen. Sie glaubte, meinen Ansprüchen nie zu genügen. Dabei wollte ich einfach meine Tochter lieb haben. Sie hat mir oft versichert, sie werde sich bessern, habe alles im Griff. Und ich wollte ihr so gern glauben. Irgendwann musste ich kapieren, dass das naiv von mir war.
Lebensgeschichte
Köbi Kuhn & Sherin Kneifl: Die Autobiografie erscheint am 18. April 2019 bei Orell Füssli.
Zum vollständigen Buchauszug mit dem Kapitel über Tochter Viviane gehts hier.
Ihre Bekanntheit hat Ihnen viele Türen geöffnet. Für Ihre Tochter schien sie eine Last.
Diesen Eindruck mag man haben. Zwar konnte ich ihr durch mein breites Netzwerk zum Beispiel einmal einen Job bei der Fifa besorgen. Den schmiss sie allerdings nach wenigen Tagen wieder hin … Als sie wegen Beschaffungskriminalität im Gefängnis sass, beleidigten sie die Vollzugsbeamten: Sie mache mir Schande! Der mehrmalige Entzug, den ich ihr in einer privaten Klinik organisierte, nützte nichts. Zwar kam sie im Lauf der Jahre mittels einer Ersatztherapie – einem Mix aus Medikamenten – von Kokain und Heroin los. Vom Alkohol jedoch nicht.
Der führte letztlich zu Vivianes Tod am 14. Mai 2018. Wie geht es Ihnen heute mit diesem tragischen Verlust?
Ich spüre, dass ich diesen Schmerz nie mehr loswerde.
Kann Ihre zweite Frau Jadwiga Kuhn Sie stützen?
Sie ist mir eine grosse Hilfe, kümmert sich. Und vor allem versteht sie mich. Wir teilen die Freude und das Leid. Sie hat mich auch ermutigt, über die schwierigen Themen in meinem Leben zu reden. Wir wollen damit anderen zeigen, dass Probleme in jeder
Familie vorkommen. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt. Viviane hat mir oft gesagt, wie stolz sie auf mich ist. Das gibt mir Kraft, weiterzumachen.
Hier gibts exklusiv den Auszug aus der Autobiografie rund um den Tod von Viviane.