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Krankenkassenverbands-Chef

Martin Landolt hat die Prämien im Visier

Er mag schwierige Aufgaben: Als neuer Präsident von Santésuisse will Ex-BDP-Chef Martin Landolt das Image der Krankenkassen aufpolieren. In seinem Ferienhaus im Glarner Oberseetal verrät er auch, warum sein politischer Kompass nach links gedreht hat.

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Martin Landolt, Präsident Santésuisse, Ferienhaus/Jagdhütte

Mit Jagdhündin Kira, die «alles kann, aber nichts so richtig», ist Landolt ab Herbst wieder häufiger unterwegs.

Kurt Reichenbach

Zwei der Steinböcke, deren Trophäen einen auf dem Sitzplatz von Martin Landolts Jagdhütte anstarren, hat er selbst erlegt. «Das Alter der Tiere kann man an den ringförmigen Vertiefungen ihrer Hörner ablesen. Entsprechend lange und sorgfältig musste ich die Böcke beobachten.»

Die Jagd, sie ist mehr als ein Hobby für den 54-jährigen Glarner, der mit seiner Partnerin in Näfels lebt. «Die Jagd hat mich als Mensch und als Politiker geprägt.» So lernte er, zu warten, aufmerksam zu bleiben und im richtigen Moment «die Chance am Schopf zu packen».

Wie etwa dieses Frühjahr: Landolt, der vor der Fusion mit der CVP neun Jahre Präsident der BDP war, will 2023 aus der Politik aussteigen. «Ich geniesse es zwar, nur ein normales Mitglied des Nationalrats zu sein – doch ich wollte aufhören, solange es noch Leute gibt, die das bedauern», sagt er und lacht verschmitzt. Nach diesem Entscheid macht er sich auf Jobsuche und wittert seine Chance, als der Krankenkassenverband Santésuisse einen neuen Kopf an seiner Spitze sucht. «Ich wusste: Das passt.»

Martin Landolt, Präsident Santésuisse, Ferienhaus/Jagdhütte

Im Wohnzimmer der Jagdhütte checkt er seine Mails. «Früher gabs hier keinen Internetempfang. Das ist leider vorbei.»

Kurt Reichenbach

Rund einen Monat ist er nun im Amt – und wie jedes Jahr gönnt er sich eine Woche Ferien auf dem Sulzboden im Glarner Oberseetal. Sein Grossvater kaufte die rustikale Holzhütte inklusive Heugaden 1970, heute gehört sie Landolt. Der Strom kommt von Solarzellen auf dem Dach, einige der Wände hat der ehemalige KV-Lehrling bei der Glarner Kantonalbank und spätere Betriebsökonom selber getäfert. «Schon als Kind war der Sulzboden mein kleines Paradies.»

Ausser bei der Jagd oder beim Fischen läuft Landolt hier meist barfuss rum, trinkt Kaffee aus der Dose und wird von Nachbarn schlicht «Tin» genannt. Obwohl er in den Ferien mit seiner Partnerin, mit der er seit 13 Jahren zusammen ist, vor allem das «In-den-Himmel-Schauen und Nichtstun» geniesst, checkt er einmal am Tag die Mails. In rund einer Woche stehen Gespräche mit Gesundheitsminister Alain Berset zu den Arzttarifen an.

Martin Landolt, Präsident Santésuisse, Ferienhaus/Jagdhütte

«Einfach mal nicht reden, das mag ich.» Landolt geht gern fischen – es erdet ihn.

Kurt Reichenbach

Im Gegensatz zu seinem Vorgänger bei Santésuisse, SVPler Heinz Brand, sass Landolt, der bis 2013 als Berater der UBS fungierte, nie in der Gesundheitskommission. «Ohne Vorgeschichte dieses Amt zu übernehmen, empfinde ich als Vorteil.» Er sehe sich als Brückenbauer, der kritische Fragen stellt, aber auch zuhören kann. Das muss er auch, denn die Situation ist, wie er selber zugibt, «verkachelt». So sind Santésuisse und der Konkurrenzverband Curafutura seit der Spaltung vor neun Jahren chronisch zerstritten – was jegliche Reformpläne im Gesundheitswesen erschwert.

«Nach vielen ersten Gesprächen spüre ich aber: Der Wille, sich zu bewegen, ist da.» Hört man sich im Parlament um, trauen Landolt selbst politische Gegner viel zu: «Martin politisiert ohne Scheuklappen. Ich hoffe, er kann zu einer ehrlichen Problemanalyse im Gesundheitswesen beitragen. Können tut er es, mal schauen, ob er den Mut hat, sich durchzusetzen», sagt SP-Co-Chef Cédric Wermuth.

Landolt spürt den Druck – auch von den Versicherten. «Ich bin ja bekannt dafür, dass mich die schwierigen Aufgaben reizen», sagt er in Anspielung auf seine BDP-Vergangenheit. Er finde es auf jeden Fall einfacher, den Leuten im Herbst den Prämienanstieg zu erklären als eine Wahlniederlage. «Die Anstiege bei den Prämien haben klare Ursachen, für welche die Krankenkassen nicht direkt verantwortlich sind. Bei den Wahlniederlagen wusste ich selber, dass wir es teilweise vergeigt haben.»

Martin Landolt, Präsident Santésuisse, Ferienhaus/Jagdhütte

Martin Landolt hat drei erwachsene Töchter. «Sie machen mich zu einem reichen Menschen», sagt der ehemalige UBS-Berater.

Kurt Reichenbach

Einen wichtigen Realitätscheck geben Landolt seine drei Töchter Nina, 26, Sara, 24, und Vera, 21. Vor allem mit der Ältesten, die in Bern soziale Arbeit studierte und mit ihm eine WG teilte, könne er stundenlange Diskussionen führen. «Meine Töchter sind mit ein Grund, warum sich mein Kompass über die letzten Jahre in eine sozialere Richtung gedreht hat.» Natürlich spiele auch das Alter mit ein Rolle. «Als junger, ehrgeiziger Banker standen der Klimawandel und soziale Ungerechtigkeit nicht zuoberst auf meiner Prioritätenliste.»

Dass die Krankenkassen bei vielen Leuten kein gutes Image haben, ist Landolt bewusst. «Dabei sind wir nur der Überbringer der schlechten Nachricht.» Vielmehr sehe er die Krankenkassen als Konsumentenschützer, die gegen den Kostenanstieg kämpfen – etwa mit einheitlichen Tarifen. «Ich verstehe zum Beispiel nicht, warum eine Jahreskontrolle im Spital teurer sein soll als beim Hausarzt.»

«Man muss ehrlich sein zu den Leuten»

Allerdings müsse man auch sagen, dass ein Teil der Kosten gerechtfertigt ist. «Alle wollen ein immer besseres Gesundheitssystem. Das ist nun mal nicht gratis. Das ist, wie wenn sie einen Mercedes kaufen – und auch noch das teure Interieur.» Da nütze es auch nichts, wenn Berset wie in den letzten zwei Jahren die Prämien künstlich tief hielt, indem er die Kassen zum Abbau ihrer Reserven verdonnert habe. «Man muss ehrlich und fair sein mit den Leuten!»

«Komm, Kira, gehen wir fischen», sagt Landolt zu seiner zweijährigen Jagdhündin. Auf die Frage, ob er den Politbetrieb in Bern vermissen werde, schüttelt er energisch den Kopf. Besonders nicht die Session im September – mitten in der Jagdsaison. «Wer weiss, vielleicht gibts in Zukunft noch eine Ferienwoche mehr hier im Oberseetal.»

Jessica Pfister
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Text: Jessica Pfister am 20. August 2022 - 12:04 Uhr