25 Minuten. So lange dauert die Autofahrt von Corina Tomaschetts Zuhause in Zürich bis zum Kantonsspital in Baden AG. «Vor der Arbeit bin ich angespannt. Ich überlege mir, was mich erwartet, wie es meinen Kollegen geht und wie viele neue Gesichter ich im Spital antreffe.» Die ersten Antworten bekommt die 29-jährige Assistenzärztin, sobald sie durch die Glastüre der Notfallstation tritt. Sie sieht, wie viele Patienten im Gang warten und wie die Stimmung bei ihren Arbeitskollegen ist. Alles Indikatoren, die zeigen, wie streng ihr Dienst wird. Seit August 2019 arbeitet die Bündnerin auf der Notfallstation des Spitals im Aargau.
Das Blumengeschäft im Eingangsbereich hat das Kantonsspital neu in eine Corona-Teststelle umfunktioniert. Die Intensivpflegestation mit den Beatmungsplätzen wurde ausgebaut – ebenso wie die Notfallstation. «So wollen wir die Wege von Covid- und Nicht-Covid-Patienten im ganzen Spital konsequent trennen», sagt Corina Tomaschett und zeigt auf die Holzwände, die extra in der Notfallstation eingebaut wurden.
3 Minuten. So lange dauert es, bis Corina Tomaschett die Schutzmontur angezogen hat, um zu den Corona-Patienten zu gelangen. Über ihren weissen Kittel zieht sie einen gelben Schutzmantel an. Dazu kommen Handschuhe, eine Brille und ein Atemschutz.
«Die Masken tragen wir zurzeit immer. Wir müssen uns schützen, damit wir in den kommenden Wochen nicht ausfallen», sagt die Ärztin. In einer normalen Arbeitsschicht, die etwa zehn Stunden dauert, muss sie sich acht- bis zehnmal umziehen.
Ärztin zu werden, war schon immer der grosse Traum von Corina Tomaschett. «Mein Vater ist Hausarzt. Seine Praxis ist direkt neben dem Haus, wo ich aufgewachsen bin. Für mich war bereits sehr früh klar, dass auch ich den Menschen helfen möchte.»
Corina schloss das Staatsexamen 2015 ab. Dann reiste sie durch Zentralamerika, Bangladesch und auf dem Landweg von der Schweiz bis nach Kirgistan. Inzwischen wohnt sie mit ihrem Freund Stelios, 30, der als Kinderbetreuer arbeitet, und Kater Chili, 18, zusammen. «Auch privat halte ich mich an die Vorgaben des BAG. Ich bleibe zu Hause.» Kontakt mit ihren Freunden und der Familie in Graubünden hat sie momentan nur übers Telefon. «Bei mir ist das Risiko gross, dass ich mich früher oder später ebenfalls anstecke.»
Es ist ruhig im Kantonsspital Baden, die grosse Epidemiewelle ist noch nicht angekommen. «Wir unternehmen alles, um bereit zu sein.» Im Juni hätte Corina Tomaschett ihre Facharztprüfung, die hat sie aber verschoben, um arbeiten zu können. Viele geplante, aber nicht dringend notwendige Operationen sind abgesagt, weil Patienten nach einer OP oft auf der Intensivstation überwacht werden. «Diese Plätze wollen wir frei halten.» Zudem verschlingen Operationen viel Material. «Wir haben noch alles, was wir brauchen. Aber unser Chef erinnert uns jeden Tag daran, sorgsam mit Mundschutz und Handschuhen umzugehen.»
48 Stunden. So lange dauert es, bis das Ergebnis eines Corona-Tests vorliegt. «So ein Abstrich ist keine schlimme Sache, aber ziemlich unangenehm.» Weil die Viren sich im Nasen-Rachen-Bereich vermehren, müssen die Ärzte daraus eine Probe nehmen. «Dafür gehe ich mit einer dünnen Bürste durch die Nase bis ganz hinten im Rachen und streiche etwas von dem Schleim ab.» Über zwei Dutzend Mal hat Tomaschett das schon gemacht – immer in voller Schutzmontur. Die Kollegen aus dem Spitallabor untersuchen die Proben. Innert zwei Tagen erhalten die Patienten dann via SMS Bescheid, ob sie positiv oder negativ sind.
Wie lange es dauert, bis der grosse Ansturm Baden erreicht, weiss niemand. «Das Virus ist neu, vieles ist noch
gar nicht bekannt. Das verunsichert die Leute.» Immer wieder hört Corina Tomaschett falsche Informationen. «Etwa, dass Knoblauch gegen Corona hilft. Es hat zwar eine desinfizierende Wirkung, kann dem Virus aber leider nichts anhaben.»
Mit Blick auf Italien warten die Ärztinnen und Ärzte nun. «Wie hart uns die Corona-Welle treffen wird, wissen wir nicht.»
In den nächsten Wochen berichtet Corina Tomaschett in der SI von ihrer Arbeit im Kantonsspital Baden.