Ein wenig unheimlich ist sie schon, die Installation «Maman» von Louise Bourgeois. Wer unter der meterhohen Spinne aus Bronze steht, verspürt ein Gefühl von Gefangensein, Beklommenheit, leichter Panik. Die Künstlerin schuf 1996 mit «Spider» ein ikonenhaftes, streng limitiertes Werk. Bei Hauser & Wirth (die Galerie feiert 2022 ihr 30-Jahr-Jubiläum) lauert eines der kultigen Spinnenweibchen auf einen Käufer. Und siehe da: Für 40 Millionen Dollar findet die Grusel-Plastik auf Anhieb ein neues Zuhause. Es ist die bisher teuerste Skulptur einer Künstlerin, die je verkauft wurde.
Nach Corona ist vor Corona: Die «Private Days» lassen die Kassen so mancher Galerien klingeln. Viele Deals sind bereits besiegelt, da ist die Art Basel noch gar nicht geöffnet. Hoch im Kurs: die Kopfgeburten des deutschen Künstlers Georg Baselitz. Die Londoner Galerie White Cube verkauft das Werk «Hirtenkopf» für 5,5 Millionen Dollar. Thaddaeus Ropac erzielt für das Bild «X-ray lila» 1,38 Millionen Dollar.
«Der Markt hat sich überraschend gut erholt», sagt Messedirektor Marc Spiegler, der mit Bundesrat Alain Berset (er verlieh die Swiss Art Awards) zum Rundgang startet. Das überrascht auch Verleger Michael Ringier: «Die Preise sind absurd. Die Welt ist eine andere geworden», sinniert er und lässt sich vor einem Werk von David Salle ablichten – einem Maler, den er selber schätzt und sammelt.
Ist es nicht das, was zählt? Mehr Liebe und Leidenschaft statt Profit und Investment? Kurator Hans Ulrich Obrist kennt die Kunstmesse seit 1987. Schon damals flanierte er als Teenager durch die Hallen, liess sich von der Kreativität verzaubern. Der Direktor der Serpentine Gallery in London hat die spannendsten Dinge diesmal auf der Strasse entdeckt: «Der Art Parcours in der Altstadt, kuratiert von Samuel Leuenberger, ist fantastisch!»
Rekord! «Spider» von Louise Bourgeois ist das teuerste Kunstwerk einer Frau
Gross, grösser, endlos: Was an der Art Unlimited zu sehen ist, sprengt den Rahmen des Gewöhnlichen. Die XXL-Räume wurden von Herzog & de Meuron gestaltet, sie sind wie geschaffen für Riesenwerke, etwa das von Leonardo Drew. Hat hier ein Hurrikan gewütet? Nein, der Künstler hat die Einzelteile raffiniert zu einem Ganzen gruppiert. Sogar Nicole Stava, die mit ihrem Mann im tschechischen Bechyně ein historisches Schloss besitzt und die Kunstsammlungen der Familie betreut, muss passen: «Auch wenn mir das Werk wahnsinnig gut gefällt – den Platz dafür hätten wir nicht.»
70'000 Besucher pilgern durch die Kunstmesse, insgesamt sind 289 internationale Galerien aus 40 Ländern vertreten. Good News für das weibliche Geschlecht: Kunst von Frauen erzielt dieses Jahr Höchstpreise, und nicht wenige Künstlerinnen übertrumpfen zum ersten Mal ihre männlichen Kollegen. Zwei US-Flaggen der 2014 verstorbenen Elaine Sturtevant finden für drei Millionen Dollar einen Abnehmer. Star-Galerist Thaddaeus Ropac verkauft ein kleineres Werk mit demselben Motiv für 1,4 Millionen Dollar.
Wie schon im letzten Jahr herrscht an politisch, sozial und ökologisch motivierter Kunst kein Mangel. Am Stand der Basler Galerie von Bartha geben Vater Miklos und Sohn Stefan Einblick in die Entstehungsgeschichte von «Boil the Ocean». Der Schriftzug stammt vom Künstlerkollektiv Superflex. Die Botschaft: Die Meere kochen, und die Erderwärmung wird ihnen früher oder später den Rest geben.
Auch Garten-Magier Enzo Enea ist unter die Installationskünstler gegangen. Er hat vom Aussterben bedrohte Bäume im Innenhof platziert, umwickelt mit «verlorenen Fischernetzen». Ein weiteres Thema heisst «Entschleunigung». Bei Altmeisterin Tania Mouraud etwa streift man sich erst blaue Schlüpfer über und schlüpft dann durch eine winzige Tür in ihren weiss lackierten «Initiation Room No 2», wo Lichter mit Musik verschmelzen. Wer es schafft, vergisst den Kunsthype. Und wird wenigstens für ein paar Minuten auf sich selber zurückgeworfen.