Als Laura Meyer (43) in Hurghada an einem der ältesten Häuser vorbeiläuft, fühlt sich das wie eine Reise in die Vergangenheit an. Risse durchziehen die Fassade, der Verputz ist abgeblättert. Das kleine Häuschen steht seit etwa 40 Jahren, vorher gab es hier in der Arabischen Wüste nicht viel ausser ein paar Fischern.
Doch drumherum sieht es heute anders aus! «Hurghada hat einen unglaublichen Boom erlebt und ist enorm gewachsen», sagt die Chefin der Hotelplan Group. Die Stadt ist inzwischen das grösste ägyptische Tourismuszentrum am Roten Meer mit Hunderten All-inclusive-Hotelanlagen, modernen Spitälern, Shopping-Malls, Restaurants und allem, was dazugehört.
Laura Meyer ist für eine Geschäftsreise in Ägypten, denn das Land gehört in diesem Frühling zu den Top-3-Destinationen für Hotelplan – und das, obwohl 500 Kilometer entfernt der Krieg in Israel und Gaza tobt. Davon ist in diesem Ferienparadies nichts zu spüren. «Es ist sicher hier, die Grenze ist relativ weit weg», sagt die Touristikerin. «Aber letzten Winter kamen natürlich weniger Touristen. Trotzdem ist das Land bei uns beliebt. Ägypten ist nah, warm und bietet viele Möglichkeiten – von der Kulturreise bis zu den Badeferien.» Die Chefin der Hotelplan Group macht eine bis zwei Reisen im Jahr hierher. Dieses Mal für knapp 48 Stunden, in denen sie mehrere Unternehmer, Hoteldirektoren und Reiseveranstalter trifft. «Diese Trips sind für mich ein Privileg.»
Kein Plan für Hotelplan?
Anfang Februar hat Migros-Chef Mario Irminger bekannt gegeben, die Tochtergesellschaft Hotelplan Group verkaufen zu wollen. «Es war eine Überraschung. Auch für mich», sagt Laura Meyer. «Ich habe mir dann sofort überlegt: Wie geht es weiter?» Hotelplan ist der grösste Reiseanbieter in Schweizer Hand, 1935 initiiert von Migros-Gründer Gottlieb Duttweiler mit dem Gedanken, auch Familien mit kleinem Einkommen Ferienreisen zu ermöglichen. Eine Woche Tessin kostete damals etwa 65 Franken.
Letztes Jahr wuchsen die Einnahmen von Hotelplan um mehr als 20 Prozent auf über 1,7 Milliarden Franken. «Wir sind auf dem Level von 2019, vor Corona», sagt Meyer. Warum dann der Verkauf? «Das ist eine Frage für die Migros», sagt Meyer. Diese wolle sich gemäss Konzernleitung auf das Kerngeschäft konzentrieren und Hotelplan die Möglichkeit geben, sich ausserhalb der Migros entwickeln zu können.
Nach den Schlagzeilen seien viele Fragen aufgekommen, bei den Kundinnen und Kunden und bei den Mitarbeitenden. «Mir war wichtig, alle darüber zu informieren, dass sich vorerst nichts ändert. Reisen, die gebucht werden, solange die Hotelplan Group zu Migros gehört, finden statt. Das garantiert die Migros, und darüber bin ich sehr erleichtert.» Der erste Schock ist vorbei, nun sei sie zuversichtlich, was die Zukunft betreffe. «Ich will dafür sorgen, dass alles so gut wie möglich weiter läuft, ohne dass die Kundinnen und Kunden etwas merken.» Meyer hat viel Zuspruch bekommen. «Das motiviert mich.»
Mit dem Yoga-Mättli
In Hurghada trifft die Hotelplan-Chefin Bassel Sami Saad, den Vorsitzenden des Unternehmens Aldau Development mit mehreren Luxushotels in Ägypten und Grossbritannien. Er ist ein wichtiger Partner für den Schweizer Reiseanbieter. Der Verkauf von Hotelplan beunruhigt den ägyptischen Unternehmer nicht: «Firmen werden jeden Tag verkauft und gekauft. Wichtig sind die Menschen, mit denen ich zusammenarbeite. Ich vertraue Laura, sie ist direkt, zuverlässig und professionell. Alles andere interessiert mich nicht.»
Auf dem Dach des Hotels Steigenberger Pure Lifestyle versucht sich Laura Meyer kurz vor Sonnenuntergang im Air-Yoga. «Zu Hause mache ich regelmässig Sport. Ich jogge gern und habe immer mein Yoga-Mättli dabei», sagt die Zürcherin. Air-Yoga ist aber auch für sie neu. Sie hängt sich in die Tücher und schafft verschiedene Figuren – sogar kopfüber! «Sport ist extrem wichtig für mich, um abschalten zu können.» Ihre Freizeit verbringt sie am liebsten mir ihrer Familie. Mit ihrem Mann und den zwei Söhnen, sechs und acht Jahre alt, wohnt sie in Zürich.
Der Verkauf von Hotelplan soll gemäss Migros bis Ende Jahr über die Bühne gehen. Ob das Unternehmen als Ganzes oder in Einzelteilen ver-kauft wird, ist unklar. «Natürlich würden wir uns wünschen, dass Hotelplan als Gruppe weiterexistiert», sagt Laura Meyer. Ob die Firma weiterhin in Schweizer Hand bleibt, ist offen. «Es gibt sicher auch gute Lösungen mit ausländischen Partnern», sagt Meyer.
Wichtig sei aber, die Swissness beizubehalten. «Denn Schweizer machen anders Ferien als Deutsche, Franzosen oder Engländer. Ihnen ist die Qualität wichtig. Sie leisten sich auch mal eine gute Flasche Wein. Sie wollen das Land entdecken und verzichten oft auf All-inclusive-Angebote.» Dieses Jahr hoch im Kurs sind Inselhopping in Griechenland oder Reisen in den Balkan. «Ich verbringe meine Sommerferien mit der Familie in Albanien.»
Adieu, oranger Riese
Das Hotel Sultan Beach in Hurghada steht seit zehn Jahren leer. Die Scheiben sind eingeschlagen, die Zufahrt überwachsen. Unternehmer Bassel Sami Saad hat es gekauft, wird es renovieren und nächstes Jahr wiedereröffnen. «Hotelplan Group hat mitinvestiert», sagt Meyer. «Ich freue mich riesig auf dieses Projekt.» Es ist das erste dieser Art für die Gruppe. So kann der Reiseanbieter mitbestimmen, beispielsweise was die Grösse der Zimmer und die Höhe der Preise betrifft. «Mir war wichtig, dass wir besonderen Wert auf Nachhaltigkeit legen können.» Meyer ist das auch privat wichtig. «Ich bin oft mit dem Zug und dem Velo unterwegs.»
Zurück in der Schweiz, geht die Reise weiter – in Richtung Zukunft. «Es geht auch ohne die Migros.» Laura Meyer ist zuversichtlich. «Wir werden ein schönes neues Zuhause finden.»