Fährt man vom Aargau in Richtung Zürich, kommt man unweigerlich an ihnen vorbei: Die Hardau-Hochhäuser sind die höchsten Wohngebäude der Stadt. In den vier Türmen, die zwischen 20 und 31 Stockwerke hoch sind, wohnen über 1'000 Menschen.
Einer von ihnen öffnet uns an diesem grauen Wintertag freudestrahlend die Tür. «Willkommen in meinem kleinen kreativen Reich», sagt Sängerin Lina Button. Die 36-Jährige ist seit acht Jahren in der Wohnung im 8. Stock zu Hause. «Ich bin so ein Glückspilz, hier leben zu dürfen. Als ich sah, dass hier eine Wohnung frei ist, wollte ich eigentlich nur wissen, wie diese Türme von innen aussehen.» Als sie die 1,5 Zimmer dann betreten habe, war ihr klar: «Hier will ich wohnen!» Nur wenige Tage später hatte die «Hidden Land»-Sängerin den Mietvertrag in der Tasche.
Entstanden in den 1970er-Jahren, sollten die Hardau-Türme Einzelpersonen und älteren Menschen günstigen Lebensraum bieten. Mit der offenen Drogenszene am Platzspitz in den 80ern verschärfte sich auch die Situation in der Hardau. Das Quartier verslumte zunehmend und galt als gefährlich. Mit einer gross angelegten Auffrischung in den 90er-Jahren änderte sich das: Heute gehört das Quartier zu den beliebtesten Adressen der Stadt.
Lina Buttons Wohnung ist luftig, bunt und kreativ. Ein perfekter Spiegel der Singer-Songwriterin. Im Schlaf und Arbeitszimmer kleben Bilder an der Wand. «Die sind von mir. Ich habe ein Atelier hier in der Stadt. Wenn ich male, bin ich entspannt, positiv und glücklich. Ich hänge die Bilder hier auf, damit sie mir diese Gefühle jeden Tag wieder vermitteln.» Am grossen Fenster steht Buttons Klavier. Von hier aus blickt sie über Zürich bis hin zum Uetliberg. «Weil ich eine so tolle Fernsicht habe, fällt mir eigentlich nie auf, dass die Wohnung klein ist. Das Luftige, Offene inspiriert mich und gibt mir ein Gefühl von Freiheit.»
Fällt Lina Button doch mal die Decke auf den Kopf in ihrem kleinen Reich, dann hat sie einen Zufluchtsort. «Mein Freund wohnt in einer coolen WG an der Langstrasse. Dort ist es lebhaft und manchmal laut. So habe ich immer, was ich gerade brauche. Das ist wunderbar.» Diese Flexibilität ist einer der Gründe, warum das Paar noch nicht zusammen ziehen will.
«Für uns ist es perfekt so», sagt Button und fügt schmunzelnd an: «Ausserdem will ich mich echt nicht von meiner Wohnung trennen.» Während die Musikerin sanft die Melodie ihres neuen Songs «Who’ll Be Here» klimpert, reisst der Nebel auf und taucht den Raum in ein warmes Herbstlicht. «Ich habe nur in eine Richtung Fenster, das würde ich gerne ändern. Aber abgesehen davon ist es hier perfekt für mich. Wieder.»
Nach dem Erfolg ihres dritten Albums «Misty Mind» im Jahr 2015 brauchte Lina Button eine Auszeit. «Ich habe mich immer wieder mal nach Berlin abgesetzt. Mich bei allen abgemeldet und dort die Freiheit genossen. Nur darum fühle ich mich hier wieder daheim und konnte kreativ werden.» Ihr neues Album «Who’ll Be Here» entstand denn auch in Eigenregie — ohne Label, ohne Management. «Ich wollte mir die Zeit und den Raum nehmen, musikalisch Neues zu probieren. Auch wenn ich mehr Aufwand hatte, bin ich sehr glücklich mit dem Ergebnis und kann mir vorstellen, es wieder so zu machen.»
Die Thurgauerin kuschelt sich auf das kleine Sofa gegenüber der knallroten Küche. «Auf dieser Couch hat mich schon meine Mutter gestillt. Die bedeutet mir am allermeisten hier drin. Aber auch sonst habe ich viele kleine Dinge, an denen ich hänge.» Sie klappere leidenschaftlich gern Brockis ab und liebe es, ihr Zuhause mit den Errungenschaften zu verändern. «Ich stelle die Wohnung auch immer wieder um. Ich brauche diese Abwechslung.»
Der stetige Wandel macht Lina Buttons Wohnung zum Spiegel ihrer selbst und ihrer Musik. Lebhaft, luftig, kreativ und authentisch.