Eben angereist, steht Luc «Leduc» Oggier, 30, bereits im Finale. Es steht 2:2 im Ping Pong, noch ein Punkt fehlt. Dann macht Abbas, 10, aus Afghanistan einen Fehler. Luc aus Bern gewinnt. Kaum ist die erste Partie Rundlauf zu Ende, gesellen sich Lorenz «Lo» Häberli, 32, und sechs Jungs wieder an den Tisch. Die nächste Partie beginnt. Dieses Mal schafft es Lo unter die besten Drei – und Abbas zum Sieg.
Für einen Nachmittag sind die Musiker von Lo & Leduc zu Gast in den Rotkreuz-Ferien in Fiesch VS. Gemeinsam mit 58 geflüchteten Kindern aus 14 Krisen- und Kriegsgebieten, erleben sie Spass, Spiel und Sport. Seit vier Jahren organisiert das Schweizerische Rote Kreuz das Ferienlager für die 9 bis 13-Jährigen. Aus sechs Kantonen sind die teilweise traumatisierten Kinder angereist.
«Jeder von ihnen bringt einen Rucksack mit, doch hier bleibt er ungeöffnet», sagt Leduc. Der Berner kennt Fiesch und die Wichtigkeit von solchen Camps bestens aus seiner Kindheit. «Das Lager mit circa 600 Kindern aus der Stadt Bern war unzweifelhaft jeweils das Highlight des Jahres für mich. Ich würde sofort wieder zurück, wenn ich könnte.» – «Auf dieses Fiesch war ich immer eifersüchtig», so Lo, der knapp ennet der Stadtgrenze aufwuchs. Beide finden es schön, dass es dieses Projekt für geflüchtete Kinder gibt.
Nach Bratkartoffeln, Spinat und Hähnchen – für die beiden Veggis gibts eine Alternative – gehts zur Chorprobe. Üben für die spätere gemeinsame Performance ihres Mundarthits «079» steht auf dem Programm – auch auf Französisch!
Lo & Leduc teilen sich auf. Lo übernimmt die Westschweizer. «On va chanter le refrain en français maintenant. Seid ihr bereit?» Selbst aus dem prägnanten «Tüüt, tüüt, tüüt» wird «Biip, biip, biip». Schnell zeigt sich: die Kinder – alle sind seit mindestens sechs Monaten in der Schweiz – beherrschen die Sprache ihrer neuen Heimat bereits.
«Das heisst ‹plus› mit einem scharfen S», mahnt ein Kind Lo. Der Musiker dankt. «Es ist extrem, wie gut sie alle reden, besser als ich nach all den Jahren Schulfranzösisch. Ich werde konstant verbessert.» Eine gemeinsame Sprache zu beherrschen, sei definitiv ein Türöffner. «Genauso wie Sport, Spielen und Musik», so Leduc. «Von Kindern können wir Erwachsenen viel lernen, gerade was direkten Kontakt angeht. Die Situation normalisiert sich innert kürzester Zeit und wir sind alle gleich.»
«Junge, Junge», ruft Mudasir, 12, aus Somalia und stüpft Leduc am Ärmel. Eine Unterschrift auf seine Kappe möchte er haben, denn er findet, die Beiden machen «schon geile Musik.» Nebst Autogrammen interessieren die Kinder Fakten: «Auf welchen Sozialen Medien finden wir euch?» – «Wie viele Follower habt ihr?» «Die Kids sind sehr auf Zack», so Lo. «Ein kurdischer Junge zeigte mir ein Video seines Onkels, der Musiker ist und weit mehr Followers und Klicks hat als wir.»
Dann der Moment: «Jetzt zeigt sichs, ob wir gute Gesangslehrer waren», so Leduc. Die Westschweizer singen den Refrain laut mit, die Deutschschweizer kennen die Strophen ohnehin auswendig. Gemeinsam mit den Kindern und den 19 freiwilligen Helfern feiern Lo & Leduc den Erfolg vom zweisprachigen «079». «Integration ist ein grosses Wort, tönt auch immer zu stark nach Anpassung. Uns ist das Wort Teilhabe lieber. Wir haben alle am selben teilgenommen. Und so passiert viel viel Guets.»