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Nationalikone wird zur Horrorfilmfigur

Max Rüdlinger spielt den Bösewicht in «Mad Heidi»

Aus Gut mach Böse: Nationalikone Heidi wird Horrorfilmfigur, der gmögige Grantler Max Rüdlinger zum perfiden Sadisten. Im neuen Schweizer Streifen «Mad Heidi» darf der Schauspieler seine andere Seite zeigen. Endlich!

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Max Rüdlinger Mad heidi

Zufrieden: Dank elterlichem Erbe blickt Max unverzagt von seinem Rückzugsort – einem Gesindehaus bei Willisau LU – in die Zukunft.

Geri Born

Sein Gesicht kennt man in der Schweiz bestens, seinen Namen dagegen kaum. Für Schauspieler Max Rüdlinger braucht es einen Film der speziellen Art, um in das Rampenlicht zu gelangen, das ihm längst gebührte. Dank dem blutrünstigen Splattermovie «Mad Heidi» prangen Name und Konterfei Rüdlingers inzwischen sogar in der «Bild». Dazu titelt die Boulevardzeitung: «Horror-Heidi mordet sich jetzt durch die Berge». Es ist eine schräge Story, die mit der Geschichte vom kleinen Mädchen, wie man es aus Johanna Spyris weltberühmtem Roman kennt, rein gar nichts gemein hat. Max Rüdlinger spielt darin den sadistischen Kommandanten Knorr, der dem Geissenpeter mal eben so den Kopf wegpustet. Eine Rolle, die so gar nicht zum Bild passen will, das man von dem 73-Jährigen bisher hat. Wer also ist Schauspieler Max Rüdlinger wirklich?

Einst träumte Rüdlinger von Geld und Frauen, von Ruhm und Ehre. Als Akteur und Mime, der nie eine Schauspielschule besucht hat. Clemens Klopfenstein, Urgestein des Schweizer Films, engagiert Rüdlinger von der Strasse weg, verhilft dem gebürtigen St. Galler aus Flums zu ersten Rollen. Später spielt er über viele Jahre hinweg vor allem «subalterne Polizisten, grantige Hausabwarte und nörgelige Bünzlis». Etwa in «Achtung, fertig, Charlie!», «Mein Name ist Eugen» oder in der SRF-Erfolgsserie «Der Bestatter».

Max Rüdlinger Mad heidi

Poetisch: Rüdlinger liest viel und schreibt gern. Hunderte Bücher hat er in einem ehemaligen Schweinestall gelagert.

Geri Born

Viel Blut und ein bisschen Ruhm

Finanziell ist er nie auf Rosen gebettet all die Jahre, seine erste Frau lässt ihn über Nacht sitzen – und die für ihn bis heute höchste Ehre ist eine Nomination als «Bester Hauptdarsteller» 2006 beim Schweizer Filmpreis für seine Rolle in «Die Vogelpredigt oder Das Schreien der Mönche».

«Jetzt ist es zwar eine grössere Rolle, die ich spiele, und ich kann durchaus etwas von meinem Können zeigen. Aber als sogenannter Splatterfilm spricht ‹Mad Heidi› nur eine begrenzte Fangemeinde an», sagt Rüdlinger. Der Streifen mit exzessiver Darstellung von Gewalt und Blut läuft seit einer Woche in ausgewählten Arthouse-Kinos, freigegeben erst ab 18. Am Zurich Film Festival sahen 1600 Gäste die Produktion als «Special Screening» – und am Brussels International Fantastic Film Festival in Belgien wurde er im April gar mit dem prestigeträchtigen Publikumspreis ausgezeichnet.

Erfüllt sich jetzt im Alter von 73 Jahren der alte Traum Max Rüdlingers von Ruhm und Ehre? «Ich träume schon längst nicht mehr, sondern versuche, zufrieden zu sein mit dem, was ist», sagt er. Dass er keine Schauspielschule besucht hat, ist für ihn nebensächlich. «Entweder bist du ein Schauspieler, oder du bist es nicht! Das kann man nicht lernen.» Schon im Kindergarten mimt er im Krippenspiel den heiligen Josef, und bei der Weihnachtsvorführung im Altersheim bringt er «die schlafenden und röchelnden Alten in ihren Rollstühlen zum Schmunzeln»: «Ich habe die Gabe von einem der drei Könige, einen Käselaib, in mich reingefressen.» Beim Gedanken daran schmunzelt Max noch heute.

Mad Heidi film still

Blutig: Mit den idyllischen Heidi-Filmen hat «Mad Heidi» nichts am Hut. Doch die Provokation ist durchaus gewollt.

ZVG

Heidi im faschistischen Käseland

Um Käse gehts auch in «Mad Heidi». Die Story spielt in einer dystopischen Schweiz, deren Bevölkerung von einem grössenwahnsinnigen Herrscher und dessen faschistischem Käse-Imperium tyrannisiert wird. Mit einem neuen Superkäse, der hirn- und willenlos macht, baut er eine Käse-Zombie-Armee auf, die ihm die Weltherrschaft garantieren soll. Doch der Fiesling macht die Rechnung ohne den Alpöhi und Heidi.

Die Rolle als fieser Kommandant angelt sich Rüdlinger im Zürcher Bahnhofsbuffet. Dorthin bestellen ihn die Regisseure Johannes Hartmann und Sandro Klopfstein. «Ich ging hin in der Überzeugung, mich bewerben zu müssen. Umso überraschter war ich, als sie sagten, dass sie mich für die Rolle wollen.» Dass auf Englisch gedreht wird, ist eine weitere Überraschung für den Schauspieler. An 15 von 27 Drehtagen steht Rüdlinger in Burgdorf, Erlach, auf der Engstligenalp und im Freilichtmuseum Ballenberg vor der Kamera. Um den Film zu realisieren, spenden mehr als 500 Fans aus 19 Ländern durch Crowdfunding 2 Millionen Franken. Sie alle sollen, laut den Machern, am Einspielergebnis beteiligt werden. SRF ist als Co-Produzent mit einer Viertelmillion Franken beteiligt.

Mit seiner Gage ist Rüdlinger zufrieden. «Ich musste schon mit weniger Geld durchs Leben gehen», sagt er. «Gerettet hat mich das Erbe meiner Eltern.» Dank diesem kann er auch das ehemalige Gesindehaus eines alten Bauernbetriebs bei Willisau LU als Rückzugsort mieten.

Ob und wie erfolgreich «Mad Heidi» ist, wird sich zeigen. Für kontroverse Diskussionen sorgt der Stoff allemal. Im Johanna-Spyri-Museum in Hirzel ZH reagiert man aufgebracht auf eine Anfrage zu dem Splatterfilm. Ursprünglich sollte er «Heidiland» heissen, doch da machte die gleichnamige Ferienregion vorab ihre Rechte für die «geschützte Marke» geltend.

Max Rüdlinger Mad heidi

Stachlig: Max Rüdlinger, Rebell und Studienabbrecher, besuchte nie eine Schauspielschule.

Geri Born

Gewollte Aufregung

Dass die Empörung von den Filmemachern durchaus beabsichtigt sei, ist für Petra Schrackmann, ehemalige Lehrbeauftragte für Kulturwissenschaften an der Uni Zürich, nachvollziehbar. «‹Mad Heidi› hat ja nur sehr am Rand mit der bekannten Heidi-Geschichte zu tun. Der Film zeigt bloss das Setting in den Bergen und einige bekannte Figuren, die mehr als Wiedererkennungsgags vorkommen.» Ihrer Ansicht nach habe man sich mit Absicht Heidi ausgesucht, weil man sich als erster Schweizer Exploitationsfilm bewusst typischer Schweizer Klischees bedienen wolle. Zudem sei damit die Aufmerksamkeit der Medien gewiss, egal, ob positiv oder negativ. Wahrscheinlich provozierten die Macher bewusst, da mit Heidi normalerweise Tradition und Idylle verbunden seien, der Film aber brutal und übertrieben daherkomme. Schrackmanns Fazit: «Für die Zielgruppe Film- und Horrorfans ist es interessanter, wenn der ‹Durchschnittsbünzli› deswegen empört ist.»

Vor Jahren reagiert Max Rüdlinger empört aufs Angebot, ein Casting als Dorfpolizist für die Krimiserie «Wilder» zu absolvieren. «Wenn ihr mich nicht so haben wollt, wie ich bin, dann lasst es doch bleiben», lautet seine Antwort. Bereut hat ers nie. «Ich bin ausgesöhnt mit meinem Schicksal.» Wenngleich seine Berufskarriere schon etwas glamouröser hätte ausfallen können. «Aber da bin ich wohl nicht ehrgeizig genug!»

Von René Haenig am 2. Dezember 2022 - 10:19 Uhr