In diesen Tagen findet die Frauensession statt. Ich bin bei der Eröffnung dabei, vor mir im Nationalratssaal 246 Frauen aus allen Teilen der Schweiz, voller Power, auf dem Pult vor sich ihre Vorstösse für eine Schweiz, in der die Frauen ganz selbstverständlich mitbestimmen. Und in der auch die Männer sich bewegen.
Das Jubiläum zu 50 Jahren Frauenstimmrecht geht seinem Ende entgegen. Frauen eroberten das Rütli. Museen zeigten Frauengeschichte. In einer Lichtshow schritten Pionierinnen der Frauenbewegung über die Fassaden von Bundeshaus und Nationalbank. Wir erlebten grossartige Momente. Aber haben sie auch etwas in Gang gesetzt? Hat sich die Schweiz bewegt? O ja!
Erst war sie Berufspianistin, dann wurde Simonetta Sommaruga als oberste Konsumentenschützerin bekannt. Ab 2003 sass die SP-Politikerin im Ständerat, und mit ihrer Wahl in den Bundesrat waren 2010 erstmals vier Frauen gleichzeitig in der Landesregierung vertreten. Heute ist die 61-Jährige Verkehrsministerin. Simonetta Sommaruga ist mit dem Schriftsteller Lukas Hartmann verheiratet und wohnt in der Stadt Bern.
Junge Frauen haben teilweise zum ersten Mal gehört, dass ihre Grossmutter in ihrem Alter noch nicht abstimmen und wählen durfte. Viele hat es schockiert, dass Schweizerinnen ihre Bürgerrechte erst so spät und gegen so starken Widerstand bekommen haben. Es sind Studien publiziert worden, eine hat gezeigt, dass der Lohnunterschied schon beim Sackgeld anfängt: Mädchen bekommen 11 Prozent weniger – im Jahr 2021. Das hat aufgeschreckt. Und es hat mobilisiert. Frauen haben begonnen, wieder genauer hinzuschauen und sich über Rollenzwänge auszutauschen. Am Arbeitsplatz («verdienen wir eigentlich gleich viel wie unsere Kollegen?»), vor der Kita («warum rufen die eigentlich immer die Mama und nicht den Papa an, wenn das Kind krank ist?»), mit ihren Partnern.
Wir wissen nicht, wie viele Frauen dieses Jahr den Mut gefunden haben, sich um eine Chefposition zu bewerben, kühn hinzustehen und zu sagen: «Ich kann das und ich will das!» Aber jede Einzelne hat damit nicht nur ihr eigenes Leben verändert, sondern ins Steuer gegriffen und mitgeholfen, dass es mehr Kaderfrauen gibt, mehr gemischte Teams, mehr Lohngleichheit, mehr Respekt. Dass es endlich normal ist, Frauen und Männer als gleichwertig anzuschauen.
Wenn umgekehrt in Zukunft mehr Männer ernsthaft Hausmann- und Vater-Pflichten übernehmen, dürfen wir sagen: Ja, dieses Jahr hat die Schweiz bewegt. In eine gute Richtung für Frauen. Und für Männer. Und für Kinder. Aber es muss weitergehen.