Am Himmel fliegen blau gefiederte Aras über den Kopf von Marc Sway (44). Vor dem Musiker liegt die Weite des brasilianischen Sumpfgebiets Pantanal mit dem Rio Negro. Mit Gattin Severine (43) und den Töchtern Naomi (14) und Nahla (12) wagte er sich dort ins Wasser. Dass ab und an ein Kaiman-Augenpaar auftaucht, stört die Familie nicht. «Für uns Menschen sind sie ungefährlich», beruhigt Sway und erzählt von den Capybaras, den Wasserschweinen, die ebenfalls in dem Unesco-Biosphärenreservat zu Hause sind. Und vom stark verehrten Jaguar. «Die Einwohner lieben ihn, obwohl er selten bis nie zu sehen ist.» Eine häufige Redewendung, weiss Sway, laute hier deshalb: «Der Jaguar hat dich gesehen, aber du ihn nicht.»
Marc Sways Mutter stammt aus der Küstenstadt Salvador im Nordosten Brasiliens. Das Land ist seine zweite Heimat. Einen Monat lang reist der Sänger mit der Familie in dieser umher. Letztmals waren sie 2015 hier. «Wir kehrten bewusst an gewisse Orte zurück, damit Naomi und Nahla diese Reise nicht nur fühlen, sondern dieses Mal auch bewusst verstehen.» Weggehen, ein wunderbares Fliehen vor dem Alltag, um auf andere Gedanken zu kommen. «Das ist doch das grösste Gut. Der ganze Rest, von Pensionskasse bis Spülmaschine einräumen, ist ganz weit weg!», sagt Sway. Für ihn dient die Reise als Inspiration für neue Songs. Und tatsächlich küsst ihn in Brasilien einmal mehr die Muse: Die Single «Why» (erscheint am 29. September) entsteht. Darin geht der Sänger der Frage nach, weshalb auch die guten Dinge im Leben immer vorbeigehen müssen. «Ein bittersüsser Schmerz», sagt er. «Es braucht Mut, das Glück zuzulassen, weil man genau weiss, dass es auch wieder vorbeigeht.» Er selbst sei «total trainiert darauf», in Momenten des Glücks innezuhalten.
Marc Sway pflegt seine brasilianischen Wurzeln auch in der Schweiz
In ihrer Unterkunft auf der 11'000 Hektaren grossen Barranco Alto Farm erfährt die Familie gleich bei der Ankunft eine andere Art von «bittersüss». Die von einer Schweizer Familie geführte Farm ist selbstversorgend. Einmal im Monat wird deshalb ein Tier für den Eigengebrauch geschlachtet. Sway fragt seine Töchter, ob sie zusehen wollen, wie es zerlegt wird – «auf das Risiko hin, dass ich danach zwei vegetarische Kinder habe». Die Mädchen wollen – und erleben, wie hier alles vom Tier verwertet wird. «Fleisch zu essen, heisst, sich bewusst zu sein, dass es nicht abgepackt aus der Fleischtheke kommt.»
Seine brasilianischen Wurzeln pflegt und lebt Marc Sway in der Schweiz ganz bewusst im Alltag und «am einfachsten mit Genusssachen wie Essen und Musik». Er selbst sei ja in der Schweiz durch seine Mutter in einem «Little Brazil» aufgewachsen. Der leidenschaftliche Hobbykoch tischt seiner Familie denn auch Spezialitäten wie «Feijoada brasileira», den Schwarze-Bohnen-Eintopf, auf. Und dank Sways Mutter, die konsequent Portugiesisch mit ihren Enkelinnen spricht, verstehen Naomi und Nahla auch die Muttersprache ihres Vaters. Irgendwann in Brasilien zu leben, kann sich Marc Sway aber nicht vorstellen. «Viel eher, dass ich mehr reise.» Wo auf der Welt er seine Songs schreibe, sei ja egal. «Aber erst, wenn die Kinder nicht mehr fix daheim wohnen.»
Glückliche Erinnerungen
Dereinst ein präsenter Vater zu sein, das ist ihm schon wichtig, als er noch keine Kinder hat und erst am Anfang seiner Musikkarriere steht. Als Marc Sway 2003 einen Plattenvertrag bei BMG Deutschland unterschreibt, wird ihm bewusst, wie gross der deutsche Markt ist und wie beschränkt seine Ressourcen sind – «denn ich wollte gern noch Familienvater und Ehemann werden und darin genauso gut sein wie in meinem künstlerischen Können». Er entscheidet, sich auf den Schweizer Musikmarkt zu beschränken, zu heiraten und eine Familie zu gründen. «Ich habe eine unfassbar schöne Karriere erlebt bisher. Das gilt sowohl für mein Berufs- wie auch mein Privatleben.»
Marc Sway galoppiert auf Bahiano durchs Gras. Gegen Ende der Ferien wird er – «Ich bin ein Auslandreiter» – immer mutiger. «In meiner Vorstellung sieht es aus wie beim ‹Malboro Man›. Dann sehe ich die Videos und merke, es stimmt so gar nicht überein!» Er lacht laut. Für ihn ist Brasilien ein «Happy Place», denn hier lebt er total den Moment. «Diese Zeit, die wir als Familie erleben dürfen, ist unfassbar wertvoll.»
Aber auch eine Inspirationsreise voller Glücksmomente geht einmal zu Ende. Immerhin ist es ein geteiltes Glück: ganz heimlich hat in Pantanal bestimmt ein Jaguar die Familie beobachtet – auch wenn ihn niemand gesehen hat.