Voller Respekt giesst Marc Trauffer, 42, Bier aus seiner Flasche in einen Becher und reicht ihn Beat Peter, 44. «Der Lehrbub gibt immer einen Schluck ab», sagt Marc grinsend, prostet Beat zu und gönnt sich selber einen grossen Schluck aus der Flasche. Beide kennen sich seit Jahren. Peter ist Trauffers einstiger Lehrmeister. Damals absolvierte der heutige Musiker und Holzspielzeugunternehmer eine Maurerlehre, hängte noch eine Ausbildung zum Ofenbauer und Plättlileger an, die er nach einem Jahr abbrach. Von einem Tag auf den anderen musste Peter einen Kachelofen allein fertig bauen. «Ich ahnte damals, dass Marc nicht fertig macht. Er hatte nur seine Musik im Kopf.»
Obwohl sich ihre Wege trennen, bleiben Lehrmeister und Lehrbub Freunde. Deshalb lässt sich Peter nicht lange bitten, beim Plättlilegen in Marcs Hotelprojekt zu helfen. Als Profi ist er für die Dehnungsfuge verantwortlich. Sitzt die nicht perfekt am Boden, kann es Risse über die ganze Wand geben.
Dass diese Arbeit für «Blotere» sorgt, davon zeugen die Pflaster an Brigittes, 42, Händen. Trotz Schnitten und Schmerzen macht sie aber weiter, reicht im Sekundentakt ihrem Mann Plättli sowie Abstandshalter, er drückt die Kacheln an die Wand. Teamarbeit. Der Dritte im Bunde verstreicht Kleber auf die Wandfläche.
Für ihren Traum schaffen sie Hand in Hand. Die Trauffer Erlebniswelt mitsamt Hotel (30 Zimmer, 1 Suite) ist für das Paar «Himmel und Hölle» zugleich, wie Marc sagt. Einen zweistelligen Millionenbetrag investieren sie in die beiden dreistöckigen Gebäude, deren Rohbau schon das Ortsbild der 532 Einwohner zählenden Gemeinde bestimmt. Keine einzige Einsprache habe es gegeben, freut sich das Paar. «Viele hier sind froh, dass sie nun einen Platz zum Einkehren haben, und die Jungen können im Dorf bleiben, statt auswärts arbeiten zu müssen.» 40 neue Arbeitsplätze schaffen Trauffers.
Jetzt aber sind Marc und Brigitte damit beschäftigt, 180 Quadratmeter Plättli in ihrer künftigen Hotelküche zu verlegen. Eine Kachel an die andere gereiht, ergibt das insgesamt eine Strecke von 1,8 Kilometern. Das hat Marc ausgerechnet. Als Helfer zur Seite stehen ihm und seiner Frau Freunde und Freiwillige aus seiner Holzspielwarenfabrik. Michèle, 31, und Marianne, 46, die in Trauffers Geschäftsleitung sitzen, tauchen nach den Weihnachtsfeiertagen sogar überraschend auf der Baustelle auf, um zu helfen. «Ich mache das gern für die Firma, und es ist echt cool, dabei zu sein. Ich erinnere mich noch, wie Marc vor rund drei Jahren im Büro erstmals von seiner Idee einer ‹kleinen› Erlebniswelt und eines Bretterhotels gesprochen hat.» Dass sie solche Dimensionen annehmen würde, hätte damals wohl keiner in der Firma gedacht.
Mit Schmerzen ins Bett zu fallen, ist derzeit Alltag für Marc und Brigitte. «Mal tut ihm was weh, mal mir.» Trotzdem lieben sie die Arbeit auf dem Bau. Das Paar hat eine Abmachung getroffen: Jeder kann Stopp sagen, wenn der Bau privat zu viel Platz einnimmt, weil ständig einer mit neuen Ideen daherkommt. Die «richtige Arbeit» starte zudem erst am 4. Juni mit der Eröffnung, ist das Paar überzeugt.
Brigitte sei die geborene Gastgeberin, sagt Marc. «Im allerschlimmsten Fall serviert sie, und ich koche.» Der Alpentainer und Unternehmer, der das Holzkuhgeschäft 2011 von Vater und Onkel übernommen und von 15 auf 85 Angestellte ausgebaut hat, ist überzeugt, dass sein Projekt Erfolg hat. «Mit Willen und Fleiss kann man Glück auch erzwingen.» Eifer legt das Paar nicht nur auf dem Bau an den Tag. Um ihr Hotel und Restaurant nicht fremden Händen überlassen zu müssen, erwarb Marc im Sommer 2021 das Diplom als Käse-Sommelier und lässt sich aktuell in Zürich zum Wein-Sommelier ausbilden. Damit nicht genug: Fürs Wirtepatent büffelten Marc und Brigitte vergangenen Herbst zwei Bundesordner, fragten sich gegenseitig ab – und bestanden so die Prüfung. «Wir wollen wissen, wie unser Betrieb funktioniert. Dann haben Mitarbeiter eher Respekt, weil wir nicht blöd daherreden.»
Ruckzuck haben Trauffers mit ihren Helfern wieder eine Wand mit schwarzen Plättli fertig. Brigitte schnappt sich Schwamm und Wassereimer, beginnt die frisch verfugte Wand zu putzen. Dreckige Büez. Die schwarzen Plättli hat sie ausgesucht. Hier in Trauffers Hotelküche sollen die Mitarbeiter sich wohlfühlen. Grosse Fenster mit Blick ins Haslital bilden den Kontrast zum Schwarz. «In vielen Küchen, die wir angeschaut haben, gab es kein Tageslicht. Das wollten wir nicht.»
Auch Marc Trauffers Kinder helfen mit: Sohn Lars, 19, und Tochter Lani, 17, stammen aus erster Ehe. Bliss-Sänger Matthias Arn, 43, ist fürs Plättlilegen sogar aus dem St. Galler Rheintal ins Berner Oberland gereist. Es wird gelacht und gescherzt auf der Baustelle. Nur June, 2, heult jämmerlich: Die Berner Sennenhündin fühlt sich von Herrchen und Frauchen vernachlässigt. Provozierend durchforstet sie mit ihrer Schnauze den Abfallsack nach Essensresten. Sofort lässt Brigitte von ihren Plättli ab, schnappt sich June für eine Gassi-Runde.