Wenn ich morgens aufwache, höre ich angenehme Stille, die nur durch eine erquickende Sonate von Spatzengezwitscher unterbrochen wird.
Zum Frühstück esse ich getoastetes Brot mit Olivenöl Extra Vergine.
Zur Arbeit fahre ich nicht, da sich mein Büro im obersten Stock unseres Hauses befindet.
Mein Arbeitstag dauert so lange, bis ich alles geliefert habe und tagfertig bin (wie dazumal im Militärdienst gelernt).
Am Feierabend gönne ich es mir zu musizieren – von Jazzstandards mit dem Kontra- oder E-Bass bis Bach-Präludien und -Fugen auf dem Klavier.
Typisch spanisch an mir ist, dass ich gern gut esse. Würde ich jetzt sagen, dass ich auch Siesta halte, würde ich nur ein Klischee bedienen. Dabei gönnten sich schon mein Grossvater und mein Vater in der Schweiz jeweils ein Mittagsschläfchen.
Touristen aus meiner Heimat zeige ich die zahlreichen interessanten Museen in Madrid, etwa den Prado, das Reina-Sofía- oder Thyssen-Museum.
Am meisten stört mich an Spanien der Lärmpegel in den Strassen und Restaurants.
Von der Schweiz vermisse ich meine Familie, Freunde und die Farben im Herbst.
Die Schweiz kann von Spanien lernen: Spontaneität und Improvisationsgabe.
Schweizer Politik verfolge ich, vor allem Themen der Wirtschaftspolitik, die relevant sind für Branchen, in denen ich arbeite.
Ich würde zurückkehren: nur zu Besuch, aber man soll ja niemals «nie» sagen.
Mein Tipp an andere Auswanderer: Lernt die Sprache und die Kultur des Landes, und versteht diese, um euch im Alltag zu integrieren. Baut euch ein soziales Netzwerk im Land auf, und pflegt dieses. Man sollte nicht isoliert auf sich allein gestellt sein.»
Die Fakten zur Person
Beruf: Betriebswirtschafter (lic. oec. HSG), selbstständig erwerbend.
Leben in Zahlen: Verdient genug für ein sorgenfreies Leben, besitzt ein Einfamilienhaus in einem Wohnquartier in Madrid. In Spanien kostet das Kilo Brot zwischen 1 und 3 Euro, der Coiffeurbesuch unter 20 Euro.
Vor fast 30 Jahren zog es Marc Wiederkehr (58) wegen seiner Frau – einer gebürtigen Spanierin – nach Madrid. Schnell integrierte er sich in den Alltag. Bereits an der Universität lernte er Spanisch und beschäftigte sich mit der Geschichte und der Kultur Spaniens, veröffentlichte das Buch «Lange Schatten über Spanien» als historischen Roman. Die Geschichte handelt von einem Schweizer, der in den 1930er-Jahren in den Spanischen Bürgerkrieg verwickelt wird.