Zuerst eine 13. AHV-Rente und jetzt noch tiefere Krankenkassenprämien! Mattea Meyer, hat die Linke eine Gelddruckmaschine versteckt?
Die 13. AHV-Rente hilft, den Kaufkraftverlust vieler Rentnerinnen und Rentner auszugleichen. Steigende Krankenkassenprämien und immer höhere Mieten führten zu einem überdeutlichen Ja der Bevölkerung.
Einverstanden. Aber die Frage war: Wer zahlt das? Das Bundesamt für Gesundheit prognostiziert bei einer Annahme Ihrer neuen Initiative für 2030 Mehrausgaben bis 11,3 Milliarden Franken.
Die Initiative kostet keinen Franken mehr.
Also doch! Sie drucken heimlich Geld.
Nein, denn aktuell bezahlen Familien und Rentnerpaare aus dem Mittelstand die explodierenden Krankenkassenprämien einfach selber. Mit der Initiative deckeln wir die Prämien bei zehn Prozent des Einkommens.
Seit wann ist die SP die Partei des Mittelstands?
Wenn der Mittelstand immer mehr bezahlen muss, führt das zu grossen Problemen für unser Land. Allein letztes Jahr sind die Prämien für eine vierköpfige Familie um 1000 Franken gestiegen! Unsere Initiative schickt einen grösseren Teil der Rechnung dorthin, wo die Politik etwas bewegen kann: zum Bund und zu den Kantonen.
Wenn Bund und Kantone die Zeche übernehmen, heisst das nichts anderes als höhere Steuern für alle.
Mit der Initiative steigt der Druck auf die Politik, endlich eine Lösung zu finden, damit der Mittelstand nicht noch mehr belastet wird. So wird zum Beispiel die Forderung der Mitte nach einer Finanztransaktionssteuer mehrheitsfähig. Und wenn man die Kaufkraft des Mittelstands stärkt, können sich die Menschen wieder mehr leisten. Ein Wochenende wegfahren, mal auswärts essen – das kurbelt die Wirtschaft an. Und bedeutet auch mehr Steuereinnahmen für die Kantone.
Seit wann argumentiert die SP mit dem Ankurbeln der Wirtschaft?
Wir setzen uns für die Menschen ein, die ein Leben lang gearbeitet und Kinder betreut haben oder das aktuell tun. Es hat mit Wertschätzung zu tun, dass sie nicht jeden Franken zweimal umdrehen müssen und ein Leben ohne grosse finanzielle Sorgen führen können.
Ihre ehemalige Bundesrätin Ruth Dreifuss wollte 1994 bei der Einführung des Krankenversicherungsgesetzes, dass ein Haushalt maximal acht Prozent seines Einkommens für die Krankenkassenprämien aufwendet. Sie verlangen jetzt zehn Prozent vom steuerbaren Einkommen.
Das zeigt, wie moderat unsere Initiative ist. Bei der Einführung der Krankenkasse hat man gesagt: Ein Millionär zahlt gleich viel Prämie wie eine Verkäuferin. Die Prämienlast sollte aber acht Prozent eines Einkommens nicht überschreiten. Heute muss aber ein durchschnittlicher Haushalt 14 Prozent seines Einkommens für die Krankenkasse aufwenden.
Viele nicht so gut betuchte Menschen wählen eine hohe Franchise, um tiefere Prämien zahlen zu können. Sie zögern dann aber den Arztbesuch hinaus, weil sie die hohen Rechnungen fürchten.
Das macht mir zunehmend Sorgen. Das sagen auch die Hausärztinnen und Hausärzte. Weil sie genau diese Menschen sehen, unterstützen sie unsere Initiative als Verband.
Wäre eine staatliche Gesundheitskasse nicht eine günstigere Lösung?
Es ist tatsächlich fragwürdig, dass 50 Kassen für das genau gleiche Angebot in der Grundversicherung ein teures Management und eine Riesenadministration finanzieren. Vor allem hat keine Kasse einen Anreiz, in die Prävention zu investieren. Sie weiss ja nie genau, ob die Versicherten im nächsten Jahr wechseln.
Wechseln Sie persönlich regelmässig?
Ehrlich gesagt habe ich noch nie gewechselt.
Warum?
Weil ich keine finanziellen Sorgen und Ängste habe. Und auch einfach aus Bequemlichkeit.
Die Berner Fachhochschule hat festgestellt, dass in Basel-Stadt jeder Fünfte mit Anrecht auf eine Prämienverbilligung diese nicht geltend macht. Ist Ihre Initiative überflüssig?
Es gibt Kantone, die machen die betroffenen Menschen aufgrund der Steuererklärung auf ihren Anspruch aufmerksam. In andern Kantonen wissen viele Leute gar nicht, dass sie einen Anspruch hätten. Mit unserer Initiative legen wir in der Verfassung fest, dass kein Haushalt mehr als zehn Prozent seines Einkommens aufwenden muss.
Der Kanton Aargau musste sein Spital retten. Das Inselspital in Bern ist in Schieflage. Das Kispi in Zürich bekam eine 100-Millionen-Franken-Spritze. Das Krankenhaus Wetzikon ist in Nachlassstundung. Sind nicht das die wahren Probleme?
Es fehlt an einer koordinierten Versorgung und an einer überregionalen Spitalplanung. Wir haben nicht genug Hausärzte und Kinderärzte. Zudem rasseln wir in einen Pflegenotstand. Unsere Initiative ist ein erster Schritt in Richtung kostendämpfende Massnahmen.
Sie könnten auch die Grundversicherung abspecken.
Das sehe ich gar nicht. Es ist eine enorme Errungenschaft, dass wir in der Schweiz eine hervorragende Gesundheitsversorgung haben, zu der alle Zugang haben. Das hat seinen Preis. Die Frage ist: Wer zahlt welchen Teil der Rechnung?
Sagen Sie es uns!
Es ist falsch, bei den Menschen zu sparen. Wir müssen bei der Politik ansetzen. Im Parlament kämpft die starke Pharmalobby erfolgreich für zu hohe Medikamentenpreise.
Wie meinen Sie das?
Ich sitze seit viereinhalb Jahren in der Gesundheitskommission. Es ist unvorstellbar, wie viel Post wir im Vorfeld dieser Sitzungen erhalten. Aber erschreckender ist, dass die Lobbyisten mit mir in der Kommission sitzen. Parlamentarier, die Mandate aus der Pharmabranche haben.
Konkret?
Bundesrat Alain Berset wollte die Medikamentenpreise mit Generika um mehrere 100 Millionen Franken kürzen. Diese Vorlage wurde unter anderem von SVP-Nationalrat Thomas de Courten verhindert – er ist Präsident des Verbandes Intergenerika. Dieser hat natürlich kein Interesse daran, dass die Generikapreise sinken.
Stichwort Berset: In seiner Amtszeit sind die Gesundheitskosten von 67 auf 92 Milliarden Franken gestiegen. Und auch die Prämien explodierten weiter.
Er hat dort Kürzungen vorgenommen, wo er nicht auf das Parlament angewiesen war. Dank mehrerer seiner Anpassungen können wir nun jedes Jahr eine Milliarde Franken sparen. Er initiierte zudem einen Expertenbericht. Dieser schlug 38 Massnahmen vor, um die Kosten bei gleicher Qualität einzusparen. Die Pharmalobby verhinderte aber fast alle dieser Sparvorschläge.
Wie wollen Sie das ändern?
Wer sein Amt seriös ausüben will, kann nicht nebenbei zehn Mandate haben und Geld damit verdienen, sich für diese Interessen einzusetzen. Wir müssen zwar angeben, welche Mandate bezahlt werden, aber nicht offenlegen, wie viel Geld wir erhalten. Dass FDP-Ständerat Damian Müller für das Verwaltungsratspräsidium des Kantonsspitals Luzern für ein 40-Prozent-Pensum rund 160 000 Franken verdient hätte, kam auf dem Latrinenweg heraus. Es braucht mehr Transparenz.
Für viele Bürgerinnen und Bürger ist es nicht nachvollziehbar, dass bei der 13. AHV-Rente und jetzt wieder bei Ihrer Initiative etwas versprochen wird ohne geregelte Finanzierung. Ist das seriöse Politik?
Also: Die 13. AHV-Rente wird 2026 ausbezahlt. Das ist versprochen. Egal, ob es bis dahin eine Finanzierungslösung gibt oder nicht. Wir sprechen eine Milliardengarantie für die UBS und wollten schon zigmal die Steuern für Unternehmensgewinne senken. Aber wenn es um Menschen geht, fehlt das Geld.
Wie wird nun aber die 13. AHV-Rente finanziert?
Der Bundesrat hat mehrere Varianten in die Vernehmlassung gebracht. Etwa Lohnprozenterhöhung oder Mehrwertsteuererhöhung. Für uns ist klar: Eine moderate Lohnprozenterhöhung von je 0,4 Prozent für Arbeitnehmer und Arbeitgeber ist die beste Option. Doch die Verliererinnen und Verlierer dieser Abstimmung torpedieren jede Lösung, obwohl das Volk so deutlich Ja gesagt hat. Die Gesundheits- und Sozialkommission hat dem Bundesrat mitgeteilt, sie wolle eigentlich gar keine Finanzierung, sondern man soll die AHV ausbluten lassen, um dann später eine Erhöhung des Rentenalters durchzudrücken. Das finde ich nicht okay.
Am 9. Juni kommt auch die Kostenbremse-Initiative der Mitte vors Volk. Hätten Sie nicht gescheiter zusammengespannt?
Es ist ein offenes Geheimnis, dass ich Sympathien für diese Initiative hege. Sie erhöht ebenfalls den Druck auf die Politik. Weil aber die Initiative etwas unkonkret formuliert ist, hat die SP die Nein-Parole gefasst. Wir sind aber bereit, mit der Mitte zusammenzuarbeiten, wenn es um die Stärkung der Grundversicherung und die zu hohen Medikamentenpreise geht.