Es glitzert und funkelt – an den Wänden, in den Regalen, auf dem Schreibtisch. Die Auszeichnungen für überragende Fernseh- und Theaterproduktionen sind im Büro von Max Sieber prominent ausgestellt. 40 Jahre lang sorgte er beim Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) für Rekordquoten. Vom Glanz ist nicht mehr viel übrig. Zum Jahresbeginn hat die SRG als Mutterhaus das UKW-Radio abgestellt. Mit dramatischen Folgen: Bei einer halben Million Menschen rauscht es nur noch aus dem Lautsprecher. Und nun folgen Kürzungen auf anderen Kanälen. Ein Ende ist nicht in Sicht.
Herr Sieber, Hand aufs Herz: Schauen Sie die Sendung «Gesichter und Geschichten», die im Sommer eingestellt wird?
Natürlich. Ich zeichne sie täglich auf und schaue sie regelmässig zeitversetzt nach.
Was gefällt Ihnen an der Sendung?
Das Format bildet die Vielfalt unserer Kulturszene ab, gibt einen Überblick über die Unterhaltungswelt und bringt Farbe ins Programm.
Waren Sie vom Entscheid, das Format im Sommer einzustellen, überrascht?
Ja und nein. Die erste Ankündigung, dass «G&G» eine Sommerpause einlegen muss, hat mich stutzig gemacht. Trotzdem überrascht mich, dass sie ausgerechnet im Jubiläumsjahr und kurz nach der eigenen Award-Show abgesetzt wird.
Können Sie sich erklären, weshalb gerade bei dieser Sendung gespart wird?
Das Format hat sich thematisch immer zwischen den Abteilungen bewegt, weshalb es im SRF-Universum nie einen leichten Stand hatte. Es war nie möglich, intern eine Lobby aufbauen.
Was genau meinen Sie damit?
Im Leutschenbach gibt es vier grosse Bereiche: Information, Unterhaltung, Kultur und Sport. Schliesslich wurde «G&G» der Information angehängt, hat dort aber den Anschluss nie richtig gefunden.
Begründet wird der Entschluss mit Einsparungen von zwei Millionen Franken …
Lächerlich! Wir sprechen von einem Team mit rund 20 Personen, Studiokosten, Produktion und weiteren Schnittstellen. Eine tägliche, qualitativ hochwertige Sendung für diesen kleinen Batzen zu streichen, steht in keinem Verhältnis. Dieses Geld hätte man anderweitig ohne Absetzung einsparen können. Gleichzeitig frage ich mich, wie dramatisch die Finanzsituation sein muss.
Wo sehen Sie das grösste Sparpotenzial?
Aus dem Stegreif kann ich das nicht sagen, dafür bin ich zu lange weg von den Büchern. Dem SRF fehlt aber ein ausgewiesener Finanzexperte. Der hätte eine weniger schmerzhafte Lösung gefunden.
Über 300 Samstagabendkisten und rund 800 weitere Unterhaltungssendungen hat der Luzerner in seiner Karriere produziert.
Marco BilicVom Praktikant schaffte es der Luzerner im Jahr 2000 in die Geschäftsleitung des SRF. «Teleboy», «Benissimo» und «Verstehen Sie Spass?» sind nur einige Formate, die der Fernsehprofi in seiner Karriere entwickelt und produziert hat. Der heute 82-Jährige gibt Wissen als Gastdozent an den Unis in Zürich und Freiburg weiter. Der Grossvater eines Buben lebt mit seiner Frau in Zürich.
Zu Ihrer Zeit wurde «Glanz & Gloria» als Promi-Magazin lanciert. Mit der Wandlung zum Gesellschaftsmagazin sind die Zuschauer- zahlen eingebrochen. War das ein Fehler?
Das kann man so nicht sagen. Die Zuschauerzahlen mögen abgesackt sein, doch die Relevanz ist deutlich gestiegen, was bei einem öffentlich-rechtlichen Sender wichtiger ist. Ein Format wie «Sternstunde Philosophie» wird beispielsweise niemals ein Quotenhit sein, und doch befriedigt es eine Randgruppe. Darauf kommt es an.
Was sagen Sie Kritikern, die monieren, der Service public brauche kein Promi-Magazin?
Ein öffentlich-rechtlicher Sender muss das Abbild der Gesellschaft sein. Wenn die Bevölkerung Prominente sehen will, soll sie diese bekommen. Letztlich geht es um die Aufbereitung und die Qualität der Sendung. Auch solche Formate können Teil des Service public sein.
Können das nicht Private übernehmen?
Unterhaltung und Kultur, wie es das SRF macht, werden andere niemals machen – nicht, weil sie es nicht können, sondern weil ihnen finanzielle Mittel fehlen. Dass sich das SRF die Rosinen herauspicken kann und Private den Rest übernehmen werden, ist eine Illusion.
SRF sagt, dass Kulturthemen künftig in anderen Formaten aufgenommen werden.
Ach Quatsch! Mit der Neuausrichtung hat Kleinkunst beim SRF keinen Platz mehr – das ist Fakt! Für die Kunstschaffenden geht die einzige TV-Plattform verloren. Auf journalistischer Ebene fehlt künftig die Expertise eines ganzen Teams. Dabei hilft die Verlagerung einzelner Personen auch nichts. Wie sollen sich die wenigen Nasen in einer gestandenen Kulturredaktion mit ihren Kleinkunstthemen durchsetzen?
Dreht SRF der Kulturförderpflicht nun den Rücken?
Das ist etwas hoch gegriffen. Die Kulturberichterstattung wird es geben, allerdings mit Einschränkungen. Das SRF muss nun schauen, dass es nicht zu einem reinen Nachrichtensender verkommt und der Kulturbereich nicht zu elitär wird.
Wie steht die Unterhaltung beim SRF im Vergleich zu öffentlich-rechtlichen Anbietern in anderen Ländern da?
Solche Vergleiche lassen sich nur schwer ziehen. Bei den Nachbarn ist es weniger dramatisch. Bei ähnlich hohen Produktionskosten haben sie mehr Gebührengelder zur Verfügung. Aus diesem Grund wird es grosse Samstagabendkisten, anders als bei uns, weiterhin noch geben.
Wie sieht das Unterhaltungsprogramm in Zukunft bei uns aus?
Ich glaube, es braucht künftig noch mehr schweizbezogene Unterhaltung wie «Auf und davon» und ähnliche Formate. Diese sind günstig und stossen beim Publikum auf Anklang. Die ganz grossen Shows wie «Die Helene Fischer Show» und Co. können für ein Butterbrot dazugekauft werden.
Sie waren am Drücker, als das SRF seine Blütezeit in der Unterhaltung erlebte. Was hat sich verändert?
Alles! Früher gab es das Lagerfeuerfernsehen, als die ganze Familie vor dem Schirm sass. Das ist vorbei. Das lineare Fernsehen geht drastisch zurück, und die Menschen werden nicht mehr zu alten Gewohnheiten zurückkehren. Damit muss man sich abfinden und neue Wege suchen.
Voller Stolz zeigt Max Sieber einen Teil seiner Auszeichnungen.
Marco BilicWelche Sendung im aktuellen Programm gefällt Ihnen am besten?
Primär sind es die Informationssendungen. Am Unterhaltungsprogramm habe ich mich durch meine Arbeit wohl sattgesehen (lacht).
Wirken sich die Streichungen der Formate negativ auf die Sympathien für SRF aus?
Im Moment sicher. Langfristig wird das allerdings nicht anhalten, die Menschen sind vergesslich.
Ist das harte Handeln von SRF ein Versuch, Kritiker zu besänftigen?
Das SRF darf vor Kritikern nicht einknicken! Die gab es früher schon, und es wird sie auch in Zukunft geben. Ich glaube nicht, dass das Sparen zur Besänftigung anderer dient. Die komplette Medienbranche steht unter Druck. Das SRF muss, genauso wie andere, für die Zukunft gut aufgestellt sein. Viel sinnvoller wäre es, wenn klare Forderungen an das Programm des Service public gestellt würden.
Wie meinen Sie das?
Am einfachsten ist es zu sagen, dass gespart werden soll. Nützlicher hingegen wäre es, wenn die Politik einen konkreten Rahmen setzte, was sie vom Service public erwartet. So könnte klarer und einheitlicher gemessen werden, ob der Auftrag erfüllt ist oder nicht.
Sehen Sie dabei nicht die Gefahr einer politischen Instrumentalisierung des SRF?
Nein, solange der Inhalt neutral ist, besteht kein Grund zur Sorge. Das SRF ist politisch eher ein Mittel zum Zweck. Die Kritik richtet sich gegen die Information, weil sie von rechts als zu linkslastig oder nicht konform angesehen wird. Solche politischen Meinungen sind kein Problem, solange es die Gegenseite gibt, die dagegenhält.
Inwiefern könnten solche finanzbasierten Entscheidungen von politischen Akteuren beeinflusst sein?
Ich kann mir vorstellen, dass jetzt, wo es auf die «200 Franken»-Initiative zugeht, Angst im Leutschenbach zu spüren ist. Wenn die durchkommt, wird es krachen! Dann müssen wir nicht mehr nur über «G&G» reden, sondern über grosse Dinge.
Welche Folgen hätte eine erneute Kürzung?
Die Programmvielfalt wäre das kleinste Problem. Man würde wohl auf Filme und kleinere Formate verzichten. Klar ist, dass es irgendwann an die Substanz geht – also an die Information und die Qualität. Das hätte einschneidende Folgen.
Im Abstimmungskampf gegen die «No Billag»-Initiative zogen Kulturschaffende 2018 eine wirksame Kampagne auf. Sollen sie das bei der «200 Franken»-Initiative der SVP nochmals tun?
Wer sich wehren will, muss etwas sagen. Aber grundsätzlich liegt der Entscheid bei den Betroffenen.