Mehr als Schlager

Gerade ist sie 36 Jahre alt geworden, die Schwyzerin. Geboren am längsten Tag des Jahres, am 21. Juni. Sternzeichen Zwillinge, Aszendent Widder. Eine energische Kombination, wissen die Astrologen. Passt. Mit 36 hat sie schon das erreicht, wovon doch ach so viele träumen. Über 1,3 Millionen verkaufte Tonträger, sieben Alben auf Platz 1 der Charts, eine Samstagabendsendung in Deutschland und ein geschätztes Vermögen von zwei bis fünf Millionen Franken («Bilanz»). Die «Bilanz» schreibt zudem: «Für die dritte Ausgabe der ‹Beatrice Egli Show› im April schalteten mehr Zuschauer ein als für DSDS.» 3,66 Millionen Menschen, präzis.

Das war ihr Durchbruch, die Sendung «Deutschland sucht den Superstar». Vor genau zehn Jahren wird Beatrice Egli «Superstar», gewinnt 500'000 Euro. Die Single «Mein Herz», geschrieben und produziert von Poptitan Dieter Bohlen, ist schon in der ersten Verkaufswoche auf Platz 1 der deutschen, der österreichischen und der Schweizer Single-Charts.

Vom Coiffeursalon auf die Bühne

Logo, ging schon alles viel früher los bei der Tochter einer Metzgerfamilie aus Pfäffikon SZ. Beatrice Egli ist kein Phönix aus der Asche. Doch sie sagt: «Schon mit neun Jahren wusste ich, dass ich Schlagersängerin werden will.» Ein erstes Foto aus dem Familienalbum zeigt sie mit fünf Jahren beim Feuerwehrfest ihres Grossvaters. Sie singt, ja, was wohl? Schlager.

Mit 14 nimmt sie Gesangsunterricht, tritt bei Volksfesten auf. Dann: Ausbildung zur Coiffeuse. Ein Jahr lang schneidet, färbt und föhnt sie Haare. Doch sie will Schlager. «Ich bin Schlager», sagt sie heute. Mit 19 tritt sie mit der damaligen Schlager-Queen Lys Assia auf – mit dem gemeinsamen Song «Sag mir, wo wohnen die Engel». Das Duo gewinnt 2007 die Schweizer Vorentscheidung zum Grand Prix der Volksmusik. Beim Final in Wien erreichen die beiden Platz 12 von 16. Immerhin. Doch die Zwillinge-Frau will mehr. Sie macht vier Jahre später noch eine Ausbildung an der Schule für Schauspiel in Hamburg, ändert ein bisschen ihren Namen, tritt neu nicht mehr als «Beatrice», sondern als «Beatrice Egli» auf.

Abschied von den Grosseltern

Heute ist Beatrice Egli ein Superstar. Sie bestimmt, was Sache ist. Wir, der Fotograf und ich, treffen sie im Wallis, in Haute-Nendaz. Sie empfängt uns in einem luxuriösen Chalet hoch oben am Berg. Mit einem fantastischen Panorama-Rundblick auf die Walliser Bergwelt. Das Chalet wurde von Schweiz Tourismus empfohlen. Beatrice Egli ist eine seiner Botschafterinnen. Trotzdem, das Wallis ist ihr ins Herz gemeisselt: «Das Wallis war während der Pandemie mein zweites Zuhause. Hier habe ich ein Jahr lang trainiert, um das Matterhorn zu besteigen.» (Ja, ja, Beatrice Egli hat 2021 auch noch den Gipfel des Matterhorns erreicht, sie ist eine Hansdampfin in allen Gassen, wie man heute gendergerecht schreibt.) Das nimmt man ihr aber auch ab.

Beatrice Egli ist nicht nur dem Schlager verfallen. Sie will, sie braucht Herausforderungen. «Es kitzelt mich, wenn ich vor etwas Angst habe. Wenn ich sie überwinde, die Angst, spüre ich mich extrem gut. So entdecke ich mich selbst auch immer wieder neu. Das macht mich schon ein bisschen speziell», sagt sie und lacht.

Lachen tut sie aber doch nicht immer, die eigentliche Frohnatur, wenn sie darüber spricht, weshalb wir überhaupt ins Wallis eingeladen worden sind. Am 30. Juni erscheint nämlich «Balance», ihr elftes Album. Es ist ein gelungenes Album: modern, irgendwie frech, natürlich fröhlich. Und natürlich fehlen Songs über die Liebe nicht, das Verliebtsein – perfekt gemixt mit der richtigen Portion Leichtigkeit des Lebens, die guttut. Wie es sich eben für ein richtiges Schlageralbum gehört.

Doch es gibt da auch den einen Song. Er beginnt leise, mit einem Gitarrensolo. «Zwischen den Wolken» heisst er. Beatrice Egli hat ihn komponiert und den Text geschrieben. Das Lied ist eine Hommage an ihre Grosseltern, die letztes Jahr kurz nacheinander gestorben sind. «Es war eine sehr traurige Phase in meinem Leben. Nach 34 Jahren habe ich zwei Menschen verloren, die mich intensiv begleitet haben. Sie haben mich bestärkt auf meinem Weg als Sängerin, aber auch als Frau. Als sie starben, war ich unterwegs. Ich fand nicht die Ruhe, mich von ihnen richtig verabschieden zu können. Erst beim Schreiben dieses Songs konnte ich es. Im Tonstudio habe ich mehrmals die Fassung verloren. Doch die Musik gab mir den Raum, richtig Abschied nehmen zu können.»

Liebesgerüchte lächelt sie weg

Auch wenn man nur kurz die Gelegenheit bekommt, den berühmtesten Schlagerstar der Schweiz kennenzulernen, spürt man, dass bei Beatrice Egli alles echt ist. Sie ist sympathisch, offen, unkompliziert, frei von Allüren, und ja – einfach fröhlich. «Mein Lachen ist so ehrlich wie alles andere an mir», sagt sie. Ehrlich ist sie auch, wenn es um die eine Sache geht, die sie rauf und runter besingt: die Liebe. Wie es um ihr eigenes Herz bestellt ist, darüber sagt die 36-Jährige nichts, null, nada.

Gerüchte um eine Liebesbeziehung mit dem deutschen Schlagerstar Florian Silbereisen lacht sie weg. Dito Gerücht Nummer zwei, dass sie ihr Herz an den deutschen Musikproduzenten und Pianisten Joachim Wolf verloren haben soll. «Mein Privatleben ist etwas sehr Kostbares, das ich schützen möchte. Ich will Geschichte schreiben mit dem, was ich beruflich mache. Und nicht damit, mit wem ich zusammen bin oder mit wem ich nicht zusammen bin. Mit den Jahren bin ich in dieser Beziehung noch strenger und konsequenter geworden. Sogar wenn ich heiraten würde, würde ich dies in aller Stille tun.»

Na, dann wünschen wir doch, dass wenigstens die Hochzeitsglocken laut und bald «Mein Herz» für unseren Superstar spielen.