Erst vor wenigen Stunden ist Schauspieler Carlos Leal, 51, mit seinem Sohn Elvis, 13, aus seiner Wahlheimat Kalifornien in Zürich gelandet. Zeit für Jetlag hat der Lausanner mit spanischen Wurzeln keine. Bald eröffnet die Photo Schweiz 2021 in Zürich Oerlikon (bis 11. Juli) , an der Leal erstmals seine Fotos ausstellt. «Ich fühle mich wie ein Kind, das sein erstes Spielzeug erhält. Oder wie damals, 1990, als ich meine erste Vinylplatte veröffentlichte», sagt der ehemalige Frontmann der Hip-Hop- Gruppe Sens Unik. «Es ist aufregend, ich bin nervös, ich habe Angst, all diese Gefühle.»
«Dank der Fotografie sehe ich nun, mit meinen über 50 Jahren, überall Schönheit»
Carlos Leal
Carlos Leal, Sie sind Musiker, Schauspieler und nun Fotograf. Was nehmen Sie durch die Linse besser wahr als durch die anderen Kunstformen?
Fotografie öffnet meine Augen auf eine unglaubliche Art und Weise. Die Kamera schlägt eine Brücke zwischen meinem Kunstempfinden und einem Objekt oder einem Menschen. In einem Viereck muss die Geschichte, die du erzählen möchtest, Platz finden. Oder du kannst einfach Schönheit zeigen. Ich sehe nun, mit meinen über 50 Jahren, überall Schönheit.
Wie kamen Sie zur Fotografie?
Ich fotografiere schon lange gern, aber war nie mutig genug, meine Arbeit zu zeigen. Während des Lockdowns konnte ich mich nicht als Künstler ausleben. Also ging ich in der Nacht mit der Kamera raus. Die Erfahrung war noch schöner als das Ergebnis. Ich glaube, 2020 haben viele realisiert, dass sie etwas Kreatives machen können! (Lacht.) Ich für meinen Teil habe meinen Instagram-Fotoaccount ins Leben gerufen.
Wie schwierig war die vergangene Zeit als Schauspieler in Hollywood?
Ich hatte Glück. Finanziell war ich gut aufgestellt, und im Job war stets was los bei mir. Als die USA in den Lockdown gingen, drehte ich in Berlin mit Moritz Bleibtreu «Blackout». Kaum war der Dreh zu Ende, hatte Hollywood bereits Corona-Regeln aufgestellt, die es ermöglichten, wieder zu drehen. So stand ich für die Serie «The L Word: Generation Q» vor der Kamera und für den Film «Stu» mit Mark Wahlberg und Mel Gibson. Ich hatte echt Glück. Angst hatte ich einzig um meine Familie.
Was waren die Herausforderungen?
Natürlich war ich trotz Projekten sehr lange nur daheim. Durch das intensive Zusammensein gabs auch einen Clash mit meiner Frau. Aber darin sind wir als Paar gewachsen. Und ich realisierte als Vater, dass ich mich anders mit meinen Kindern verbinden muss. Mein Vater war keiner, der sich zu uns Kindern auf den Boden setzte. Auch ich hatte wegen all meiner Projekte stets viele Möglichkeiten, ihrer Welt zu entfliehen. Im Lockdown aber konnte ich das nicht mehr, war intensiv bei ihnen. Das war fantastisch und mein persönliches Highlight im Lockdown.
Ihr Sohn Elvis ist jetzt mit Ihnen auf Schweizbesuch.
Ja, es ist unser erster Vater-Sohn-Trip. Danach reisen wir zu meiner Frau Jo und Elvis’ fünfjähriger Schwester Tyger nach Brüssel. Die Kommunikation mit einem Teenager ist eine Herausforderung. Ich und mein Vater haben sehr reduziert miteinander kommuniziert, das möchte ich anders machen, was nicht einfach ist. Zum Glück schätzt Elvis viele Dinge.
Sie drehen oft in Europa, gerade auch für eine spanisch-schweizerische Co- Produktion in Brunnen SZ. Wieso ist L. A. noch der Ort für die Familie?
Sehr gute Frage. In den elf Jahren, in denen ich nun in Los Angeles lebe, habe ich mich nie in die Stadt oder in die amerikanische Kultur verliebt, bin sehr stark Europäer geblieben. Ich ging nach Hollywood, weil ich ein ambitiöser Schauspieler war, der eine internationale Karriere anstrebte. Und es lief nicht schlecht. Nur: Jetzt bin ich nicht mehr allein. Elvis surft jeden Tag. Tyger ist in den USA geboren und hat eine, wenn auch nicht schlimme Blutkrankheit, und all ihre Ärzte sind dort. Ehrlich gesagt, fühle ich mich manchmal wie in einem Käfig und hoffe, dass ich nicht dort sterbe.
Also noch etwa elf weitere Jahre?
Hoffentlich weniger! Aber seit ich fotografiere, verliebe ich mich langsam in L. A. Die dreckige, absurde, kapitalistische Seite von Amerika liefert mir Material für meine Fotografie – und darin kann ich Schönheit erkennen.