«Willkommen in meinem Salon!», sagt Kurt Kraushaar (82) an der Haustür. Seine Frau Rosmarie (81) sei nicht daheim – «wie immer, wenn Journalisten vorbeikommen». Dann führt Kraushaar durch sein Einfamilienhaus in Brugg. Wohin das Auge schaut: Autos, Autos, Autos!
Im Massstab 1:43 und – die grösseren – 1:18. Hier ein Alfa Romeo Grand Prix 1951, dort ein Mercedes-Maybach S 600, ein VW-T1-Samba-Bus. In fast allen Räumen auf den beiden Stockwerken wie auch im Keller stehen originalgetreue Modelle, in Reih und Glied, auf Glasregalen. Über 180 Automarken sind vertreten. Manche Modelle bestehen aus 1200 Einzelteilen, das kleinste, ein Golf I, hat auf einem Fingernagel Platz, zu jedem hat Kraushaar eine Geschichte parat.
Schlaf- und Wohnzimmer sind autofrei. Seine Frau, mit der er seit 32 Jahren verheiratet ist, sei grosszügig. Der frühere Blumengrosshändler: «Ich will nicht zum Sklaven meiner Leidenschaft werden. So habe ich mein Gesuch auf Überlassung der Waschküche zurückgezogen.»
Sammlung öffentlich ausgestellt
«Mit diesem fing alles an.» Kraushaars Augen leuchten, als er ein rotes Abschleppwägeli in die Hand nimmt – einen Commer des britischen Herstellers Dinky Toys. «Schon als Bub war ich von Autos fasziniert. Dieses Spielzeugwägeli schenkten mir die Eltern zu Weihnachten, als ich zehn war.» 1.90 Franken kostete das Autöli damals, heute ist es ein rares Sammlerstück.
Kurts Fieber war entfacht. Immer mehr Modellautos kamen dazu. Mit der Zeit stellte Kraushaar seine Sammlung öffentlich aus: im Keller seines Elternhauses, bei Möbel Pfister, im Dolder Grand Hotel Zürich. Heute stehen Tausende von Exponaten in seinem Haus, nur ihr Besitzer kennt die genaue Zahl.
Handschriftlich führt Kraushaar Buch, welches Autöli er wann für wie viel gekauft hat, in Spielwaren läden und Fachgeschäften. Er liebt es, auf Teilemärkten zu stöbern, mit Händlern zu feilschen. «Ich kaufe aus dem Bauch heraus. Mich interessieren die Geschichten hinter einem Auto.»
In Basel kauft er vor Jahren ein 1:43-Modell eines Chrysler New York Jahrgang 1957, Farbe Grün. Auf der Heimfahrt überlegt er sich, dass das pinke Modell besser gewesen wäre. Daheim schaut er im Originalprospekt, dort ist das Auto pink. «Also fuhr ich nach Basel zurück.» Der Auto-Aficionado gesteht: «Sehe ich einen schönen Oldtimer, den ich noch nicht habe, kaufe ich ihn.» Vergangene Woche habe er bei Alfred’s Modellautowelt in Suhr AG einen Monteverdi Hai bestellt – dieses Modell des ehemaligen Schweizer Autoherstellers fehlt ihm noch. «14 Tage hat es mal gedauert, bis meine Frau merkte, dass wieder ein neues Autöli am Rand einer Treppenstufe parkiert ist.» Mehr als ein paar Hundert Franken habe er für keines seiner Exponate bezahlt. Es gebe Modellautos, die kosten 16 000 Franken. «Bei denen kann man jedes Türchen öffnen, jedes Rad abschrauben.»
Wertschätzung vom Bundesrat
Auch Dutzende von Nutzfahrzeugen und Baumaschinen in Modellform stehen im Keller. Zu zwei hat Kraushaar eine spezielle Beziehung. 2004 stösst er auf einen alten Katalog des Maschinenbauunternehmens Ammann. Er schickt diesen an Firmenpräsident Johann Schneider-Ammann. Der spätere Bundesrat bedankt sich schriftlich: «Dieser Katalog aus dem Jahr 1937 fehlt in unserem Archiv.» Als Danke lässt er ihm zwei Ammann-Fahrzeuge en miniature zukommen.
Doch nicht nur Modellautos gehören zu Kraushaars Reich – auch unzählige andere Exponate aus der Welt der Automobile: Kühlerhauben von originalen Fahrzeugen, Mini-Tanksäulen, ein NSU-Wankelmotor und vieles mehr. Ein paar der Türklinken in seinem Haus hat er gegen Griffe echter Wagen ausgetauscht. Im Keller zeigt Kraushaar auf ein grosses Michelin-Männchen. Dieses entdeckte er in einer Buchhandlung in Südfrankreich. «Fünfmal ging ich in den Laden, erklärte dem Besitzer, wie gern ich das Männli hätte. An meinem letzten Ferientag schenkte er es mir.» Vielleicht habe hierzulande einer noch mehr Modellautos. «Doch zusammen mit all meinen anderen Sachen – da gibts keinen Zweiten.» Im Januar ist Kraushaar wie jedes Jahr einen Monat mit Abstauben beschäftigt. Dabei passt er auf wie ein Häftlimacher – damit ja keine winzige Kühlerfigur abbricht.
Mittlerweile sei er ja selber ein Oldtimer, sagt Kraushaar. Und was passiert mit seinem Lebenswerk, wenn er mal nicht mehr da ist? Kinder hat das Ehepaar keine – und Rosmarie weiss noch nicht, was sie mit den Autöli machen würde. «Ich hoffe, die Sammlung bleibt beieinander», sagt er, ein bisschen Stolz schwingt mit: «Den Schweizer Autosalon in Genf gibts ja nicht mehr. Meiner hat ihn überlebt.»