Mit der Politik ist es in der Schweiz ganz offensichtlich so wie mit dem Geld – oder dem Sex: Man spricht nicht darüber. Diese Erfahrung musste unsere Redaktion machen, als wir rund 30 prominente Schweizerinnen fragten, wie sie politisch ticken – ganz generell. Was liegt den Frauen auf dem Herzen? Was wünschen sie sich für die Zukunft? Wo sind sie zufrieden, was könnte besser sein? Konkrete Fragen zu Partei-Präferenzen liessen wir bewusst aussen vor, um die Chancen auf Antworten zu unserer Blitz-Umfrage nicht zu schmälern.
Dennoch hagelte es Absagen. «Ich äussere mich nie politisch», «das Abstimmungsverhalten ist Privatsache», oder auch simpel: «keine Zeit», so die gängigsten Gründe, sich von unserem Anliegen zu entschuldigen.
Gefragt hatten wir Ex-Missen, Schauspielerinnen, Sportlerinnen, Models, Sängerinnen. Vier Frauen haben sich schliesslich bereit erklärt, auf unsere Fragen zu antworten. Es sind Frauen aus den unterschiedlichen Bereichen Gastronomie, Schauspiel, Schlager und Sport. Nachfolgend, was sie bewegt:
Schauspielerin Isabella Schmid, 48, liegen besonders die Themen Gesundheitspolitik, Bildung, Umwelt und Steuerpolitik am Herzen. Sie würde sich von den Schweizer Politikern wünschen, deutlicher Haltung zu beziehen in den einzelnen Dossiers. Ausserdem wünscht sie sich von ihnen vermehrt die Fähigkeit, auch überparteiliche Lösungen zum Wohl des Landes zu finden. Ein Politiker, der sie immer wieder überrasche, sei der «charismatische» Alain Berset. «Er fällt in vielen Belangen für mich positiv auf», so Schmid über den Innenminister.
Konkret würde die Zürcherin das Rentenalter für Frauen ändern, es auf 65 erhöhen. «Wir kämpfen für die Gleichberechtigung, dann sollten wir auch in diesem Bereich mitziehen», so ihr Credo. Pro ist Schmid auch bei einer CO2-Abgabe auf Flugtickets sowie beim Rahmenabkommen der Schweiz mit der EU. Aber: «Ich hoffe, dass wir eine klare Haltung vertreten und uns nicht über den Tisch ziehen lassen.»
Eislauf-Queen Denise Biellmann, 56, interessiert sich vor allem für die Bereiche rund um Sport, Natur und Umwelt. Insgesamt ist sie mit der Arbeit der Schweizer Politikerinnen und Politiker zufrieden. «Es geht uns gut in der Schweiz. Ich vertraue in unsere Politiker/innen», sagt sie. Herausheben möchte Biellmann alt Bundesrätin Doris Leuthard, 56 (CVP). «Sie hat ihr Amt mit viel Charme ausgeführt.» Die eben abgetretene SP-Ständerätin Pascale Bruderer, 42, kennt Biellmann schon lange. «Ich mag sie sehr.»
Klar Position bezieht die Zürcherin mit drei Mal Nein bei konkreten Fragen wie Rentenaltererhöhung für Frauen auf 65, bezahltem Vaterschaftsurlaub von vier Wochen und mehr sowie der CO2-Abgabe auf Flugtickets. Die Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten würde sie dagegen befürworten.
TV-Köchin Meta Hiltebrand, 36, steht ebenfalls als eine der Wenigen öffentlich zu ihrer politischen Meinung. Ihr ist wichtig, dass die Schweiz im Bereich Bildung stark bleibt sowie eigenständig – also, «dass die EU auch weiterhin kein Thema für uns ist». Ändern würde Hiltebrand die Steuernachteile von verheirateten Paaren ohne Kinder. Zudem würde sie Ausländern mit einem C-Ausweis, die seit mindestens 20 Jahren in der Schweiz leben, das Stimmrecht erteilen. Auch über die Verkehrspolitik macht sich Hiltebrand Gedanken: «Ich würde alle 15 Jahre eine Auffrischung der Autoprüfung einführen, damit immer alle auf dem gleichen Wissensstand sind. Das würde für mehr Sicherheit sorgen.»
Im Gastro-Bereich wünscht sie sich eine Angleichung der Mehrwertsteuer für Restaurants und Take-Aways. «Es kann nicht sein, dass ein Restaurant mit Ausbildungsplätzen, das den Abfall kostenpflichtig entsorgt und zugleich auch noch Toiletten anbietet, mehr Steuern zahlen muss, als ein Imbiss.»
Einer CO2-Abgabe auf Flugtickets sowie einem bezahlten Vaterschaftsurlaub von vier Wochen und mehr stimmt die Gastronomin zu. Die Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 Jahre lehnt Hiltebrand dagegen ab.
Schlagersängerin Marianne Cathomen, 52, lebt zwar seit einigen Jahren in Florida (USA), verfolgt das politische Geschehen in der Schweiz aber nach wie vor mit grossem Interesse. Sie hat auch an den Wahlen teilgenommen. «Wir verfolgen alles, was in unserer Heimat passiert und diskutieren viel mit unseren Besuchern», sagt sie. Bei diesen Gesprächen würden immer dieselben Themen herausstechen, nämlich die Frage der «unsicheren» Altersvorsorge, die Krankenversicherung, die Migrationspolitik, «und die steigende Intoleranz der politischen Meinungsfreiheit, wenn sie nicht dem Mainstream entspricht. All diese Themen liegen auch mir sehr am Herzen.»
Wünschen würde sich die Bündnerin, dass die Schweiz noch besser vorbereitet wäre auf all die Veränderungen, die in einer rasanten Geschwindigkeit auf uns zukommen würden. «Sei dies der technische Bereich mit der ganzen Digitalisierung, der Künstlichen Intelligenz und der damit verbundenen Berufsveränderungen», sagt sie. Auch die wachsende Population der älteren Bevölkerung und von pflegebedürftigen Menschen werde die Schweiz vor neue Herausforderungen stellen. «Ich spreche da von neuen Arten der Wohnsituation, Pflegeunterkünfte und Betreuung, aber auch Unterhaltungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten.»
In Florida erlebe sie einen ganz anderen politischen Alltag als in der Schweiz, so Cathomen weiter. Der Patriotismus etwa sei extrem ausgeprägt. Seit sie im Ausland lebt, habe sie das politische System Schweiz noch mehr zu schätzen gelernt. «Die Möglichkeit zu haben, als Volk in einer direkten Demokratie mitzubestimmen, ist unglaublich wertvoll.»