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Eine spirituöse Verbindung

Milliardär Hansjörg Wyss zeigt seine neue Whisky-Destillerie

Zwei Schweizer in Schottland. Financier Silvio Denz und der legendäre Synthes-Milliardär Hansjörg Wyss steigen ­zusammen ins Whisky-Business ein. Bei Glenturret gehts ­ihnen aber nicht ums Geld. «Ich will etwas lernen», sagt Wyss.

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Hansjörg Wyss und Silvio Denz, Glenturret Whisky, Schottland, SI 41/2021

Slàinte! – Prost! Silvio Denz (l.) und Hansjörg Wyss gönnen sich vor der Destillerie einen Single Malt. Brennerei-Chef Ian Renwick rollt dahinter ein abgefülltes Fass weg.

Kurt Reichenbach

So ein blasierter britischer Snob! Graue Haare, gepflegter Schnauzer – und wie er stolziert! Einmal kurz hergeschaut, schon dreht er desinteressiert ab. Mister Turret schmollt. Die Besucher aus der Schweiz können ihn mal. Mister Glen zeigt da bessere Manieren. Immerhin wohnen er und sein Kollege mietfrei auf dem Anwesen. Und wenn dann schon die Hausbesitzer vorbeischauen, darf man sich ruhig ein wenig bemühen. Also legt sich Glen brav aufs Sofa und lässt sich von Hansjörg Wyss, 86, hinter den Ohren kraulen. Der Kater und sein Milliardär – ein Bild für die Ahnengalerie auf Glenturret. «Ein schönes Paar», sagt Silvio Denz, 65, und lacht.

Besonderes Anliegen ist die Umwelt

Silvio Denz, Parfumhersteller sowie Kristallglas-Manufaktur- und Hotelbesitzer, und Hansjörg Wyss, durch den Verkauf der Medizinaltechnik-Firma Synthes vor neun Jahren zum Vielfachmilliardär geworden, sind hier eine spirituöse Verbindung eingegangen: Sie haben gemeinsam die älteste noch produzierende Whiskybrennerei Schottlands übernommen und wollen damit die High Class des Single Malt erobern. Dass Denz in dieser Luxusgüter-Liga mitspielt, erscheint logisch. Bei Hansjörg Wyss kommt es überraschender. So wenig man über den medienscheuen studierten Bauingenieur weiss, so ist doch bekannt, dass der Mann sein Geld zum grossen Teil für nicht kommerzielle Zwecke, für «die gute Sache», ausgibt. Wyss alimentiert zahllose Kultur-, Science- und Sozialprojekte rund um den Globus. Und hat auch in seiner Heimat mit der Finanzierung universitärer Forschungsinstitute oder dem Sponsoring von Kunstprojekten wie der Basler Fondation Beyeler tiefe Spuren hinterlassen.

Hansjörg Wyss und Silvio Denz, Glenturret Whisky, Schottland, SI 41/2021

Landlord meets house cat: Hansjörg Wyss krault im Empfangsraum der Destillerie Kater Glen.

Kurt Reichenbach

«Gewinn inte­ressiert mich nicht. Aber Geld hilft, die Umwelt zu schützen»

Hansjörg Wyss

Fünf Ehrendoktortitel in der Schweiz, den USA und Österreich adeln sein Tun. Ein besonderes Anliegen ist dem gebürtigen Stadtberner die Umwelt: Rund drei Milliarden Franken hat er schon in Umweltschutzprojekte investiert. Und er gehört The Giving Pledge an, einem Zirkel schwerreicher Menschen, die sich verpflichten, die Hälfte ihres Vermögens in gemeinnützige nachhaltige Projekte zu investieren. 

Ein «Guinness-Buch der Rekorde»-Eintrag für die Katze

Zurück zu Mister Glen und Mister Turret, den Maskottchen von Glenturret. Dass die beiden Katzen ihr Schlafplätzchen unter der kupfernen Brennblase haben und ihr Leben vermutlich durch einen permanenten Whisky-Schleier geniessen, ist nur eine der köstlichen Geschichten, die Denz zu erzählen weiss. Ebenso wie jene von Glens und Turrets Vorgängerin Towser, für die sogar eine Bronzestatue im Hof aufgestellt ist. Die soll in ihren 24 Katzenjahren auf Glenturret 28 899 Mäuse gefangen haben. Und hat dafür einen Eintrag im «Guinness-Buch der Rekorde» bekommen.

Hansjörg Wyss und Silvio Denz, Glenturret Whisky, Schottland, SI 41/2021

Geist: Im Spirit Safe werden die Destillatsstufen getrennt. «Wir wollen die Nummer eins werden», sagt Denz.

Kurt Reichenbach

Wunderliche Storys, passend zu Glenturret. Die älteste unter den zahllosen aktiven Whiskybrennereien Schottlands hat ein Renommee wie nicht viele andere. In Crieff, 100 Kilometer nordwestlich der Hauptstadt Edinburgh, am Eingang zu den Highlands gelegen, ist sie seit 1763 in Betrieb. Prinz William und seine Kate haben hier schon degustiert. Ex-Premier John Mayor ebenfalls. Seit zwei Jahren gehört sie zum Imperium der Lalique Group des Basler Mehrheitsaktionärs Silvio Denz. Den Besitz teilt sich Lalique mit Hansjörg Wyss. «Lalique kooperiert seit Jahren mit dem Whiskyhersteller Macallan», erzählt Denz. «Und als dessen Muttergesellschaft Glenturret zum Verkauf ausschrieb, war ich sofort interessiert. Die Suche nach Mitaktionären führte rasch zu Hansjörg, der an Lalique beteiligt und wie ich im Weinbusiness tätig ist.» Auch Wyss, seit Jahrzehnten in den USA lebend, fand schnell Gefallen. «Doch ich war nur interessiert, wenn ich die Hälfte von Glenturret erwerben könnte. Nach dem Wein der Whisky – eine Herausforderung, bei der ich lernen kann.» 

«Reichtum bedeutet mir nichts»

Kaufpreis? Da schweigen sich die Besitzer aus. Doch dass sie mit den Fabrikations- und Verwaltungsgebäuden auch gleich noch eine Million Liter Jahrgangs-Whisky im Fasslager erwarben, lässt die Dimensionen erahnen. «Bei Glenturret geht es mir nicht ums Geld. Reichtum bedeutet mir nichts», sagt Wyss. «Ich kann mir sowieso nicht vorstellen, was das ist, eine Milliarde. Und hinterlassen muss ich nichts; meine Tochter Amy hab ich längst vergoldet.»

Hansjörg Wyss und Silvio Denz, Glenturret Whisky, Schottland, SI 41/2021

Hochgefühl in den Highlands: Wyss am Loch Turret, aus dem das Wasser für die Produktion auf Glenturret stammt.

Kurt Reichenbach

Durch ihre Weingüter im Bordeaux und in Italien (Denz) respektive in Kalifornien sind die beiden Co-Besitzer von Glenturret Fachleute im Weinbau. Doch Highland-Single-Malt-Whisky ist für sie Neuland. Zumindest, was dessen Herstellung betrifft. «Ich hab mir mit vielleicht 30 Jahren die erste Flasche gekauft. Vorher hätte ich mir das gar nicht leisten können», erinnert sich Wyss. Punkto Marketing hingegen weiss das Duo genau, worauf es sich einlässt: «Um Single Malts gibts weltweit einen richtigen Hype. Jährlich legt das Segment um 15 Prozent zu, so viel wie keine andere Spirituose. Die Nachfrage ist riesig, die Preise steigen stetig», rechnet Silvio Denz vor.

Destilleriebesuch mit anschliessendem High-Class-Diner

Glenturret will in die Topliga der «handmade» Whiskys. Da brauchts auch die richtigen Fachleute: Bob Dalgarno gilt als derzeit bester Whiskyblender der Welt – eine Art Kompositeur. Und gleich neben dem Selfservice-Restaurant für die Destilleriebesucher ist vor Kurzem ein Gourmet-Restaurant eröffnet worden. Mit dem 36-jährigen Mark Donald warb man dem edlen The Balmoral Hotel in Edinburgh ein Koch-Wunderkind ab, einen von nur zwei Sterneköchen Schottlands. Seine Spitzen-Patissière Kayleigh Turner brachte er gleich mit. Donalds «französische Küche mit ausschliesslich schottischen Zutaten» soll den Destilleriebesuch mit einem High-Class-Diner zum Must für Gäste aus aller Welt machen.

Hansjörg Wyss und Silvio Denz, Glenturret Whisky, Schottland, SI 41/2021

Irgendwie vertraut: Wyss riecht an einem der 6500 Fässer in den sieben Warehouses. Viele stammen ursprünglich von seiner Halter Vine Ranch in Paso Robles (USA). Was -verdampft, ist «Angels Share».

Kurt Reichenbach

«Mit Schotten lässt sich prima arbeiten. Sie sind herzlich, offen und kommunikativ»

Silvio Denz

Jeans und Freizeitgilet sind bei Wyss kein Understatement. «Ich kenne kaum reiche Menschen. Mein liebster Umgang sind die alten Kollegen von früher. De Quartierpöschteler vo Bärn, mit dem ich gemütlich ein Bier trinken kann.» Seine Definition von Luxus: «Wenn ich demnächst mit zwölf Kollegen vom Tennis Club Nyon eine Woche nach Mallorca zum Tennisspielen gehe, dann ist das wahrer Reichtum für mich. Es ist nicht so leicht, noch jemanden zu finden, der mit mir spielt.» Und golfen möchte er in Schottland demnächst auch vermehrt. «Aber auf einfachen Dorfplätzen mit 20 Pfund Spielgebühr.»

«Wir haben nicht immer die gleichen Weltanschauungen»

Der Fricktaler Silvio Denz verneint ganz offen, dass er Wyss’ philanthropische Haltung nachahmen will. «Wir haben nicht immer die gleichen Weltanschauungen, aber in geschäftlichen Dingen harmonieren wir prächtig. Ich glaube stark an Grund und Boden. Mit meinen Geschäften will ich nachhaltig in die Zukunft kommender Generationen investieren.» Denz hat einst die Alrodo AG von seinem Vater übernommen und zur grössten Parfumkette der Schweiz ausgebaut. «Für mich ist Luxus, dass ich mir leisten kann, ohne Agenda zu leben.» Sohn Claudio, 33, hat die Familien-
DNA geerbt und interessiert sich ebenfalls für den Weinhandel und das Parfumgeschäft. 

Hansjörg Wyss und Silvio Denz, Glenturret Whisky, Schottland, SI 41/2021

Qual der Wahl: Die Lalique Bar bietet 250 Scotch Whiskys an. Darunter alle 10- bis 33-jährigen Glenturrets.

Kurt Reichenbach

Wyss treibt mehr missionarischer Eifer an. So echauffiert er sich etwa über das Steuersystem in seiner Wahlheimat, wo er Wohnsitze bei Boston, in Wyoming oder Kalifornien hat: «Für jede Donation, die ich mache, gibt mir die Behörde eine Steuererleichterung. Das geht doch nicht. Ich bezahle prozentual ja weniger Steuern als meine Sekretärin.» Und schiebt nach: «Die Reichen dieser Welt bezahlen eindeutig zu wenig Steuern!»

Er fliegt seinen Falcon-900-Jet selbst über den Atlantik

Kommt Hansjörg Wyss pro Jahr «vier-, fünfmal» in die alte Heimat, fliegt er seinen Falcon-900-Jet oft selbst über den Atlantik. «Aber nur bei Start und Landung oder wenns chutet. Sonst ist mir das zu langweilig.» Regelmässig absolviert der rüstige Nichtrentner fliegerische Gesundheitschecks und Schulungen – mit Erfolg. Klar, wenn einer noch immer alljährlich mindestens einen Langdistanz-Langlauf absolviert.

Hansjörg Wyss und Silvio Denz, Glenturret Whisky, Schottland, SI 41/2021

Blick in den Maischbottich: Die Produktion soll von derzeit 200 000 auf 500 000 Liter Whisky jährlich ansteigen.

Kurt Reichenbach

«Erst Wein, nun der Whisky: eine neue Challenge, bei der ich viel lernen kann»

Hansjörg Wyss

Wyss, seit zehn Jahren mit Psychotherapeutin und Malerin Rose Zander liiert, besitzt auch nach 40 US-Jahren nur den Schweizer Pass. «Ich kann zwar nicht sagen, ob ich schweizerdeutsch träume oder englisch. Aber was da zu Hause gesellschaftlich und politisch los ist, das weiss ich sehr genau!» Ganz unschweizerisch direkt lässt er wissen, dass «der Bundesrat mit seiner Uneinigkeit ein miserables Bild» abgebe. «Die Haltung gegenüber der EU ist unerträglich, das geht doch nicht so. Und dass man dem Blocher und seiner Folklore vor Jahren schon auf den Leim gekrochen ist, lässt sich nur noch schwer korrigieren.» Kampfjetbeschaffung in den USA? «Fertige Chabis!» Ebenso wie die «stetige Orientierung an Amerika statt an den eigenen Nachbarn». Fast schon klassenkämpferische Töne des reichen Mannes, der sich auch in den USA politisch engagiert – etwa im Kampf gegen Trump. Und mit wachem Geist messerscharf formuliert, woran die Welt krankt. Sein monetärer Beitrag zur Behebung der Missstände ist beträchtlich.

Für Silvio Denz ist Hansjörg Wyss ein Glücksfall. Umgekehrt auch. Und für die Single-Malt-Whisky-Destillerie Glenturret sowieso. Die Schotten sind begeistert von ihren neuen Hausherren. Da kann Mister Turret noch lange schmollen. 

Hansjörg Wyss und Silvio Denz, Glenturret Whisky, Schottland, SI 41/2021

Fangfrisch: Inmitten seiner Küchenbrigade zeigt Mark Donald Wyss und Denz einen schottischen Hummer.

Kurt Reichenbach
Von Iso Niedermann am 17. Oktober 2021 - 08:09 Uhr