Grosser Bahnhof am Montagmorgen für die Bundespräsidentin in Landquart GR: Renato Fasciati, Direktor der Rhätischen Bahn, lässt es sich nicht nehmen, Simonetta Sommaruga persönlich zu begrüssen und im Zug nach Davos ans Weltwirtschaftsforum zu begleiten. «Es freut uns natürlich sehr, dass die Bundespräsidentin mit dem ÖV nach Davos reist.» Das sei bei hohen Politikern doch selten der Fall. Gut erinnern kann sich Fasciati an Chinas Präsident Xi Jinping, der vor drei Jahren mit der RhB ans WEF reiste. «Allerdings mietete er einen Extrazug. Dieser wurde dann auch noch von zwei Helikoptern begleitet.»
Anders die Bundespräsidentin. Sie fährt im regulären Zug, ohne Bodyguards, hat eine Platzreservation gleich hinter dem Führerstand. «Ich reise extrem gerne im Zug – gerade auch bei dieser Kulisse», sagt die Magistratin, blickt kurz in die verschneite Winterlandschaft und widmet sich wieder dem Aktenstudium. Kurz nach Schiers ruft einer ihrer Mitarbeiter: «Schauen Sie, die Klimawanderer!» Eine Gruppe von rund 600 Jugendlichen ist auf der zweiten Etappe ihrer dreitägigen Wanderung nach Davos, um dort für das Klima zu demonstrieren. «Mit dem ÖV reise ich also nicht erst seit der Klimabewegung», sagt Sommaruga mit einem Augenzwinkern.
Die Umwelt- und Energieministerin hat sich im vergangenen Jahr mehrmals mit den Klimaaktivistinnen getroffen. Am WEF wird dafür aber kaum Zeit bleiben. «In Davos ist es mir vor allem wichtig, das Thema Klimawandel bei den Wirtschafts- und Politführer aufs Tapet zu bringen», sagt Sommaruga. So spreche sie etwa morgen Dienstag an einer Veranstaltung des WWF zum Thema Biodiversität und auch in ihrer Eröffnungsrede werde sie das Thema stark in den Vordergrund stellen. «Aber auch hinter den Kulissen, bei den bilateralen Treffen gebe ich dem Klima grosses Gewicht.»
Neben dem Treffen mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen steht ein Gespräch mit US-Präsident Donald Trump auf der Agenda der Bundespräsidentin. Dieser hat vergangenes Jahr die Beteiligung der USA am Pariser Klimaschutzabkommen gekündigt. «Selbstverständlich spreche ich den US-Präsidenten auf seine Klimapolitik an», sagt Sommaruga. Die USA sei ein grosser Player mit grossem Potential. «Wenn die USA künftig weniger fossile Energien wie Öl und Gas verbrauchen, hätte das nicht nur klimapolitisch sondern auch wirtschaftspolitisch grosse Auswirkungen.»
Doch der prominente Auftritt von Sommaruga am WEF sorgt auch für Kritik. Am Wochenende sagte Juso-Präsidentin Ronja Jansen gegenüber dem «Blick», sie sei «enttäuscht, dass Simonetta Sommaruga am WEF teilnimmt». Sowohl von ihr als auch von SP-Bundesrat Alain Berset hätte sie erwartet, dass sie auf eine Teilnahme am Elite-Gipfel verzichten würden. Gegenüber der «Schweizer Ilustrierten» sagt die Bundesrätin zur Kritik: «Erstens bin ich Bundespräsidentin und halte in dieser Funktion die Eröffnungsrede. Dabei kann ich jene Themen ansprechen, die mir wichtig sind und erreiche ein grosses Publikum. Zweitens gibt mir das WEF die Möglichkeit, mich vor und hinter den Kulissen für die Anliegen der Jugendlichen einzusetzen.»
Bei strahlendem Sonnenschein und frostigen Temperaturen kommt die RhB in Davos Platz an. Sommaruga verabschiedet sich mit Händedruck vom Zugführer und wird von einer Polizeieskorte zu ihrer Limousine begleitet. Das erste Treffen mit Von der Leyen steht an. «Davos ist ein guter Ort, um informell Kontakte zu knüpfen. Noch ein Grund warum ich das WEF als Chance sehe.»
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