«Jetzt tuä nöd so blöd!», sagt Ronja Furrer, wenn sie wieder mal viel zu streng mit sich selber ist. Denn «so oft» kommt es vor, dass dem Model die eigenen Fotos nicht gefallen. «Ist doch alles gut», beschwichtigt sie sich dann mit ihrer langsamen, tiefen Stimme. Beim Treffen mit der Schweizer Illustrierten in der Bar des Zürcher Kunsthauses ist sie gerade auf der Durchreise. Zwischen Ferien in den Bergen und zurück nach Hause, in die USA.
Hier lernt man zwei Ronjas kennen. Beim Shooting: das Model – seit sie 14 Jahre alt war, steht sie vor der Kamera, und die Posen kommen auf Knopfdruck. Beim Gespräch: die beschwingte, auch mal mit sich hadernde 29-jährige Solothurnerin. Trotz dem harten Modelalltag mit Einsamkeit und Figurstress hat sie ihre positive Lebenseinstellung bewahrt. Auch dass sie am 18. Januar ihren 30. Geburtstag feiert, bringt sie nicht aus der Ruhe.
Ronja Furrer, nächste Woche feiern Sie Ihren Dreissigsten. Wir gratulieren! Wie feiern Sie Geburtstag?
Mit einem Essen und einer Party in New York, in meiner frisch bezogenen Einzimmerwohnung im 32. Stock, mit dem Blick über Upper Manhattan.
Das heisst: ohne die Liebsten aus der Schweiz?
Die kommen alle auch, fliegen ein. Darauf freue ich mich wahnsinnig. Das habe ich von meinen Grosseltern geerbt: die Freude daran, Leute zusammenzubringen.
Kommt Rapper Andres «Stress» Andrekson, auch?
Andres und ich sind nicht mehr zusammen.
Die Miene der sonst so strahlenden Brünetten verdunkelt sich. Sie blickt tief in den vor ihr kalt werdenden Kamillentee. Mit der langjährigen Fernbeziehung zu dem Musiker, die sie 2012 öffentlich bestätigt hatte, hielt sie sich stets bedeckt. So nun auch mit der Trennung. «Ich bin ein sehr privater Mensch», sagt sie. Zur Familienplanung verspüre sie gerade keinen Drang.
Für die Familienplanung würden Sie aber wieder in die Schweiz ziehen?
Als Kind hier aufzuwachsen, ist ein Traum. Wenn ich mal eine Familie haben sollte, möchte ich meine Kinder hier gross werden lassen.
In Solothurn oder in Zürich?
Uff (lacht). Zurück aufs Land? Ich weiss es nicht.
Für Sie war Lüterkofen aber der richtige Ort zum Aufwachsen?
Zu Weihnachten habe ich meiner Familie ein Fotoalbum zusammengestellt – wir haben in den Bergen gefeiert. Da kamen die Erinnerungen hoch. Die Natur, mit meinen drei Geschwistern. Mit meinem Vater beim Wandern. Mit meinem Mami im Garten. Auch nachdem sich meine Eltern getrennt hatten, als ich acht war – ich hatte eine so schöne Kindheit. Mein Hintergrund hat mich bodenständig bleiben lassen. Für meine Familie bin ich immer Ronja geblieben. Ich kann jederzeit heimkommen und ich selbst sein.
In New York können Sie das nicht?
Mittlerweile schon. Aber es hat gedauert. Es kann eine einsame Stadt sein. Solche Zeiten hatte ich auch. Das ständige Reisen macht es schwierig, Freundschaften aufzubauen.
Ist man mit 30 nicht schon zu alt zum Modeln?
Meine Kunden und Kundinnen haben sich verändert, klar. Aber es kommen nach wie vor neue dazu.
Können Models heute länger im Business bleiben als früher?
Ja. Mein Vorteil ist auch, dass ich nicht nur High Fashion gemacht habe, sondern stets auch im kommerziellen Bereich tätig war. Da sind die Altersgrenzen sowieso viel offener.
Wie hat sich die Branche gewandelt, seit Sie angefangen haben?
Durch die sozialen Medien ist alles noch schnelllebiger geworden.
Sie posten wenig aus Ihrem Leben auf Instagram …
Ich teile meistens nur Arbeitsbezogenes mit. Alles andere liegt weniger in meiner Natur. Man muss immerzu zeigen, wo man gerade ist, was man gegessen hat, wen man trifft, sonst verlieren die Follower das Interesse. Ich zeige
lieber weniger Privates und bleibe authentisch.
Während der Pandemie haben Sie eine eigene Management-Agentur gegründet. Verlangen Sie von Ihren künftigen Models, Privates zu zeigen?
Bei The Kinship möchten wir – ich und meine Geschäftspartnerin – die jungen Frauen zu Marken aufbauen. Wir arbeiten nur mit ausgewählten Talenten, aber dafür intensiv. Wir sagen natürlich, dass Social Media ein Teil des
Jobs ist und heutzutage als Erweiterung des Portfolios dient. Aber zwingen tun wir niemanden. Ich glaube auch nicht, dass ein möglichst grosses Following über den Erfolg entscheidet.
Was entscheidet denn über den Erfolg?
Nicht nur das Aussehen und die Figur! Es ist der Wille. Eine Modelkarriere kostet viel Zeit und Energie. Und man muss einen Weg finden, mit seinen Unsicherheiten umzugehen. Mittlerweile fühle ich mich sehr gut in
meinem Körper, aber das war nicht immer so. In diesem Business wird man ständig mit dem eigenen Spiegelbild konfrontiert. Man darf sich davon nicht zu stark beeinflussen lassen. Ich musste mir oft sagen: Es ist nicht alles, Modeln ist mein Job, aber nicht mein Leben.
Selbst zu modeln oder Models auszubilden – in welcher Rolle fühlen Sie sich wohler?
Das eine ist schon fast Routine für mich. Beim anderen lerne ich gerade so viel Neues. Letzthin habe ich in New York ein Talent entdeckt und angesprochen. Die junge Frau war mit ihren Eltern im Park. Das hat mich viel Überwindung gekostet.
Wie haben die Eltern reagiert?
Der Vater war offen, die Mutter -skeptisch.
Wie wurden Sie entdeckt, und wie reagierten Ihre Eltern?
Mein Grosspapi hat mich beim Elite Model Look angemeldet. Und bei meinen Eltern war es umgekehrt: Meine Mutter war offen, der Vater skeptisch.
Ist er noch immer skeptisch?
Ah, er hat gar nichts mehr zu sagen (lacht). Ich werde 30!
Ihre Freundin Anja Leuenberger ist gerade von New York zurück in die Schweiz gezogen. Macht Sie das traurig?
Ich vermisse sie sehr. Wir sind damals gleichzeitig nach New York. Wohnten beide in schäbigen Apartments in China Town. Die Küche im Schlaf-zimmer, Ratten im Keller. Wir waren beide 18, beide Models, beide aus der Schweiz und dachten, wir sollten uns mal treffen. Und seither war sie immer da. Für sie war die Rückkehr in die Schweiz das Richtige. Sie ist glücklich damit. Für mich ist momentan New York mein Daheim, mein Glück.