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Mit Nati-Trainer Murat Yakin unterwegs

Der neue Liebling der Nation

Er hat bloss sieben Spiele gebraucht, um als neuer Coach der Schweizer Fussballnati die Herzen der Fans zu erobern. Murat Yakin über seine Mama Emine, Schach spielen mit den Töchtern und Yoga mit seiner Frau Anja.

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Murat Yakin in Basel, Fussball Nati Trainer, mit Mutter Emine und Frau Anja, SI 49/2021

Mutter Emine Yakin, 86, besucht Murat beim Suppe-Ausgeben für einen guten Zweck in Basel.

David Biedert

Oft ist Murat Yakin nicht mehr in seiner Heimat Basel, zwei- bis dreimal im Jahr vielleicht. Seit Langem hat der 47-Jährige seinen Lebensmittelpunkt in Zürich, erzählt er, als er durch die weihnächtlich beleuchtete Innenstadt schlendert. Mutter Emine, 86, hingegen ist noch im Baselbiet, doch sie reist ständig nach Zürich und ist an jedem Spiel ihrer Jungs. 

Seit fast 20 Jahren eine eigene Stiftung für Kinder

Heute muss sie nicht weit fahren. Im Rahmen des Suppentags der wohltätigen Organisation Schweizer Tafel gibt Yakin an der Freien Strasse Suppe aus. Wobei auch hier im Zelt Autogramme fast begehrter sind als die Suppe. Seine Verbindung hierher: Die Präsidentin des Gönnervereins der Tafel Basel ist seit zwei Jahren auch in Yakins eigener Stiftung Murat Yakin and Friends dabei. Mit dieser unterstützt er seit 19 Jahren Kinder in der Nordwestschweiz. Meist geht es um direkte, individuelle Hilfe: das Übernehmen des Vereinsbeitrags eines Kindes oder des Fussballcamps für ein Heim. «Der Ursprung für das Engagement war schon, dass wir nicht so viel Geld hatten, als ich aufwuchs», sagt Yakin. Als er bekannter wurde, nahmen die Unterstützungsanfragen bei ihm so stark zu, dass sie mit einer Stiftung einfacher zu handhaben waren.

Murat Yakin in Basel, Fussball Nati Trainer, mit Mutter Emine und Frau Anja, SI 49/2021

Auf der Pfalz; hinten die Mittlere Brücke. Murat Yakin ist nicht mehr oft in Basel, «aber ich werde immer herzlich empfangen».

David Biedert

Mama Emine sitzt mittlerweile am Tisch, lässt sich von Murat eine Suppe bringen. Sie hat in der Schweiz allein acht Kinder grossgezogen, nun muss sie kurz überlegen, wie viele Enkel sie hat. «21!», sagt sie dann und lacht. «Und ich besuche sie überall.» In Italien, England oder auch nur in Schaffhausen. «Sie ist zwäg und rüstig, selbstständig, wohnt allein und geniesst es total», sagt ihr Sohn. Emine Yakin liebt den Fussball – wo die Söhne gerade spielen oder Trainer sind, ist für sie einerlei. Dennoch spürt man ihren Stolz darüber, dass Murat Schweizer Nationaltrainer ist. «Das ist sehr gut!» 

«Er ist ein lustiger, herzensguter Mensch»

Gerade mal sieben Spiele hat Murat Yakin gebraucht, um neuer Liebling der Nation zu werden. Die Euphorie nach der WM-Qualifikation ist gross, Yakin allgegenwärtig. Die NZZ erhebt ihn zu «sexy Muri national», ein Video, in dem er fröhlich summend Schoggi nach Nordirland schickt als Dank für das 0:0 gegen Italien, geht viral, er gibt am Vereinsabend seines Jugendklubs Concordia Anekdoten zum Besten und ist mit Ehefrau Anja, 36, bei Salto Natale das Glamourpaar schlechthin. «Er ist ein herzensguter, lustiger Mensch», sagt Anja zu ihrem begehrten Mann, «bodenständig und diszipliniert.»

Murat Yakin in Basel, Fussball Nati Trainer, mit Mutter Emine und Frau Anja, SI 49/2021

«Er hat ein Herz aus Gold»: Anja und Murat Yakin sind seit bald 20 Jahren ein Paar. Jetzt haben sie auch Zeit für einen Besuch von Salto Natale. 

David Biedert

«Murat jammert nie, er ist ein herzensguter, lustiger Mensch. Bodenständig und diszipliniert»

Anja Yakin

Der Wechsel zwischen Leistung und Loslassen behagt ihm. Yakin hat es in seiner Karriere als Spieler auch mal ein paar Tage gemütlicher genommen, wenn er fand, dass es drinliegt. «Ich schätze die unterschiedlichen Facetten: extrem intensive Phasen bei den Zusammenzügen, danach wieder eine Entlastung. Es war sehr spannend für mich, dass ich die Jungs auf den Moment hin parat machen konnte.»

Und intensiv waren seine ersten Monate als Natitrainer auf jeden Fall. Wegen der Ausfälle von Führungsspielern wie Granit Xhaka musste er ziemlich improvisieren. «Er sass schon auch nachdenklich zu Hause: Was mache ich? Wie packe ich das?», erzählt Anja. «Aber er jammert nie, ist motiviert und findet Lösungen.» Nächstes Jahr ist das Paar seit 20 Jahren zusammen, es hat eine sieben- und eine neunjährige Tochter. 

Zeit für ein gemeinsames Hobby

Der Rhythmus als Nationaltrainer ist auch für die Familie neu. Zwar sassen alle zuvor schon jeden Tag gemeinsam beim Zmorge und meistens auch beim Znacht; doch nun ist er selbst am Wochenende da. Früher haben Anja und Murat oft Squash gespielt, und als sie die Yoga-Ausbildung machte, war er ihr Schüler, obwohl das nicht ganz sein Ding war. Der neue Job gibt nun die Gelegenheit für ein neues gemeinsames Hobby: Golf. Murat hat Handicap 11, Anja ist Anfängerin. «Hoffentlich hat er mit mir so viel Geduld wie mit den Jungs auf dem Platz», sagt sie lachend. Denn während ihr Mann die Ruhe in Person sei, «bin ich das komplette Gegenteil. Ich habe tausend Ideen und suche die Action.»

Murat Yakin in Basel, Fussball Nati Trainer, mit Mutter Emine und Frau Anja, SI 49/2021

Murat Yakin gibt an der Schweizer Tafel Suppe aus. Er selbst hat seit 19 Jahren eine Stiftung.

David Biedert

Für die anstehenden Ferien auf den Malediven – endlich kann Yakin während der Schulferien weg – hat er angekündigt, im Liegestuhl chillen zu wollen, während sie schon Schnorchel- und Delfintrips ins Auge gefasst hat. Doch die verschiedenen Gangarten innerhalb der Familie «kriegt man mit Verständnis schon unter einen Hut», sagt Murat schmunzelnd.

«Sie spielten am Anfang immer voll auf Angriff»

Seinen Mädchen hat er bereits eine eigene Leidenschaft vermittelt: Schach. Er hat sich das strategische Spiel selbst beigebracht, übt per Schachcomputer und zieht den Vergleich mit dem Fussball: «Du hast eine Idee, wie du startest. Schaust, wie sich das Spiel entwickelt. Wie kriegst du deine Werkzeuge in die Positionen, wo du den Gegner ärgern kannst?», beschreibt er begeistert. Mit den Töchtern hat er mit Eile mit Weile begonnen, dann folgten Mühle, Dame und schliesslich Schach. «Unglaublich, wie schnell sie Fortschritte gemacht haben. Nach zwei Wochen hiess es: ‹Papi, Papi, Schach!›» Bloss taktieren haben sie lernen müssen. «Sie spielten am Anfang immer voll auf Angriff und waren enttäuscht, wenn sie verloren.»

Murat Yakin in Basel, Fussball Nati Trainer, mit Mutter Emine und Frau Anja, SI 49/2021

Beim Weihnachtsmarkt auf dem Münsterplatz ist der neue Naticoach begehrtes Fotosujet.

David Biedert

«Der Ursprung für das Engagement war schon, dass wir nicht so viel Geld hatten, als ich aufwuchs»

Murat Yakin

«Wie geht es Yann Sommer?», fragt ein kleiner Junge, als er Yakin vor dem Suppenzelt ein FCB-Trikot zum Signieren hinstreckt. «Ich denke, es geht ihm gut», sagt Yakin und unterschreibt mit Geduld. Dass er plötzlich überall beliebt ist, findet er witzig. «Als Klubtrainer hattest du immer 25 Kantone als Rivalen», schmunzelt er. Was für ein Trainer möchte er sein? Ein zugänglicher, sagt er – und ein mutiger. Dass er so schnell Erfolg gehabt habe, liege nicht nur an den fachlichen Fähigkeiten und dass er die meisten Spieler wie auch den Schweizer Fussball gut kenne. «Ich bringe auch im sozialen Umgang sehr vieles mit, habe durch meine Herkunft Verständnis für die verschiedenen Kulturen im Team.»

Zurückschauen mag er nicht – nur die Zukunft zählt

Dass das Amt des Nationaltrainers ein Traum für ihn war, verheimlicht er nicht. Eine Karriereplanung aber habe er nie gehabt. «Ich entscheide stets nach Bauchgefühl: Passt das? Fühl ich mich wohl? Kann ich etwas bewegen?» Hat er sich mit einem Klub mal im Unguten getrennt, interessiert ihn das heute nicht mehr. «Alles, was bevorsteht, ist für mich so spannend und wichtig, dass ich die ganze Energie darauf verwende.»

Murat Yakin in Basel, Fussball Nati Trainer, mit Mutter Emine und Frau Anja, SI 49/2021

Genussmensch Murat Yakin mit einem Glühwein. Er mag den Wechsel zwischen intensiven und entspannten Phasen. 

David Biedert

Erst im März steht der nächste Zusammenzug der Nati an. Eine ungewohnt lange Phase zum Durchschnaufen. Doch ist er bereits wieder voller Pläne. «Du kannst nicht dieselbe Idee wieder aus der Schublade holen, musst neue Ansätze kreieren.» Im November 2022 startet die Fussball-WM in Katar. Yakin war fasziniert, dass sich diesen Herbst die Euphorie nochmals steigern liess, obwohl die EM im Juni schon so emotional gewesen war. Es ist ein Anreiz für ihn. Nächstes Jahr will er neue Gegner schachmatt setzen. 

Von Eva Breitenstein am 12. Dezember 2021 - 09:42 Uhr