Pepe Lienhard, als Sie 50 wurden, sagten Sie: «Ich spiele, bis ich 70 bin.» Jetzt werden Sie 75.
(Lacht.) Ich möchte da meinen Freund Udo Jürgens zitieren, der sagte: «Ich spiele, solange es die Gesundheit erlaubt und uns jemand hören möchte.» Ich wüsste nicht, was ich lieber tun würde. In den Siebzigern wurde ich oft gefragt, was ich «mir reinziehen» würde, weil ich auf der Bühne so strahle. Nichts! Meinen Beruf musste ich mir nie mit Pillen schöner machen.
Was lieben Sie daran?
Ich war stets der Performer, nicht der grosse Komponist. Das Bandleader-Gen habe ich seit meiner ersten Band mit zwölf. Meine Qualität ist es, einen wilden Haufen auf einen Nenner zu bringen.
Wie machen Sie das?
Das weiss ich nicht. Ich musste mich nie durchsetzen, es wurde gemacht, was ich gesagt habe. Sicher hat eine gesunde Distanz stets geholfen, auch wenn ich mit meinen Musikern freundschaftlich verbunden bin. Wenn es exzessiv wurde, musste ich nie dabei sein. Ein guter Groove war mir stets wichtiger, als ein Star-Ensemble zu haben.
Sind Sie ein Harmoniemensch?
Absolut, was auch ein Nachteil ist. Ich möchte es immer allen recht machen. Ihre Frau und Managerin Christine digitalisiert gerade alle Ihre TV-Auftritte.
Was empfinden Sie, wenn Sie diese sehen?
Es berührt mich sehr. Mein ganzes Leben habe ich die Sendungen nie ein zweites Mal geschaut oder einen Pressespiegel gelesen. Jetzt realisiere ich, was wir alles gemacht haben, da bin ich wirklich stolz drauf. Ich bin froh, dass alles noch da ist, selbst mein Maturitätszeugnis.
«Jetzt realisiere ich, was wir alles gemacht haben, da bin ich wirklich stolz drauf»
Pepe Lienhard
Waren Sie ein guter Schüler?
In der Kanti katastrophal – heb-chläb, mit Not 4,0! Der Goodwill der Lehrer half mir durch die Matur, da sie unser Engagement toll fanden. Wir Schüler von der Kanti Aarau und dem Semi Wettingen sorgten mit dem Jugendmusical «Aargau, du muesch a der Expo si» dafür, dass unser Kanton an der Expo 64 vertreten war.
Der wegweisendste Entscheid Ihres Lebens?
Das Jus-Studium aufzugeben und Profi zu werden. Mein Vater war konservativ, Bahnbeamter, er dachte an die Pensionskasse, und er fand, Musik sei bloss ein schönes Hobby. Damals hat man noch gemacht, was die Eltern sagten, ich wäre der erste Akademiker der Familie gewesen.
Wie reagierten Ihre Eltern?
Mutter hat mich unterstützt, sie war mein grösster Fan. Meinem Vater konnte ich es noch vor seinem Tod 1968 erklären. Er wollte einfach, dass es mir gut geht. Ein anderer Wendepunkt war die Auflösung des Sextetts 1980 nach gut zehn Jahren. Wir hatten Erfolg, aber Geld verdienen allein war nie meine Motivation, und ich wollte mir den Traum einer Profi-Big-Band erfüllen. Als Udo ins gleiche Management kam, hatte ich die Perspektive, mit ihm aufzutreten.
Schicksal? Oder glauben Sie nicht daran?
Natürlich ist es Schicksal, wenn der Bruder mit 38 oder die Schwester mit drei Jahren stirbt. Das sind Schicksalsschläge. Mir passierte das eher privat als beruflich.
Was half Ihnen dann?
Immer die Musik. Auch meine Scheidung von der Mutter meiner beiden Töchter war ein Tiefschlag. Musizieren gab mir Kraft und stellte mich auf. Tiefschläge brachten mich stets noch näher zur Musik.
Gibt es ein Glücksrezept?
Nein. Ich hatte die Chance, mit meiner Leidenschaft Geld zu verdienen, da bin ich einfach dankbar und ein glücklicher Mensch. Ebenso wichtig ist eine tolle Partnerschaft. Dass Christine und ich uns gefunden haben, ist ein grosses Glück. Ich versuche, schlechtes Karma zu vermeiden, im Privaten sowieso! Ich will mich nur noch mit Leuten umgeben, die mir guttun. Das kann man sich wohl erst im Alter erlauben, diese Wahl haben Junge vielleicht noch nicht.
Existiert die ewige Liebe?
Christine ist meine grosse Liebe. Ewige Liebe ist ein Anspruch auf eine Garantie, und die gibts nicht. Was ist Liebe? Wenn man bedingungslos füreinander da ist. Wenn ich Christine am Morgen sehe, bin ich glücklich. Wenn ich sie abends ansehe, bin ich glücklich. Und ich spüre es auch von ihr, es ist gegenseitig. Was will man mehr?
Wie war das vergangene Jahr für Sie?
Persönlich hatten wir es sehr gut. Meine beiden Enkel sah ich leider sehr wenig, meine einjährige Enkelin hatte ich noch nie in den Armen. Vor allem das Musikmachen fehlt mir sehr.
Was haben Sie in dieser Zeit gemacht?
Saxofon habe ich wieder vermehrt geübt. Ich war viel mit dem Hund draussen, und jeden Tag spielen wir Scrabble. Ich habe mich auch ein bisschen im Haushalt engagiert, da Christine seit Januar 2020 neben ihrer Stiftung auch mein Büro betreut. Kochen tue ich noch nicht, aber für den Geschirrspüler und das Aufräumen der Küche bin ich zuständig. Auch bin ich zum totalen Abfalltrenner mutiert. Mir war keine Sekunde langweilig.
Wenns so gemütlich ist, könnten Sie aufhören.
Nein, nein, nein! Ich bin ein Band-Man, das ist mein Lebenselixier. Wir starten am 24. März den Vorverkauf für die grosse Geburtstagstour, die für dieses Jahr geplant gewesen wäre, die nun aber im Frühling 2022 stattfindet. Die Studioaufnahmen im Februar mussten wir verschieben, genauso ist mein Wunschtraum einer TV-Show mit befreundeten Musikern jetzt leider nicht möglich, dafür gibt es am 23. März ein Livestreaming-Konzert. Und im Juni haben wir Open-Air-Konzerte mit Les Sauterelles geplant – so Gott will!
Wann hatten Sie eigentlich das Gefühl: «Jetzt habe ichs geschafft»?
Das hat man nie. Aber mit «Sheila Baby» hatten wir 1971 unseren ersten Platten- und Hitparaden-Hit. Leider nie auf Platz 1, denn «Rose Garden» von Lynn Anderson war hartnäckig! Die Show «Musik & Gäste» von Heidi Abel hat uns auch sehr geholfen. Da waren wir alle paar Wochen live und haben Gott und die Welt begleitet.
«Tiefschläge brachten mich stets noch näher zur Musik»
Pepe Lienhard
Haben Sie dafür weniger im Privaten erlebt?
Im Gegenteil, wir haben sehr viel Fun gehabt. Geheiratet habe ich erst 1988. Doch auch wenn ich oft monatelang am Stück zu Hause war, waren die langen Tourneen mit Udo für das Familienleben schwierig. Meine Ex-Frau war alleine mit zwei kleinen Kindern, die weinten, wenn ich ging.
Wie haben Sie die Abschiede verkraftet?
Das war schlimm. Ich telefonierte vom Hotel aus, hatte 2000 Franken Telefonrechnung im Monat. Für mich wars furchtbar, dass die Kinder litten, sie hatten den Papi nicht. Ich war gern daheim, ging aber auch gern auf Tournee – noch heute.
Wie halten Sie sich fit für die Tour?
Meine Frau kocht sehr gesund und frisch. Wir spazieren oft mit dem Hund und haben uns zusätzlich eine multifunktionale Kraftmaschine gekauft. Beim Training schauen wir Tiersendungen.
Was ist das grösste Problem der Menschheit?
Ich denke, es hat zu viele Menschen. Besonders in den Industriestaaten will kaum jemand auf etwas verzichten. Bedenkenlos wird konsumiert, alles muss verfügbar sein. Das kann nicht gut gehen.
Ist es in Ordnung, manchmal zu lügen?
Ich bin nicht einer, der lügt, aber manchmal ein bisschen übertreibt oder was beschönigt. Christine regt es zwar auf, wenn ich sage, die Frau war 90, und tatsächlich war sie 84. (Lacht.) Übertreiben macht das Leben lebenswert – sagte auch Udo.
Was ist für Sie der Sinn des Lebens?
Ich versuche, den Menschen etwas zu geben, nicht nur zu nehmen. Die Musik habe ich zwar nicht neu erfunden, aber ich kann damit vielen Leuten Freude machen.
Am 23. März, 20 Uhr, gibts via www.pepelienhard.ch eine 45-minütige Geburtstags-Liveshow aus dem Theater Rigiblick mit seinem Orchester, Marc Sway, Tanja Dankner, Christian Jott Jenny.